Rede von Philip Zeschmann in Textform:
Dr. Philip Zeschmann (BVB/FW):
Sehr geehrter Herr Vizepräsident! (Mehrere Abgeordnete verlassen den Plenarsaal.) – Ich würde mich natürlich freuen, wenn Sie jetzt nicht alle fluchtartig den Saal verließen; schließlich ist ja noch ein Tagesordnungspunkt offen. 59 Millionen Euro Steuergeld ausgeben oder nicht? – Das ist hier die Frage. Wie Sie vielleicht wissen, stand schon im Fachbeitrag Verkehr des B-Plans Nr. 13 „Freienbrink-Nord“ der Gemeinde Grünheide – also im verkehrswissenschaftlichen Gutachten der LEG, das die Landesregierung am Ende bezahlt hat -, dass eine Prüfung in Auftrag gegeben werden sollte, um herauszufinden, wie ein möglichst großer Anteil des SPNV und ÖPNV zum Werk von Tesla geführt werden soll. Unter anderem sollte geprüft werden, inwieweit eine Werksbahn zu einem Werksbahnhof direkt auf dem Werksgelände oder südlich angrenzend sinnvoll und nützlich wäre.
Leider ist das nach meiner Kenntnis zumindest von den öffentlichen Stellen, auch vom Ministerium, nicht weiterverfolgt worden. Dann hieß es nämlich plötzlich: Wir brauchen einen neuen Bahnhof Fangschleuse, 1,5 km weiter im Westen. Sie kennen vielleicht diese schöne Karte – ich halte sie gern einmal hoch; auf ihr kann man das gut erkennen.
Dieser Bahnhof soll eine 26 m breite Unterführung bekommen, obwohl da im Moment noch Wald ist und keine Straße hinführt. Die Grünheider sagen schon seit Jahren: Wir wollen eigentlich nicht, dass der Bahnhof noch weiter von unseren Siedlungszentren entfernt hinkommt, sondern wir wollen ihn da haben, wo er jetzt ist, wo er noch halbwegs sinnvoll erreichbar ist, damit auch der Schulcampus Löcknitz gut erreichbar ist und bleibt.
Von meiner Seite gab es mehrfach die Nachfrage: Gab es denn einmal eine konkrete Bedarfsanalyse bezüglich dieses neuen Bahnhofs Fangschleuse, also eine Untersuchung, die zeigt: „Wir brauchen diesen neuen Bahnhof zwingend, weil diese und jene Gründe vorliegen.“? – Das habe ich unter anderem in der Kleinen Anfrage auf Drucksache 7/7182 gefragt. Antwort: keine. Von wem wurde das entschieden? Keine konkrete Antwort. Dann kam von Tesla die Info, dass das Unternehmen ein Werksshuttle plant – und zwar auf der Schiene, von Erkner bis zum TeslaWerksgelände und zum jetzigen Werk im südlichen Bereich des Werksgeländes, das man auf dieser schönen Karte
(Der Abgeordnete hält die Karte erneut hoch.)
als roten Zipfel da unten gut erkennen kann; leider kann ich das hier nicht einblenden.
Zwischenzeitlich ist der Werksbahnhof von Tesla, der sogenannte Bahnhof Tesla Süd, so gut wie fertig – die Überdachung fehlt noch -; die eisenbahnrechtliche Genehmigung kam am 09.02. dieses Jahres, also erst vor einigen Tagen. Aus den Unterlagen des Landesamtes für Bauen und Verkehr, in die wir Einsicht genommen haben, geht hervor, dass der Fahrplan – zumindest nach der Verdichtung – 45 Fahrten pro Tag – hin und her – direkt zwischen Erkner und dem südlichen Zugang zum jetzigen Tesla-Werk vorsieht und die Fahrzeuge, die hierfür eingesetzt werden sollen, bis zu 315 Personen transportieren können.
Das stand übrigens auch im Fachbeitrag Verkehr der Gemeinde Grünheide. Darin stand: Wir erwarten, dass pro Tag 21 000 Personenfahrten mit dem ÖPNV und SPNV stattfinden sollen – und das MIL hat ja zuletzt immer gesagt: Die Fachplaner hatten mit all ihren Prognosen recht; das ist alles eingetreten. – Also rechnen wir einmal gegen: 45 Fahrten mal 315 Personen ergibt 14 175 Personenfahrten. Ich rechne mal grob: Also, 21 000 Personenfahrten sollte es laut Verkehrsgutachten geben, davon 14 000 – es sind eigentlich ein paar mehr – abgezogen; dann bleiben weniger als 7 000 Personenfahrten, also weniger als ein Drittel, übrig, die noch über den Bahnhof Fangschleuse abzuwickeln sind, wenn der Shuttleverkehr in den nächsten Wochen seinen Betrieb aufnimmt.
Da fragt man sich: Ist es dann noch sinnvoll, erforderlich und angemessen, dafür einen extrem großen, überdimensionierten Bahnhof – und zwar allein auf Steuerzahlerkosten – zu bauen?
(Beifall BVB/FW)
Offenkundig ist das nicht der Fall!
Dann gibt es noch das Problem – das muss hier mit behandelt werden -, dass bereits zum Fahrplanwechsel am 10. Dezember letzten Jahres die Bahnsteigverlängerungen an allen Haltepunkten entlang der Linie RE 1 hätten umgesetzt sein müssen. Das war bei Fangschleuse nicht der Fall, weil man mit den Planungen für diese Dinge wahrscheinlich frühzeitig angefangen hatte, noch bevor Tesla da hinkam. Auf Frage 4 aus der eben genannten Kleinen Anfrage, die lautete:
„Auf welcher dokumentierten Grundlage, nach welchen konkreten Kriterien und wann wurde von wem genau […] über die Verlegung der Bahnstation Fangschleuse entschieden?“,
,wurde wie folgt geantwortet:
„Mit dem Einsatz von achtteiligen Zügen im Zusammenhang mit der Vergabe des SPNV-Netzes Elbe-Spree 2018 ergab sich an Bahnhöfen und Verkehrsstationen des RE 1 ein Verlängerungsbedarf der Bahnsteige auf 220 m.“
Darum geht es hier jetzt.
„Die Umsetzung dieses Modernisierungsbedarfes ist auf Grund der Lage des Bahnhofes Fangschleuse am gegenwärtigen Standort nur unter sehr großem technischen und finanziellen Aufwand umsetzbar.“
Das vermittelt den Eindruck, dass man sich allein deshalb dafür entschieden hat, einen neuen Bahnhof Fangschleuse – auf Steuerzahlerkosten – für 59 Millionen Euro zu bauen – der jetzt gar nicht mehr notwendig ist, weil nur noch 7 000 von den 21 000 prognostizierten Fahrgästen dort hinfahren und umsteigen müssen -, weil man denkt, man könne die Bahnsteigverlängerung, die erforderlich gewesen ist, nicht umsetzen.
Genau das ist der große Denkfehler! Schon im Fachbeitrag des B-Plans, den ich bereits mehrfach erwähnt habe, wurde klar gesagt – und das wird ja jetzt auch baulich in der Planung umgesetzt, darüber wurde in der letzten Ausschusssitzung gesprochen -, dass der jetzige Bahnübergang, der neben dem Bahnhof Fangschleuse liegt, in allernächster Zukunft verschwindet. Etwas weiter östlich wird für die L 23 eine Brücke über die Gleise gebaut, und dafür brauche ich eine Auffahrt- und eine Abfahrtrampe. Damit gewinne ich erheblich Raum und kann die Bahnsteigverlängerung nach Osten problemlos realisieren; nach Westen ginge das nicht. Diese Sachen, die im Verkehrsbeitrag – also sozusagen in der fachlichen Skizze für die Umsetzung der infrastrukturellen verkehrlichen Organisation um Tesla herum – aufgeführt sind, hat man aber leider ignoriert. Das finden wir sehr bedauerlich, denn damit ist alles möglich.
Wir können also nur sagen: Wir können guten Gewissens auf die 59 Millionen Euro an Steuergeldausgaben für den nicht mehr erforderlichen Prestigeneubau des Bahnhofs Tesla verzichten.
(Beifall BVB/FW)
Dieses Geld können wir für andere, wichtige verkehrliche infrastrukturelle Maßnahmen einsetzen – Herr Minister, suchen Sie sich aus, ob es die Bahnverlängerung der S 2 nach Rangsdorf,
(Stefke [BVB/FW]: Hurra!)
eine Brückeninstandsetzung oder was auch immer sein soll!
(Frau Wernicke [BVB/FW]: Die RB-63-Verlängerung!)
Wir können das gut verwenden. – Danke schön.
(Beifall BVB/FW)