Rede von Matthias Stefke in Textform:
Matthias Stefke (BVB/FW):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer an den Bildschirmen und auf der Tribüne! Auf Antrag der AfD-Fraktion findet diese Debatte statt,
(Hohloch [AfD]: Richtig!)
in der sie auch wieder die große Trommel schlägt. Um wirksame Lösungen dürfte es Ihnen eher nicht gehen, stattdessen wohl eher um die Befriedigung der eigenen Mitglieder und den Kampf um Wählerstimmen im Hinblick auf die Kommunal- und Landtagswahlen im kommenden Jahr.
(Dr. Berndt [AfD]: Stimmt nicht!)
Dafür wollen Sie das Narrativ fortschreiben: Wir sind die einzigen, die sich um eure Sorgen und, ja, auch Ängste kümmern,
(Dr. Berndt [AfD]: Stimmt!)
Klammer auf: die wir natürlich selbst in den letzten Wochen und Monaten massiv geschürt haben – Klammer zu.
(Dr. Berndt [AfD]: Stimmt nicht! – Zurufe von der AfD: Oh!)
Wir wollen und dürfen Ihnen aber Folgendes nicht durchgehen lassen, und das ist Ihre unverkennbare Doppelmoral,
(Zuruf von der AfD: Ah!)
die sich gerade in diesen Tagen offenbart,
(Dr. Berndt [AfD]: Oh ja!)
denn es passt nicht zusammen, einerseits für heute diesen Tagesordnungspunkt anzumelden und in der Debatte lauthals darüber zu klagen, wie viele Flüchtlinge wir bereits aufgenommen haben und vermutlich auch in diesem Jahr noch aufnehmen werden,
(Zuruf: Was hat das eigentlich mit der Sonderkonferenz zu tun?)
wenn andererseits Tino Chrupalla, einer Ihrer beiden Bundessprecher, in der russischen Botschaft Unter den Linden mit dem Botschafter Sergei Jurjewitsch Netschajew Champagner schlürft und ihm obendrein noch ein Gastgeschenk überreicht.
(Beifall BVB/FW und der Abgeordneten Kniestedt [B90/GRÜNE] – Dr. Berndt [AfD]: Zur Sache!)
Das ist ausgerechnet der Botschafter des Landes, welches den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine angezettelt hat, der Ursache für Flucht und Vertreibung ist und auch dafür, dass Deutschland eine Million Ukrainerinnen und Ukrainer aufgenommen hat,
(Beifall BVB/FW, SPD, CDU, B90/GRÜNE und DIE LINKE
) die Ihnen nun Anlass sind, das für einen politischen Generalangriff zu nutzen. Ich sage Innen, als was ich das empfinde – als nichts anderes als politisch schäbig, als unanständig!
(Anhaltender Beifall BVB/FW, SPD, CDU, B90/GRÜNE und DIE LINKE)
Fragen eines anderen Abgeordneten (Frage und Name darf aus protokollarischen Gründen nicht hier erscheinen.)
Stefke (BVB/FW): Nur deshalb, weil sie meine Redezeit verlängert. Bitte schön.
(Lachen bei der AfD)
Fragen eines anderen Abgeordneten (Frage und Name darf aus protokollarischen Gründen nicht hier erscheinen.)
Stefke (BVB/FW):
Das ist mir als Mitglied des Innenausschusses bewusst. Ich kann aber Ihre Frage zum aktuellen Tagesordnungspunkt nicht einordnen.
(Beifall BVB/FW und SPD – Lachen bei der AfD
Zwischenruf eines anderen Abgeordneten (Frage und Name darf aus protokollarischen Gründen nicht hier erscheinen.)
Stefke (BVB/FW):
Kommen wir zu den Ergebnissen des gestrigen Gipfeltreffens beim Bundeskanzler: Bereits im Vorfeld zeichnete sich ein Streit ums Geld ab. Nun wurde eine exorbitante Summe verkündet: 1 Milliarde Euro steht im Raum. – Es bleibt abzuwarten, ob es schlussendlich 1 Milliarde Euro sein wird und was davon bei denen, die die Hauptlast zu tragen haben, nämlich den Städten und Gemeinden, letztlich ankommt. Denn das Geld bekommen zunächst die Länder, die es an die Kommunen weiterreichen sollen. Unsere Fraktion fordert die Landesregierung bereits heute auf, den Brandenburg zustehenden Anteil der Gelder aus der gestrigen Verabredung zum überwiegenden Teil an die Kommunen weiterzureichen und sich nicht mit irgendwelchen Taschenspielertricks selbst das größte Stück vom Kuchen abzuschneiden.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich will bei dieser Gelegenheit auch vor einem Irrglauben warnen, denn: Viel Geld hilft nicht automatisch viel. Gemäß der schriftlichen Beantwortung meiner gestrigen mündlichen Anfrage bezüglich eines Konzepts zur finanziellen Entlastung und organisatorischen Unterstützung der Kommunen teilte das Ministerium für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz mit, dass den Landkreisen und kreisfreien Städten insgesamt 102,5 Millionen Euro aus der Bundesbeteiligung an den Mehraufwendungen für die Geflüchteten und die Geflüchteten aus der Ukraine für die Jahre 2022 und 2023 zugewiesen wurden. Und: Aus dem Brandenburg-Paket des Landes werden im Jahr 2023 zusätzliche Hilfe in Höhe von bis zu 57,4 Millionen Euro zur Unterstützung bei der Unterbringung und der 1zur Verfügung gestellt. Weitere 56,5 Millionen Euro sind für das Jahr 2024 geplant. – Das ist ja kein Kleks. Nein, das ist richtig viel Geld. Trotzdem hören wir aus der kommunalen Familie: Wir fühlen uns mit der Unterbringung und Integration von Geflüchteten überfordert und auch alleingelassen. – Warum? Weil auch noch so viel Geld nicht bedeutet, dass es schnelle Lösungen bringt.
(Beifall BVB/FW)
Damit können die Kommunen auch nicht kurzfristig Wohnunterkünfte errichten – Containerdörfer vielleicht, aber das können ja nur Übergangslösungen sein. Sie können mit dem Geld kurzfristig auch keine Kitaplätze schaffen – Stichwort: Dauer von Planungs- und Baugenehmigungsverfahren, übrigens auch für Containerlösungen -, von den fehlenden Erzieherinnen und Erziehern einmal ganz abgesehen; Gleiches gilt für fehlende Schulplätze sowie Lehrerinnen und Lehrer.
(Beifall BVB/FW)
Geld – wie viel auch immer zur Verfügung gestellt wird – hilft nur in begrenztem Umfang. Deshalb muss man sich im Zusammenhang mit dem Thema auch mit Problemstellungen beschäftigen, die ebenfalls einer Lösung bedürfen, aber eher auf der Bundes- bzw. der europäischen Ebene herbeizuführen sind. Dazu gehören eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge unter den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die illegale Zuwanderung und die Rückführung derjenigen, die ausreisepflichtig sind.
(Beifall BVB/FW)
Wir sehen in der Begrenzung – eine vollständige Unterbindung illegaler Zuwanderung wird es angesichts der Länge unserer Grenzen nie geben – kein Allheilmittel, aber durchaus ein legitimes Mittel, die mehr als angespannte Lage zu entschärfen.
(Beifall BVB/FW)
Dabei sehen wir die Einführung von Kontrollen der Grenze zwischen Polen und Brandenburg kritisch. Sie passt auch nicht zu einem Europa ohne Grenzen – zumindest Binnengrenzen. Wir haben erst vor wenigen Tagen den Europatag gefeiert – da wirkt ein solcher Vorschlag anachronistisch.
(Beifall BVB/FW)
Erinnern wir uns an die Zeiten in der Coronakrise und daran, wie belastend sie für den Güterverkehr war – beispielsweise die kilometerlangen Schlangen der Lkws: Im März 2020 waren es auf der Bundesautobahn 12 von Frankfurt (Oder) bis Storkow 60 km. Stattdessen ist unserer Auffassung nach eine europäische Lösung anzustreben. Das Schengenabkommen ist noch in Kraft und muss demzufolge durchgesetzt werden.
(Beifall BVB/FW)
Das wiederum bedeutet: Die Kontrolle hat an den EU-Außengrenzen zu erfolgen. – Bei der Rückführung ausreisepflichtiger Asylbewerberinnen und Asylbewerber sind uns als Land Brandenburg die Hände gebunden, zumindest dann, wenn sie über keine Pass- und Ausweisdokumente verfügen und ihre Herkunftsländer sich weigern, ihnen Ersatzdokumente auszustellen bzw. ihre Rücknahme grundsätzlich verweigern. Hier muss die Bundesregierung mit Nachdruck auf die entsprechenden Länder einwirken, um diese Rückführungen zu beschleunigen.
(Beifall BVB/FW)
Mein Fazit zu der gestrigen Veranstaltung im Kanzleramt: Nach dem gestrigen Gipfel ist noch nicht klar, ob Bund und Länder die Hilferufe aus der kommunalen Familie verstanden haben. Wenn der veröffentlichten Meinung zufolge der Bundeskanzler gestern als Sieger vom Platz gegangenen ist, kommen einem daran erhebliche Zweifel.
Ich will noch einen Satz zum Thema Spurwechsel, das Herr Ministerpräsident und auch Frau Ministerin Nonnemacher gestern im Zusammenhang mit dem Antrag zum Landesaufnahmegesetz angesprochen haben, verlieren; ich will inhaltlich gar nicht darauf eingehen, wie sinnvoll und zielführend ein Spurwechsel sein kann. Eins aber ist klar: Egal auf welchem Weg bzw. aus welchem Grund Menschen zu uns kommen bzw. hierbleiben werden – die Probleme bei Wohnungen, Kitas, Schulen und Ähnlichem bleiben dieselben. Insofern muss sich die Landesregierung darüber Gedanken machen, wie wir mit dem Bevölkerungs-, dem Einwohnerzuwachs – egal ob aus der Flüchtlings- oder der Einwanderungsschiene – umgehen. Da muss die Landesregierung wirklich heftig nacharbeiten und sich schnell auf ein Konzept verständigen, wie man auch durch Beschleunigung von Genehmigungsverfahren für Wohnungs-, Kita- oder Schulbau hier entsprechend reagieren kann. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall BVB/FW)