Philip Zeschmann begründet den Antrag von BVB/FW „Fachkräftemangel in Engpassberufen“ – 21.09.2023

21. Sep 2023

Rede von Philip Zeschmann in Textform:

Dr. Philip Zeschmann (BVB/FW):

Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Brandenburgerinnen und Brandenburger! Alle reden vom Fachkräftemangel – schon ganz lange. Zuerst gab es ihn nur im Gesundheitswesen und in unseren Kitas, dann im Handwerk – inzwischen fast überall. Diese Entwicklung darf so nicht weitergehen,

(Beifall BVB/FW)

denn der Fachkräftemangel ist der berühmte Flaschenhals für unsere wirtschaftliche Entwicklung und damit für die Sicherung unseres Wohlstands.

Gefragt nach den größten Geschäftsrisiken für die kommenden zwölf Monate, antworten in Ostdeutschland 71 % auf die DIHK-Konjunkturumfrage des Frühsommers 2023, dass die Energiepreise das größte Problem seien. Der Fachkräftemangel steht mit 58 % dann schon an zweiter Stelle. Der Mangel an Arbeitskräften sei überall spürbar.

Solche Antworten geben unsere Unternehmen schon seit Jahren. Das ist nicht neu. Der Fachkräftemangel legt zunehmend aber auch Teile unserer Gesundheitsversorgung lahm – von zu schließenden Senioreneinrichtungen haben wir schon gehört -, unterläuft den Betreuungsanspruch unserer Kleinsten in den Kitas und verschlechtert durch immer weiter zunehmenden Lehrermangel den Bildungserfolg unserer Kinder an den Schulen.

Nun können wir uns bekanntlich weder Ärzte noch Gesundheitsfachkräfte, weder Lehrer noch Erzieherinnen backen. Alle zwei Jahre die Fach- und Arbeitskräftestrategie der Landesregierung weiterzuschreiben und zu überarbeiten, reicht angesichts dieser seit Jahren sich verschärfenden Situation aber bei Weitem nicht aus,

(Beifall BVB/FW)

denn damit kann offenkundig nicht gegengesteuert werden. Papier ist eben geduldig, sonst hätte es Veränderungen der Situation gegeben, und zwar zum Positiven, nicht zum Negativen, wie wir es in den letzten Jahren erleben müssen. Es sind also konkrete Ansätze überfällig, wie man zumindest in einigen Problembereichen wirksam gegensteuern kann.

Da sowohl der Ausbau der Ärzte- als auch der Ausbau der Lehrerausbildung von allen Landesregierungen der letzten Jahrzehnte – unter SPD-Führung – verschlafen wurde, lassen sich die gravierenden Defizite natürlich nicht von heute auf morgen und überall beheben. Anders sieht es jedoch bei bestimmten Ausbildungsberufen aus, die nach der Definition der Bundesagentur für Arbeit – werte Kollegen von der SPD in der hübschen Kaffeekranzrunde -,

(Zuruf der Abgeordneten Bessin [AfD])

den sogenannten Engpassberufen zugerechnet werden. Dazu gehören im Moment an erster Stelle: Altenpfleger, Gesundheits- und Krankenpfleger, Logopäden, Psychotherapeuten, Erzieherinnen und Erzieher, Sozialassistenten, medizinischtechnische Assistenten und pharmazeutisch-technische Assistenten.

Die Ausbildung von Fachkräften, die diesen Engpassberufen zugeordnet werden, erfolgt – weil es zum Teil gar keine anderen Ausbildungseinrichtungen gibt – häufig über einen für die Auszubildenden kostspieligen, weil kostenpflichtigen Besuch schulischer Einrichtungen. Dafür aufzubringende Schulgelder sind für Jugendliche mit diesem Ausbildungswunsch natürlich abschreckend, weil sie in der Regel ihrem ersten eigenen Einkommen entgegenstreben – dann aber nicht nur darauf verzichten, sondern zusätzlich auch noch Schulgeld zahlen müssen.

Darauf, dass weder viele Jugendliche noch ihre Angehörigen große finanzielle Möglichkeiten haben, sei hier hingewiesen, weil das sicher zum abschreckenden Effekt des Schulgelds bei der Wahl einer solchen Ausbildung beiträgt.

Wollen wir also mehr Menschen motivieren – und darum geht es in unserem Antrag -, eine Ausbildung in diesen extrem wichtigen, besonders unter dem Fachkräftemangel leidenden Engpassberufen aufzunehmen, müssen wir diese so attraktiv wie möglich und gleichsam konkurrenzfähig zu anderen Ausbildungen machen,

(Beifall BVB/FW)

für die kein Schulgeld zu zahlen ist und für die Ausbildungsvergütungen gezahlt werden.

In Berlin zum Beispiel ist das Schulgeld bereits zum Anfang des letzten Jahres abgeschafft worden, wie sich der Zeitung – in diesem Fall der „Morgenpost“ vom 27. Januar – entnehmen lässt. Da heißt es: „Kein Schulgeld für alle Auszubildenden der Gesundheitsberufe“.

Gerade bei Berufen im Gesundheitswesen und bei Kitaerzieherinnen liegt das offenkundig im öffentlichen Interesse, denn hier droht der sich aufgrund der demografischen Entwicklung noch verschärfende Fachkräftemangel wichtige Bereiche unserer Gesellschaft lahmzulegen. Es geht nicht um die Gewinne von irgendwelchen Unternehmen, sondern um ganz wichtige gesellschaftliche Bereiche: Ich brauche wohl nicht auszuführen, was passiert, wenn immer mehr Menschen, die gesundheitliche Probleme haben, keinen Arzt mehr finden, der ihnen hilft, oder keine Einrichtung, die eine Heilbehandlung umsetzt.

Deshalb hatte ich die Vorstellung des „ESF Plus“-Programms im Dezember und Januar zum Anlass genommen, tiefer in dieses Thema und mögliche Lösungen einzusteigen. Mit den Antworten auf meine Kleine Anfrage „Wege zur Bekämpfung des Fachkräftemangels in Brandenburg“, Drucksache 7/7034, wurde klar: Es gibt Wege, aber es ist kompliziert.

Auf Basis meiner Kleinen Anfrage und der erfolgten Antworten – sowie nach vielen intensiven Recherchen – liegt ihnen heute der Antrag vor, der skizziert, wie wir Schuldgeldzahlungen in Engpassberufen abschaffen und darüber hinaus möglichst auch Ausbildungsvergütungen – oder vergleichbare Zahlungen – für diese wichtigen Ausbildungsgänge ermöglichen können, damit niemand mehr, der hier eine Ausbildung beginnen möchte, durch deren Nachteile – wie die finanziellen Belastungen gegenüber anderen Ausbildungsberufen – abgeschreckt wird.

(Beifall BVB/FW)

Denn so etwas können wir uns angesichts der dramatischen Situation im Gesundheitswesen und in unseren Kitas schlicht nicht mehr leisten.

(Beifall BVB/FW)

Hinzu kommt, dass es nach Aussagen der Landesregierung in den Fachausschüssen und in der Antwort auf meine obengenannte Kleine Anfrage möglich wäre – oder möglich ist -, diese Dinge aus dem neuen „ESF Plus“-Programm der EU zu fördern bzw. zu finanzieren, sodass unser Landeshaushalt zumindest vorerst nicht belastet würde. Wir müssten nicht einmal auf den neuen Haushalt des Jahres 2025 warten. Es könnte sofort umgesetzt werden.

Also lassen Sie uns gemeinsam einen ganz wichtigen Schritt zur Bekämpfung des Fachkräftemangels in diesen Engpassberufen, in diesen für unsere Gesellschaft besonders wichtigen Bereichen wie Gesundheit, Kinderbetreuung und Kindererziehung gehen – und stimmen Sie diesem Antrag zu.

(Beifall BVB/FW)

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