Rede von Péter Vida in Textform:
Péter Vida:
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Es geht bei diesem Antrag um die Schaffung sozialen Friedens an Sandstraßen – an Anliegerstraßen – in Brandenburg.
(Beifall der fraktionslosen Abgeordneten Nicklisch, Stefke und Wernicke)
Meine Damen und Herren, Straßen waren, sind und bleiben Güter der Allgemeinheit, denn jedermann kann sie nutzen; nicht nur die Anlieger, sondern jeder fährt darüber, jeder benutzt sie. Deswegen ist es nicht lauter, nur einige wenige dafür zahlen zu lassen und ihnen ohne jeden Nachweis einen wirtschaftlichen Vorteil zu unterstellen.
(Beifall des fraktionslosen Abgeordneten Stefke sowie Zuruf: Richtig!)
Meine Damen und Herren, die Menschen, die an diesen Straßen wohnen, zahlen öffentliche Lasten: Sie zahlen Grundsteuer, sie zahlen Grunderwerbsteuer – die höchste in Deutschland -, sie zahlen für die Straßenreinigung und übernehmen die Laubentsorgung. Die Menschen beteiligen sich ja an den öffentlichen Lasten; sie wollen einfach nur nicht übervorteilt werden. Deswegen ist der Straßenbau, auch die Erschließung, ein klassischer Fall der Daseinsvorsorge.
(Beifall der fraktionslosen Abgeordneten Nicklisch, Stefke und Wernicke)
Und die Daseinsvorsorge muss nun einmal vom Staat, von der Kommune bereitgestellt werden.
Meine Damen und Herren, es mag jetzt für manche schockierend sein, zu hören, aber nicht jeder Eigentümer eines Hauses ist automatisch reich. Das habe ich immer wieder von der SPD gehört, wo es heißt, wir würden die Millionäre unterstützen. Das sagt viel über die Lebenswirklichkeit und die Wahrnehmung der Brandenburger Lebenswirklichkeit von einigen Abgeordneten aus.
(Beifall der fraktionslosen Abgeordneten Nicklisch und Wernicke)
Meine Damen und Herren, viele Häuser wurden aus DDR-Zeiten geerbt oder seit der Wende hart zusammengespart. Menschen zahlen über Jahrzehnte Kredite ab und müssen sich nicht anhören, dass sie sich auf Kosten anderer bereichern wollen.
(Beifall des fraktionslosen Abgeordneten Stefke)
Nein, meine Damen und Herren, wenn Menschen, die nach 40, 45 Jahren Lebensarbeitszeit sagen: „Wir haben unsere Steuern gezahlt, wir haben die öffentlichen Lasten gezahlt. Wir können diese zusätzliche Belastung von bis zu 90 % der Kosten für die Allgemeingüter einfach nicht tragen“, dann ist das eine Zustandsbeschreibung, die der Lebenswirklichkeit entspricht. Genau deswegen ist es auch eine Frage sozialer Gerechtigkeit.
(Beifall der fraktionslosen Abgeordneten Nicklisch, Stefke und Wernicke)
Wir erleben landauf, landab, welchen Widerspruch es in der Argumentation gibt. Beim Ob des Baus der Anliegerstraße heißt es: Ihr könnt leider nicht mitentscheiden, denn die Straße ist ja für jedermann da. Ihr könnt nicht darüber bestimmen, ob sie gebaut wird oder nicht; denn jeder kann sie nutzen. – Dann sagt der Anlieger: Na gut, das nehme ich zur Kenntnis. – Wenn es aber gilt, zu bezahlen, dann heißt es: Zahle bitte 90 %, denn sie ist ja vor allem für dich da; nur du hast einen wirtschaftlichen Vorteil davon. – Die Doppelzüngigkeit in der Argumentation – beim Ob des Baus wird mit dem Gemeinnutzen argumentiert, bei der Widerbezahlung mit dem vermeintlichen Individualnutzen -, diesen Widerspruch gilt es endlich aufzulösen, meine Damen und Herren.
(Beifall der fraktionslosen Abgeordneten Nicklisch, Stefke und Wernicke)
Es ist nicht verwunderlich, dass die Brandenburger untereinander solidarischer sind, als es ihnen manche Politiker einreden wollen. 75 % der Brandenburger sprechen sich laut Umfragen für die Abschaffung dieser Beiträge aus, obwohl nur 20 oder 25 % davon betroffen sind. Das heißt, die Brandenburger sind untereinander dreimal so solidarisch, wie manche Politiker es ihnen einreden wollen.
Deswegen, meine Damen und Herren, da wir nun vernommen haben, dass die Abschaffung der Beiträge in dieser Wahlperiode wohl noch nicht möglich ist, schlagen wir als Zwischenlösung vor, die Mitbestimmung vor Ort durchzusetzen. Wenn das Argument der Zahlpflicht für die Anlieger darin besteht, dass die Straße vor allem dem Anlieger nützt und ihm einen Vorteil bringt, soll auch der Anlieger entscheiden können, ob er diese aufgedrängte Bereicherung will oder nicht. Das ist nur fair.
(Beifall der fraktionslosen Abgeordneten Nicklisch, Stefke und Wernicke)
Deswegen schlagen wir die landesweite Einführung des Bernauer Modells vor. BVB / FREIE WÄHLER hat dies in Bernau bereits im Jahr 2013 im Wege eines Bürgerentscheids, dem seinerzeit 94,6 % der Abstimmenden zugestimmt haben – obwohl wir 55 % Mieter haben -, durchgesetzt. Wenn Anwohner von Anliegerstraßen mehrheitlich zu den Kosten herangezogen werden, bekommen sie ein verbindliches Mitbestimmungsrecht. Damit wird nicht nicht gebaut, wie manche Unkenrufe lauten, sondern damit wird gesteuert, in welcher Dimension der Ausbau erfolgt.
(Beifall des fraktionslosen Abgeordneten Stefke)
Damit wird Akzeptanz geschaffen, damit wird ortsbildwahrend gebaut, und niemand muss mehr Angst haben, gegen seinen Willen zu horrenden Kosten herangezogen zu werden.
(Beifall der fraktionslosen Abgeordneten Nicklisch, Stefke und Wernicke)
Diese neue Regelung, meine Damen und Herren, ist zeitgemäß, demokratisch und sozial gerecht. Ich werbe deswegen für die Zustimmung.
(Beifall der fraktionslosen Abgeordneten Nicklisch, Stefke und Wernicke – Stefke [fraktionslos]: Jawoll!)