SPD, CDU und Grüne wollen Landleben nicht vor Gerichtsprozessen schützen

23. Feb. 2023

BVB / FREIE WÄHLER Fraktion will Gerichtsprozesse gegen das alltägliche Landleben verhindern, doch SPD, CDU und Grüne blockieren im Landtag

Das Immissionsschutzgesetz soll eigentlich vor Immissionen durch Industrie- und Verkehrsanlagen schützen. Doch in den vergangenen Jahren wurde das Gesetz mehr und mehr von zumeist neu hinzugezogenen angewendet, um in Brandenburg das Landleben wegzuklagen. Ob krähender Hahn, blökendes Schaf oder Komposthaufen – vieles, was auf dem Land Alltag ist, landet vor Gerichten. Die Rechtschutzversicherung macht es möglich und billig. Die BVB / FREIE WÄHLER Fraktion hatte daher bereits Mitte 2022 beantragt, das Landleben zum kulturellen Sinneserbe zu erklären. Dies würde Klagen gegen den Alltag auf dem Land erschweren. Im September 2022 überweise der Landtag den Antrag dann in den Ausschuss.

Der neueste Fall

Wer noch Zweifel an der Notwendigkeit dieser Regelung hatte, der bekam den Irrsinn wenige Monate später präsentiert. Am Heiligabend – dem Beginn des Festes der Nächstenliebe – konnte man in MOZ lesen, dass nicht nur erneut eine Kläger gegen einen krähenden Hahn gewonnen hatte. Nein, das Gericht ordnete auch die Verbringung des Hahns in einen schalldichten Stall an. Und weil die Bürgermeisterin das nicht sofort vollstreckte, verklagten die neu Hinzugezogenen auch sie auf Körperverletzung. Der Rechtsanwalt der Klägerin spekulierte daraufhin über weitergehende Maßnahmen wie Einsatz der Polizei auf dem Privatgrundstück und Beschlagnahme des Hahns, da eine „gesteigerte Gefahr“ durch das Tier ausgehe. Wir reden wohlgemerkt nicht über Räuber, Vergewaltiger oder Mörder, sondern über einen Hahn in einem eingezäunten Privatgelände.

Wenn Menschen von außerhalb Deutschlands diesen Text lesen, glauben diese sicherlich, das könne nicht real sein. Es müsse sich um eine Satire über die vorschriftenwütigen Deutschen handeln. Doch das ist keine Satire. Höchstens Realsatire überzogener deutscher Regelungswut. Und so haben wir die sich damit beschäftigen muss, krähende Hähne wegen angeblich „gesteigerter Gefahr“ zu verurteilen. Eine Verwaltung, die Unterbringung von Hähnen in schallisolierten Ställen sicherzustellen hat. Und wenn die nicht sofort handelt, wird gegen die Verwaltung noch eine Klage wegen angeblicher Körperverletzung nachgeschoben.

Falls Sie ängstlich an ihre lautstark herumtollenden Kinder oder Enkel denken: Kinderlärm unterliegt nicht dem Immissionsschutzgesetz. Vermutlich würde die zwangsweise Unterbringung von Kindern in schallisolierten Zimmern auch gegen weltweit geltende Menschenrechte verstoßen. Wir wollten mit diesem Antrag dafür sorgen, dass diese Duldungspflicht nicht nur für spielende Kinder, sondern auch für die ortsüblichen Geräuschen und Gerüche des Landlebens gilt. Zum einen zur Entlastung von Justiz, Polizei und Behörden. Zum anderen aber, um das Landleben zu bewahren, welches sonst auf lange Sicht weggeklagt wird.

Regierungskoalition lehnt Lösung ab, AfD und Linke enthalten sich

Nach anfänglich ausgedrückter Sympathie für das Vorhaben – der Landtag überwies den Antrag in den Ausschuss – haben SPD, CDU und Grüne nun mit ihrer Mehrheit das Vorhaben blockiert. Irgendwie solle man  die Klagen durch „nachbarschaftliche Toleranz“ vermeiden – so der Abgeordnete Philip der SPD. Für die AfD meinte der Abgeordnete Hünich, man solle das irgendwie „außergerichtlich klären“. Dass solche Apelle nichts nutzen, dürfte klar sein – sie funktionieren seit 30 Jahren nicht. Für die CDU meinte der Abgeordnete Senftleben, dass andere Maßnahmen auf Landesebene nötig wären. Beantragt hat die CDU solche aber nicht.

Für die Linke meinte die Abgeordnete Schwarzenberg, dass das Anliegen lobenswert wäre. Doch sie zweifelte an, dass das Immissionsschutzgesetz der Auslöser sei. Obwohl sich die Klagen genau auf dieses stützen. So will sich die Linke enthalten. Für die Grünen meldete die Abgeordnete Hiekel Bedenken an, das ganze über eine Bundesratsinitiative zu lösen. Besonders absurd war die Argumentation für die Verweigerung der Unterstützung der von Bayern eingebrachten Initiative im Bundesrat. Dass sich Brandenburg nicht anschließen sollte begründete sie damit, dass diese Initiative bisher nicht genug Unterstützung hat. Frei nach dem widersinnigen Motto: „Das Anliegen ist gut, aber wir sollten keine Unterstützer werden, weil es noch nicht genug Unterstützer gibt.“

Minister Vogel erklärt: Alles bestens!

Besonders peinlich war die Rede von Minister Vogel (Grüne). Trotz des von Péter Vida vorgetragenen absurden Falls meinte er, dass die bestehenden Gesetze ausreichen. Also alles bestens! Mehr noch: Der Minister behauptete wahrheitswidrig, dass eine Regelung, die die dorftypischen Geräusche und Gerüche schützt, eine Aufweichung für die Industrie wäre. Dass es eine solche Regelung bereits für Kinderlärm gibt und diese nichts an den Regelungen für die Industrie aufweicht, ignorierte er. Ebenso wie den Fakt, dass ein solches Gesetz dorftypische Immissionen festlegen würde und auch dort natürlich keine industriellen Immissionen aufgeführt würden.

Wir bleiben aber weiter dran – damit Brandenburgs ländlicher Raum seinen dörflichen Charakter nicht verliert! Und unsere Gerichte und Verwaltungen sich nicht länger mit überflüssigen Gerichtsprozessen gegen Hähne, Schafe und Ziegen beschäftigen müssen.

Zum Antrag „Kulturgut Sinneserbe schützen – Ortsübliche Gerüche und Geräusche des Landlebens bewahren “ im Parlamentarischen Dokumentationssystem

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