Philip Zeschmann zur Debatte zum Haushaltsgesetz 2023/2024 – 3.Lesung – 16.12.2022

16. Dez 2022

Rede von Philip Zeschmann in Textform:

Dr. Philip Zeschmann (BVB/FW):

Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Brandenburgerinnen und Brandenburger! Priorität müsste heute eigentlich das Thema Hilfen für unsere Menschen haben – Hilfen für die Menschen mit kleinem Einkommen, Hilfen für unsere kleinen Unternehmen, die unter der Energiepreiskrise besonders leiden. Das können wir hier durchaus ansprechen, denn hier geht es, wie wir schon gehört haben, auch um die Hilfsprogramme, die pauschal mit 2 Milliarden Euro – als Blackbox – finanziert werden sollen. Dabei kommt es aber auch auf die Schnelligkeit, Qualität und Präzision der Hilfen für unsere Bürgerinnen und Bürger und unsere kleinen und mittelständischen Unternehmen an.

Zum Stichwort Schnelligkeit: Seit Herbst 2021 steigen die Energiepreise, steigen die Gaspreise und dann auch die Strompreise. Schon im letzten Winter, im Februar, gab es Veranstaltungen der IHKs, bei denen sich die Unternehmen beschwert und gesagt haben, dass sie diese Preissteigerungen nicht mehr verkraften. Seit März dieses Jahres frage ich im Wirtschaftsausschuss immer wieder den Herrn Minister, wie er denn helfen will. Das habe ich im Mai, im Juni, im September und im Oktober wiederholt und auch im Plenum schon öfter angesprochen. Was war die Antwort? Fehlanzeige! – Das ist das Gegenteil von Schnelligkeit.

Zu Qualität und Präzision: Seit rund einem halben Jahr wird, wie Sie alle wissen, auf Bundesebene darum gerungen und öffentlich darüber nachgedacht, wie man sowohl private Haushalte mit niedrigem Einkommen als auch kleine und mittelständische Unternehmen, die von den explodierenden Energiepreisen besonders belastet werden, zielgenau und trotzdem möglichst schnell und unbürokratisch entlasten kann. Nun sollen vom Bund – nach fast einem Jahr des Nachdenkens – einigermaßen differenzierte Hilfen kommen, die für Private ab 1. Januar, aber für Unternehmen erst ab 1. März kommenden Jahres gelten sollen. Und was hat die hiesige Landesregierung in dieser langen Zeit ausgearbeitet und uns vorgelegt? Nichts außer – und das gilt bis heute – einer Ankündigung nach der anderen! Wir haben gestern hier noch einmal nachgefragt. Ich hatte erwartet, dass man in der Haushaltsdebatte klar sagt, welche Vorhaben geplant sind, wo man helfen will.

(Beifall BVB/FW)

Es wurde jedoch nichts vorgelegt.

(Vida [BVB/FW]:  Er hat ja eine Glaskugel angekündigt!)

Das Jahr neigt sich bekanntlich dem Ende zu. Bereits im Frühjahr hätte man sich Gedanken darüber machen können. Wenigstens im Sommer hätte man reagieren können. Aber allerspätestens im Herbst, also nach den Sommerferien, hätte man hier differenzierte Hilfen – nach Einkommensgruppen, nach Betroffenheit differenziert – vorlegen können und müssen. Wir hören immer noch nichts davon. Nicht einmal eine Form von Aufklärung haben wir hier heute bekommen. Und dann spricht der Kollege Vogelsänger hier davon, dass man mit diesem Haushalt Planungssicherheit geschaffen hätte. Sie tun weiterhin absolut das Gegenteil!

(Beifall BVB/FW)

Wir haben hier – ich habe das im letzten Plenum vorgetragen – ganz konkrete Vorschläge gemacht, wie man mit einem Härtefallfonds den privaten Haushalten direkt helfen kann, insbesondere jenen, die wenig verdienen, die zum Beispiel einen Nettolohn von bis zu 1 500 Euro bekommen, keine Wohngeldempfänger sind und keine anderen Einkünfte haben. Sie sollten Direkthilfen bekommen und ihnen sollten die Energiekosten vollständig ausgeglichen werden – bis zu 2 000 Euro zu 75 % und bis zu 2 500 Euro zu 50 %.

Wir haben weiterhin gesagt, wie man unseren Kleinstunternehmen – 78 % der Unternehmen bei uns in Brandenburg – helfen kann, indem man nämlich genau diesen Kleinstunternehmen bis zu zehn Mitarbeitern die im Vergleich zu 2021 gestiegenen Energiekosten auch zu 100 % erstattet, jenen bis zu 50 Mitarbeitern zu 90 % und jenen bis zu 100 Mitarbeitern zu 75 %, und zwar in Form von Direktzahlungen aus diesem Landeshaushalt. Aus unserer Sicht hätte man spätestens nach den Osterferien damit beginnen müssen.

Natürlich sollte es auch so sein – das ist jetzt die mittelfristige Perspektive -, dass diese Dinge im nächsten Jahr fortgesetzt werden, wenn das Preisniveau so erhalten bleibt.

Jetzt kommen wir zum Thema Erforderlichkeit und Zulässigkeit der erneuten Notlagenerklärung, die ja Voraussetzung dafür ist, dass man hier Kredite aufnehmen kann.

Erforderlichkeit: Andere Finanzierungsquellen – das wissen Sie alle – sind vorhanden, nämlich die Mehreinnahmen aus der Mehrwertsteuer, der Überschuss aus der Haushaltsumsetzung 2022 und die Rücklagen, wenn diese Regierungskoalition und diese Landesregierung in Ignoranz der Krise diese nicht längst in ihrem Doppelhaushalt für irgendwelche anderen Wunscherfüllungen verplant hätten. Sprich, die Erforderlichkeit einer Notlagenerklärung, um Kredite aufzunehmen, ist nicht gegeben.

Zulässigkeit: Das Thema wurde gestern schon in ein paar Reden gestreift. Ausnahmen von der Schuldenbremse sind bekanntlich dann möglich, wenn eine außergewöhnliche Notsituation vorliegt, die sich der Kontrolle des Staates entzieht und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigt. Das ist hier, wie Sie alle wissen, nicht der Fall, denn die Energiepreise für Strom und Gas haben – das ist ja nachweisbar – bereits ab September 2021 angefangen zu steigen, und zwar deutlich, und die Unternehmen haben sich schon im Winter, noch bevor der Krieg mit der Ukraine ausgebrochen ist, über diese Situation beschwert und um Hilfen gebeten.

Es ist erstaunlich, dass Sie jetzt so ruhig bleiben. Sie haben sich scheinbar daran gewöhnt, dass Sie hier gegen Recht und Gesetz verstoßen – gut.

Also, der Landesrechnungshof hat zu diesem Thema Folgendes ausgeführt – ich zitiere das gerne -:

„Auch einer verfassungskonformen Neuverschuldung liegt ein immanenter Ausnahmecharakter zugrunde. Infolgedessen hat der Haushaltsgesetzgeber die Erforderlichkeit und die Eignung der Kreditaufnahme für die Bekämpfung der Notlage darzulegen. Diese Darlegung für die Folgejahre ist grundsätzlich noch gar nicht möglich.“

– So.

Generationengerechtigkeit war übrigens auch mal ein Thema hier in diesem Hause. Seit 2018 wurde es leider vergessen oder – besser gesagt – verdrängt und ignoriert, nicht wahr, Herr Bretz? Das war ja Ihr Leib- und Magenspeisenthema. Langfristige Tragfähigkeit des Haushalts: Laut Landesrechnungshof ist diese schon in den nächsten Jahren gefährdet, wenn sich nichts Grundlegendes an der Finanzpolitik des Landes ändert.

(Beifall BVB/FW)

Auch das sage nicht ich, sondern der Landesrechnungshof – das kann man auf Seite 88 nachlesen.

Trotz all dieser Verrenkungen und Rechtsbrüche sind Sie mit der Umsetzung – das wäre jetzt auch die Analyse – wichtiger Ziele aus Ihrem Koalitionsvertrag nicht vorangekommen. Kitabeitragsfreiheit: auf halber Strecke stecken geblieben und mit einer Mogelpackung, weil befristet bis kurz nach den nächsten Wahlen, gekrönt.

(Beifall BVB/FW – Zuruf des Abgeordneten Scheetz [SPD])

Verkehrswende: mit der CDU auf der Dauerbremse und als Verhinderer und durch Kapitulation der Grünen vor den Zwängen des Koalitionsvertrages von Ihnen selbst im Keim erstickt und damit krachend gescheitert.

Vizepräsidentin Richstein: Herr Abgeordneter, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Dr. Zeschmann (BVB/FW): Nein, danke.

Energiewende: ging sogar massiv nach hinten los, läuft völlig ideologisch verblendet, weil allein klimapolitisch getrieben, andere Sachen werden nicht beachtet und nicht angesehen. Da heißt es: Deindustrialisierung unseres Landes mit massiven Folgen und dauerhaften Wohlstandsverlusten sowie das Zwingen von Massen von Haushalten mit geringem Einkommen in die Zahlungsunfähigkeit, also mindestens im Kalten oder im Dunkeln sitzend. Dann fragt sich der geneigte Zuhörer und Beobachter natürlich: Wie steht es denn um die Sicherung der Substanz unseres Landes?

Wirtschaft: Die Welle der Insolvenzen und Gewerbeabmeldungen steigt weiter und wird nach dem 01.01.2023 dramatische Ausmaße annehmen, weil dann die Preise, wie Sie alle wissen, für Gas und Strom wie angekündigt noch einmal deutlich steigen werden.

Arbeitsplätze: Das laufende Firmensterben insbesondere bei den Kleinstunternehmen wird sich bald ausprägen und dann auch Großunternehmen treffen. Das Thema ArcelorMittal in Eisenhüttenstadt kommt absehbar auf uns zu. Da sehen wir jetzt schon Kurzarbeit. Es gehen also weiter Arbeitsplätze verloren, was immer mehr private Haushalte in die Existenzkrise stürzt.

Steuereinnahmen: Infolge der zunehmenden Zahl von Firmenzusammenbrüchen und der steigenden Arbeitslosigkeit gehen die Einnahmen aus der Gewerbesteuer ebenso zurück wie die aus der Lohn- und Einkommensteuer. Dadurch wird die Handlungsfähigkeit der öffentlichen Haushalte eingeschränkt, weil natürlich die Einnahmen fehlen. Bald sind sie grundsätzlich noch geringer. Dazu kommen steigende Zinsen durch die hohe Kreditbelastung. Gestern hat die EZB die Zinsen gerade erneut erhöht, auf 2,5 % – das heißt: exponentiell steigende Aufwendungen und auch exponentiell steigende Versorgungsaufwendungen.

Das Thema Straßen und Brücken hatten wir gestern schon beim Einzelplan des Ministeriums für Infrastruktur und Landesplanung. Da wurde herausgearbeitet, dass hier nichts gesichert ist, dass der Verfall weiterläuft und nicht genügend Geld da ist. Die Schienenwege wurden auch diskutiert: dass dort nämlich auch nichts gemacht wird, um die Reaktivierung der Schienen voranzubringen, und nicht einmal Geld für die Machbarkeitsuntersuchung in Umsetzung der Ergebnisse der Potenzialuntersuchung eingestellt wurde.

Ergebnis: Diese Koalition und diese Landesregierung haben wohl auf ganzer Linie versagt. Sie haben ihre eigenen Ziele nicht erfüllt, den Haushalt heruntergebracht, völlige Überschuldung herbeigeführt, sodass die nächsten Generationen nichts mehr machen können. Es wird sich auch mit diesem Haushalt nichts erkennbar verändern. In den Geschichtsbüchern über Brandenburg wird also über die Jahre 2019 bis 2024 stehen: verlorene Jahre, in denen nichts Wahrnehmbares vorangebracht wurde – außer der Überschuldung.

(Beifall BVB/FW)

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