Rede von Christine Wernicke in Textform:
Frau Christine Wernicke (BVB/FW):
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Kennen Sie das Gefühl, wenn man einen Schnellschuss bereut? Das ist jedem schon passiert. Was tun Sie dann?
Wir drehen einmal die Zeit zurück: Vor dem Sommer wurde allen plötzlich klar, dass der Ukrainekrieg unsere Energieversorgung gefährdet. Mit Dutzenden Einzelmaßnahmen versuchte die Politik, gegenzusteuern. Wenn Gefahr droht, muss schnell und entschieden gehandelt werden – dagegen ist grundsätzlich erst einmal nichts einzuwenden. Die meisten Maßnahmen waren kurzfristig angelegt, allerdings nicht das sogenannte Gesetz zur Erhöhung und Beschleunigung des Ausbaus von Windenergieanlagen an Land. Mit einer eilig zusammengeschusterten und nur schwer lesbaren Gesetzesvorlage wurden Voraussetzungen geschaffen, die die Situation in frühestens fünf Jahren beeinflussen können. Heute ist im Vergleich zum Sommer klar, dass diese Maßnahmen für die Energiesicherheit in fünf Jahren nicht hilfreich sind.
(Beifall BVB/FW)
Warum nehmen wir dieses Gesetz weiter so hin? Denn „dass Bestandsanlagen außerhalb von ausgewiesenen Flächen in keiner Weise Berücksichtigung finden, obwohl diese naturgemäß auch zur Windstromerzeugung beitragen“, ist inakzeptabel. Dieser gravierende Fehler ist nicht nur uns aufgefallen. Nein, es war Minister Steinbach, der leider beim „Erklärbär“ den Saal verlassen hat, der dies in der Bundesratsrede zum Gesetz am 08.07.2022 sagte. Ich frage mich, wann der Minister das Thema, wie in der Rede angekündigt, mit dem Bundeswirtschaftsminister noch einmal angehen will. Mehr noch: Er hat zu Recht auf die Langsamkeit der südlichen Bundesländer hingewiesen – nur: Wieso stimmte er dann dem Gesetz zu, welches gerade diese Bundesländer weiter privilegiert?
(Beifall BVB/FW)
Selbst mit wirksamen Regionalplänen haben wir immer noch knapp 1 300 Windkraftanlagen in unserem Bundesland, die außerhalb von ausgewiesenen Flächen liegen und unberücksichtigt bleiben. 1 300 Anlagen – das sind mehr als in Bayern in Summe und fast doppelt so viele wie in Baden-Württemberg stehen. Zu allem Überfluss müssen diese beiden Länder nicht einmal im Ansatz dieselben Flächen ausweisen. Aus Sicht dieser Länder ist das sicher akzeptabel, für die Brandenburgerinnen und Brandenburger jedoch unzumutbar!
(Beifall BVB/FW sowie des Abgeordneten John [AfD])
Wie hoch ist eigentlich der durchschnittliche Flächenbedarf für eine Windkraftanlage? Brandenburg hat eine Fläche von knapp 3 000 000 ha – zwei Prozent sind 60 000 ha. Das Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende hat unter Berücksichtigung von hersteller- und anlagentypspezifischen Vorgaben zur Standsicherheit, zu Verschattungseffekten und gegenseitigem „Windklau“ einen Raumbedarf von durchschnittlich 16,5 ha pro Windenergieanlage ermittelt. Auf 60 000 ha könnten danach etwa 3 600 Anlagen stehen – wir haben bereits 4 000 Anlagen.
Man könnte bei der Berechnung auch die vorgesehenen Regelungen des Entwurfs des Regionalplans Uckermark-Barnim berücksichtigen. Ein „Windvorranggebiet“ – ich nenne es jetzt einmal so; wir wissen ja noch nicht, was kommt – wird erst ab einer Größe von 25 ha ausgewiesen; darauf können drei Windenergieanlagen stehen. Der Entwurf des Regionalplans weist eine Fläche von 10 243 ha aus. Nur 450 der vorhandenen 795 Anlagen stehen in den vorgesehenen Vorranggebieten. Für 345 Anlagen wird allerdings nur der Flächenfaktor 0,5 ha pro Anlage nach dem Windan-Land-Gesetz berücksichtigt. Ergebnis: 172,5 ha.
Fände der Ansatz der Regionalplanung – 25 ha für drei Windkraftanlagen – Anwendung, kämen zur Entwurfsfläche 2 875 ha hinzu. Die Vorranggebiete in Uckermark-Barnim betrügen dann 13 000 ha, also 2,88 %.
Unser Änderungsantrag versteht sich deshalb von selbst.
(Beifall BVB/FW)
Wenn Sie schon unter Missachtung der Schutzregeln Anlagen aufgrund einer zeitlich begrenzten Sondersituation erlauben wollen, dann hat auch der Eingriff zeitlich begrenzt zu erfolgen.
(Beifall BVB/FW und des Abgeordneten Dr. Berndt [AfD] – Dr. Berndt [AfD]: Das stimmt!)
Diese Anlagen dürfen auf keinen Fall repowert werden! Wenigstens das sollten Sie den Brandenburgerinnen und Brandenburgern garantieren, wenn Sie schon bereit sind, deren gesundheitliches Wohlergehen und den massiven Eingriff in die Natur zu missachten!
(Beifall BVB/FW)
An Herrn Minister Steinbach habe ich die Bitte: Machen Sie Ihre Ankündigung wahr und thematisieren Sie das Gesetz noch einmal im Bundesrat. Noch ist nicht allzu viel passiert, und dieses unter Panikeinfluss zusammengeschusterte Gesetz kann, nein muss geändert werden! – Vielen Dank.
(Beifall BVB/FW sowie vereinzelt AfD)