Um eine Zweckentfremdung der Corona-Kontaktdaten zu verhindern, brachte die BVB / FREIE WÄHLER Fraktion einen entsprechenden Antrag in den Landtag ein. In der 64. Sitzung des Brandenburger Landtages wurde über diesen debattiert.
Bisher wurde angenommen, dass die im Rahmen der Corona-Pandemie zu hinterlegenden Kontaktdaten allein zur Bekämpfung der Pandemie verwendet werden. Doch laut der Brandenburger Landesregierung können die Kontaktdaten auch durch die Staatsanwaltschaften zu Zwecken der Strafverfolgung genutzt werden. Diese Ansicht teilen 12 von 16 Landesregierungen jedoch nicht – ebenso wenig das Bundesjustizministerium und die Brandenburger Landesdatenschutzbeauftragte. Zumal vom Gesetzgeber ausdrücklich festgelegt wurde, wer die Daten zu welchen Zwecken einsetzen darf. Die Nutzung der Kontaktdaten zu Zwecken der Strafverfolgung ist dabei nicht vorgesehen – Brandenburg verstößt also gegen das Infektionsschutzgesetz.
In seiner einführenden Rede zur Debatte kritisierte der Vorsitzende der BVB / FREIE WÄHLER Fraktion Péter Vida die fehlende Transparenz im Hinblick auf die Datennutzung und warnte vor einem Vertrauensverlust: „Wir sind darauf angewiesen, dass der Bürger die notwendigen Maßnahmen mitträgt und sich in bestimmten Situationen, die einst Anonymität garantierten, auch offenbart. Das wird er nur tun, wenn er glaubt, dass der Staat verantwortungsvoll damit umgeht und eben nicht andere Zwecke im Schatten des Offensichtlichen verfolgt. Und selbst wenn der Gesetzgeber diese Nutzung erwägt, dann soll er dies klar sagen und in einem offenen und transparenten Verfahren den Bürger über die Nutzung in Kenntnis setzen. Sobald diese Nutzung en passant in den Ministerien hinter verschlossenen Türen ohne Öffentlichkeit beschlossen bzw. gebilligt wird, verlieren wir das Vertrauen vieler Bürger unwiederbringlich.“
Daher ist es zwingend erforderlich, Unklarheiten der Regelungen zu beseitigen und klare Verhältnisse zu schaffen. Vor allem aber sollten Unklarheiten nicht zulasten der Grundrechte der Bürger ausgelegt werden. „Bürgerrechte, Datenschutz, informationelle Selbstbestimmung müssen hier den ihnen gebührenden Stellenwert bekommen“, so Vida.
Er forderte die Landesregierung auf, sich im Rahmen einer Bundesratsinitiative dafür einzusetzen, das Infektionsschutzgesetz dahingehend zu ergänzen, dass eine Verwendung von Kontaktdaten aus der Luca-App, papiernen Eintragungen, der Corona-Warn-App und vergleichbaren technischen Mitteln für andere Zwecke als die Nachverfolgung von Infektionsketten ausgeschlossen wird. Zudem solle den Strafverfolgungsbehörden bis auf Weiteres die Nutzung der Kontaktdaten für andere Zwecke als die Infektionskettennachverfolgung untersagt werden.
Einführende Rede von Péter Vida
Die Koalition aus SPD, CDU und Grünen stimmte dem Antrag jedoch nicht zu. Die SPD spielte das Problem herunter und behauptete, man würde aus einer Mücke einen Elefanten machen. Sie betonte ebenso wie die CDU, dass es in Brandenburg bisher zu keinem derartigen Zugriff auf die Corona-Kontaktdaten gekommen sei. Dabei geht es nicht darum, ob es bisher derartige Fälle gegeben hat, sondern vielmehr darum, dass es eine Regelung geben muss, durch die eine Zweckentfremdung der Daten unterbunden wird. Die Grünen räumten zwar ein, dass es diesbezüglich Klarstellungsbedarf gäbe, verwiesen allerdings darauf, dass es Aufgabe der Bundespolitik sei, dieses Gesetz klarzustellen.
Bei der Linken fand unser Antrag Zustimmung. Sie wies darauf hin, dass das Ziel der allumfassenden Strafverfolgung nicht über allem steht – auch nicht über dem Grundrecht. Zudem stellte sie die Ehrlichkeit der Justizministerin in diesem Punkt infrage. Diese wies den Vorwurf zurück und relativierte ihre Äußerungen aus der Sitzung des Rechtsausschusses. Sie habe lediglich erläutert, dass die Rechtslage umstritten sei und dass es natürlich Verwendungsbeschränkungen gäbe, aber eine Nutzung der Daten bei schweren Straftaten nicht ausgeschlossen erschiene. Sie betonte ebenfalls, dass es bisher keinen Anwendungsfall gegeben habe. Außerdem sei zu beachten, dass der Vertrag mit der Luca-App gekündigt worden sei und eine Kontaktnachverfolgung in weiten Teilen entfalle. Dass der Vertrag für die Luca-App ausläuft, ändert jedoch nichts daran, dass es trotzdem um die abstrakte, generelle Möglichkeit auch technisch vergleichbarer Einrichtungen geht.
Bei der abschließenden Abstimmung über die jeweiligen Nummern des Antrags wurden beide mehrheitlich mit Enthaltungen abgelehnt, ebenso der Entschließungsantrag der Linken.
Abschließende Rede von Péter Vida
Presseecho:
Brandenburgs Justizministerin unter Druck – MAZ, 24.02.2022
Antrag zur begrenzten Verwendung von Kontaktdaten abgelehnt – dpa, 24.02.2022