Péter Vida zum Antrag von SPD, CDU, Grüne „Mobbing und Cybermobbing bekämpfen“ vom 29.04.21

29. Apr 2021

Redebeitrag von Péter Vida in Textform:

Herr Abg. Vida (BVB/FW):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Ich war eigentlich davon ausgegangen, dass wir nach einem Jahr der Debatte keine Begriffsdefinition vornehmen müssen, was Mobbing bedeutet. Für manche Redner müssen wir das offenbar schon. Also: Mobbing ist nicht die Beschreibung von Problemlagen in Gänze, sondern Mobbing ist eine aus der Gruppendynamik heraus entstehende, meist mit psychischer Gewalt erfolgende Ausgrenzung einzelner Personen. Über dagegen gerichtete Maßnahmen beraten wir hier und nicht über die gesamte Unbill und Ungerechtigkeit der Welt.

Meine Damen und Herren, wir haben schon vor gut einem Jahr hier deutlich gemacht, dass Mobbing an Schulen ein Thema ist, dem sich kein Schüler entziehen kann, und dennoch in vielen Bereichen immer wieder verharmlost wurde. Die systematische Problematik ist nicht zu leugnen. Die gravierenden Probleme sind allen bekannt. In Extremfällen führt Mobbing bis zu Suiziden, in häufigen Fällen zu Selbstzweifeln, Isolation, Depression. All das sind Probleme, die wir angehen müssen. Innerhalb dessen nimmt das Phänomen des Cybermobbings immer weiter zu.

Genau deswegen und weil diese Erkenntnisse bereits damals vorlagen, haben wir vor einem Jahr einen Antrag dazu gestellt. Er wurde damals mit der Erklärung abgetan, dies sei nicht erforderlich. Sie als Koalition haben diesem Problem, diesem Thema nicht einmal eine Ausschussüberweisung zugebilligt, und deswegen ist es etwas wohlfeil, hier so zu tun, als danke man uns, dass wir das Thema angesprochen hätten, und habe es jetzt erkannt.

Meine Damen und Herren, seitdem sind zwölf Monate vergangen, dabei zeigten schon damals Studien – wie auch heute -, dass Handeln notwendig ist. Schon im Jahr 2018 gaben 23 % der Schüler an, regelmäßig Opfer von Mobbing zu werden. Die Dunkelziffer war deutlich höher. Schon damals, im Mai 2020, gab es eine brandaktuelle Studie von JAMA Pediatrics, wonach gerade LGBTQ-Jugendliche einer erhöhten Suizidgefahr unterliegen. Es war daher unverantwortlich von der Koalition, trotz zweier Anträge, die es damals gab – ein Gesetzesantrag und ein Entschließungsantrag -, zunächst nichts zu unternehmen.

Es wurde damals auf den Rahmenlehrplan verwiesen. Es wurde tatsächlich sogar auf die Anti-Mobbing-Fibel verwiesen. Mein Vorredner Herr Hoffmann hat das etwas euphemistisch beschrieben, so nach dem Motto: Na ja, die hilft nicht ganz; sie ist nicht ganz aktuell. – Darin wird als Beispiel für moderne Kommunikationswege auf E-Mail verwiesen; so aktuell ist die Anti-MobbingFibel. Ich glaube nicht, dass das auch nur ansatzweise dem aktuellen Kommunikationsgebrauch entspricht. Darauf haben Sie damals verwiesen, obwohl Sie wussten, dass sie veraltet ist.

Trotz einmütiger Appelle im Fachgespräch haben Sie dann im November oder Dezember den Haushaltsantrag auf Mittelerhöhung im Bereich Mobbingbekämpfung abgelehnt. Und jetzt, ein weiteres halbes Jahr später, schreiben Sie das Thema auf Ihre Fahne und erklären: Wir haben erkannt!

In der Zwischenzeit, meine Damen und Herren, sind 12 Monate vergangen, und es lief und läuft eine Pandemie, die die beschriebenen Tendenzen verstärkt. Deswegen war es besonders unverantwortlich, hier nicht rechtzeitig zu reagieren. Sie verweisen in Ihrem Antrag selbst auf die „Cyberlife“-Studie, der zufolge sich nicht nur die prozentuale Verteilung der Mobbingarten verschiebt, sondern das Mobbing auch insgesamt mehr wird. Das wussten wir vor einem Jahr bereits – oder jedenfalls spätestens vor einem halben Jahr, im Dezember 2020, als die JIM-Studie des Medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest bestätigte, dass es insgesamt einen Anstieg und innerhalb der aufwachsenden Menge eine Verschiebung hin zu mehr Cybermobbing gibt. Außerdem haben alle Beratungsvereine bestätigt, dass gerade Corona diese Entwicklung verschärft hat, weil sich Kommunikationswege natürlich ins Internet, in die sozialen Medien verlagern. Daher war es unverantwortlich Ihrerseits, in einer laufenden Pandemie weder den Antrag zum Schulgesetz noch den Entschließungsantrag bezüglich der Beratungsangebote noch den Haushaltsantrag zur Mittelbereitstellung anzunehmen und nicht einmal einen davon an die Ausschüsse zu überweisen.

Doch nicht nur das, sehr geehrte Koalitionäre mit der großen Erkenntnis am heutigen Tag: Auch auf die klaren Inhalte des Fachgesprächs wurde nicht zeitnah reagiert. Außerdem unterbreiteten wir der Koalition im letzten Jahr drei – ich wiederhole: drei! – Gesprächsangebote, um gegebenenfalls etwas Gemeinsames zu erstellen. Es wurde nicht nur nichts Gemeinsames erstellt, auf die Gesprächsangebote wurde nicht einmal reagiert.

Meine Damen und Herren, so können Sie mit uns umgehen – es geht aber zulasten der betroffenen Schüler. Sie haben daher auch zu verantworten, dass entsprechende bildungspolitische Maßnahmen im Hinblick auf Mobbing erst mit gut einem Jahr Verzug ergriffen werden. Nun kann man sagen: Ein Jahr ist in der Politik nicht viel. – Aber mitten in einer Pandemie mit einer sich verschärfenden Lage gerade in diesem Problembereich ist das viel. Man könnte sagen: Wenn die Kommunalverfassung ein Jahr später kommt, kann man damit leben. – Das stimmt wohl. In diesem Bereich aber können zwar wir damit leben, die betroffenen Schüler jedoch leider nur sehr schlecht.

Sich dann hier hinzustellen und so zu tun, als habe die Koalition dies angeschoben, wie man dem Antrag entnehmen kann, ist schon ein starkes Stück. Deswegen braucht es in der Sache wirklich einen Weckruf. Es war und ist nötig, dass man solche Spielchen auch benennt, denn es wäre für niemanden ein Verlust an parteipolitischem Ansehen gewesen, dies rechtzeitig auf den Weg zu bringen.

Und bevor Sie erklären, dass Sie heute ja auch erkannt und gewürdigt haben, dass wir das Thema benannt haben: Es geht nicht darum, uns zu würdigen, sondern darum, dass man dieses Problem früher hätte angehen können und müssen. In Summe werden wir dem zustimmen, auch dem Änderungsantrag. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

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