Rede von Philip Zeschmann in Textform:
Dr. Philip Zeschmann (BVB/FW):
Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Wehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Brandenburgerinnen und Brandenburger!
(Anhaltende Unruhe)
– Vielleicht kann man hier ein bisschen Ruhe halten? Sie können den Kaffeeklatsch auch draußen machen, aber bitte nicht hier.
Vor vielen Jahren wurde eine neue Art von Elektrogeräten eingeführt. Sie waren einfach zu handhaben, und so stieg ihre Beliebtheit in der Bevölkerung stetig. Doch es gab Gesetze, die die Verbreitung jahrelang behinderten. Jedes einzelne Gerät musste erst einmal umständlich angemeldet werden, und das bei jedem Umzug von Neuem. Raten Sie einmal, wovon ich rede! Von Mikrowellen, richtig gehört. Denn das sind Hochfrequenzgeräte, und diese können theoretisch den Funkverkehr stören – natürlich nur theoretisch. Eine bessere Abschirmung hat es bereits in den 70er-Jahren gegeben und dieses Problem gelöst, weshalb diese Geräte in den USA und in Japan schon in den 70er-Jahren eine Standardausstattung in den Küchen waren. Doch die deutsche Bürokratie hatte sich längst verselbstständigt. Noch bis Ende der 80er-Jahre musste in der Bundesrepublik jede Mikrowelle beantragt, registriert und genehmigt werden.
Heute haben wir wieder eine neue Technologie, nämlich die Steckersolargeräte, die sogenannten Balkonkraftwerke. Sie produzieren dezentral Solarstrom, und das auch für Mieter einer Wohnung, die kein eigenes Haus haben. Die Investition beschränkt sich, wie Sie auch aktuellen Anzeigen und der Werbung entnehmen können, auf wenige Hundert Euro. Sie werden mit normalen Steckern über Steckdosen an das Stromnetz angeschlossen, brauchen keine neue Stromleitung und kaum Platz und stehen nicht in Konkurrenz mit Natur und landwirtschaftlichen Flächen wie Freiflächen-Photovoltaikanlagen. Hätte jeder dritte Haushalt eine Anlage mit 400 Watt – das sind kleine Anlagen mit, glaube ich, zwei Solarzellen -, ergäbe das deutschlandweit eine Nennleistung von 5 000 Megawatt. Eine Freiflächen-PV-Anlage dieser Größe würde 5 000 Hektar Ackerland bedecken.
In Zeiten von Energiemangel und extrem steigenden Energiepreisen sowie Kreditaufnahmen in Milliardenhöhe zur Bereitstellung von Hilfen – was wir hier ja auch machen, bzw. das Land hat ein Paket aufgenommen, aber nicht gesagt, wo es die Hilfen gibt – sollte man die Nutzung dieser faktisch konfliktfreien Technologie eigentlich genauso schnell und erleichtert fördern, wie der Ausbau der Windkraftanlagen von Ihnen gefördert wird.
(Beifall BVB/FW sowie des Abgeordneten Keller [SPD])
Auf EU-Ebene wurde schon vor Jahren festgestellt, dass Einspeiseanlagen von bis zu 800 Watt – diese Anlagen fallen darunter – keinen nennenswerten Einfluss auf die Stabilität von Stromnetzen hätten. Überall in der EU wurden daraufhin die Vorschriften gelockert. Meist bleibt es bei einer einfachen Meldung zur statistischen Erfassung. In einigen Ländern wurde unterhalb von Bagatellgrenzen sogar die Meldepflicht abgeschafft, etwa in Luxemburg, das die Meldepflicht für alle Geräte bis 800 Watt abschaffte, und das bereits im Jahr 2018.
In den letzten fünf Jahren ist EU-weit bewiesen worden, dass man Steckersolaranlagen rechtlich wie einen Kühlschrank oder einen Elektrogrill behandeln kann, ohne es bereuen zu müssen. Es kann so einfach sein – nur leider nicht in Deutschland und auch nicht in Brandenburg, trotz des Werbeslogans.
(Beifall BVB/FW)
Hier in Deutschland bleibt der legale Betrieb von Steckersolaranlagen ein bürokratischer Hindernislauf. Gefordert wird nicht nur eine eigentlich unnötige Anmeldung im Marktstammdatenregister. Nein, auch beim Netzbetreiber müssen sich die Bürger anmelden, wobei das de facto eine Genehmigung ist. Denn der Netzbetreiber stellt Bedingungen. Sämtliche völlig überzogenen deutschen Spielregeln sind einzuhalten, bis hin zum Einbau einer speziellen Einspeisesteckdose, nachzuweisen durch einen registrierten Fachbetrieb, der den Einbau durchzuführen hat. Wer das nicht nachweisen kann, dem wird der Anschluss verweigert. Kein Scherz! Das passiert auch hier in Potsdam; sogar die Presse berichtete darüber.
Rund 90 % der Nutzer ignorieren inzwischen die Gesetze und stellen die Anlagen auf, ohne sie anzumelden. Inzwischen wird die Anzahl entsprechender Anlagen deutschlandweit auf über eine Million Stück geschätzt. Sie sind aktuell sehr beliebt und werden viel verkauft.
Selbst der Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik, VdE, hat inzwischen eingesehen, dass die Regeln, die er selbst als Lobby der Elektriker einmal aufgestellt hat, überzogen sind, allerdings einen Tag nach Einreichung unseres Antrags.
(Lachen der Abgeordneten Wernicke [BVB/FW])
In einem Positionspapier, das einen Tag nach der Einreichung veröffentlicht wurde, forderte er die Abschaffung einiger Schikanen, die er selbst in den letzten Jahren aufgestellt hat.
Doch ein paar punktuelle Lockerungen der Vorschriften reichen nicht aus. Der verpflichtende Anmeldeprozess beim Markstammdatenregister, in das große Photovoltaikanlagen, Freiflächenanlagen und Anlagen auf Hausdächern eingetragen werden müssen, und beim Netzbetreiber muss entfallen. Er ist überflüssig; unsere Nachbarländer beweisen das schon seit Jahren.
Beauftragen wir also mit dem vorliegenden Antrag die Landesregierung, sich auf Bundesebene für die Abschaffung einzusetzen, so wie es übrigens auch die Bundesnetzagentur bereits gefordert hat, wie Sie den Medien vor einigen Tagen entnehmen konnten.
(Beifall BVB/FW sowie des Abgeordneten Walter [DIE LINKE])
Sorgen wir dafür, dass „Es kann so einfach sein“ nicht nur ein Werbeslogan bleibt, sondern Brandenburg diese Position auch im Bund vertritt, wenn es um den Abbau unnötiger bürokratischer Hürden geht! Ansonsten hören wir hier ja auch sehr viel von Forderungen, zu entbürokratisieren und Verfahren zu beschleunigen. Das sollten wir auch einmal für die Mieterinnen und Mieter tun, die gleichzeitig noch einen Beitrag zur nachhaltigen Stromerzeugung leisten können. Deswegen freue ich mich auf Ihre Diskussion und Zustimmung.
(Beifall BVB/FW sowie des Abgeordneten Walter [DIE LINKE])