Rede von Philip Zeschmann in Textform:
Dr. Philip Zeschmann (BVB/FW):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Brandenburgerinnen und Brandenburger! Kriegsbedingt verschärfte Versorgungskrise bei fossilen Energieträgern, extrem steigende Energiepreise und Inflation – das steht in dem Antrag auf Durchführung einer Aktuellen Stunde. Dies erfordere dringend politische Antworten – das steht da auch drin, darüber wurde heute noch gar nicht diskutiert -, und als solche präsentieren uns die Grünen eine Verkehrswende und eine forcierte Energiewende – ich zitiere gern noch einmal aus dem Antrag auf Aktuelle Stunde: „Die Verkehrswende ist ein Schlüssel zur Bewältigung dieser Krisen.“
Also, es tut mir leid, werte Kollegen von den Grünen: Der 11.11. – Karnevalsbeginn – ist vorbei. Eine Energie- und Verkehrswende ist darauf leider keine adäquate Antwort. Passende Antworten haben wir hier seit März immer wieder diskutiert und eingefordert, zuletzt mit der Erhöhung der Mittel zur Umsetzung des 17-Gesetzes; das sprach ich vorhin schon an.
Zu den Antworten auf die Energiekrise gehört an erster Stelle die Ausweitung des Stromangebotes mittels der Nutzung aller zur Verfügung stehenden Energiequellen, inklusive Steinkohle, Braunkohle und Atomkraft, auch stillgelegter und in Reserve befindlicher Kraftwerke; das wurde hier schon ausgiebig diskutiert. Die Bundesregierung hat zwischenzeitlich darauf reagiert – leider viel, viel zu spät. Warum ist das so? Weil Ihre Kollegen im Bund – unter anderem Minister Habeck – das lange verhindert haben; sonst hätten wir nicht die schlimmen marktpreislichen Verwerfungen, unter denen unsere Unternehmen und privaten Haushalte gerade leiden.
(Beifall BVB/FW)
Nun kommen also die Grünen mit dem Stein der Weisen: Die Verkehrswende löst alle Probleme. – Ganz toll! Aber wie kommen Sie darauf, dass Preisprobleme infolge kriegsbedingter Knappheiten gerade mit einer Verkehrswende kurzfristig bewältigt werden könnten?
(Dr. Berndt [AfD]: Ist doch egal!)
Auch wenn wir einmal annehmen, hier bestünde irgendein Zusammenhang, dauern Maßnahmen zur weiteren Umsetzung der Verkehrswende in der Regel viele Jahre – Stichwort „i2030“ als Beispiel, wo fünf Jahre lange nichts passiert ist.
(Zuruf von der SPD)
Sie haben daher keinerlei kurzfristigen Effekt in Krisensituationen und demnach auch keinen Effekt auf das Preisniveau; denn neue Busverkehre, Radwege, neue Schienenverkehre und erst recht neue Bahngleise müssen erst einmal geplant, gebaut, ausgeschrieben und bei den Verkehrsdienstleistern bestellt werden. All das dauert bei den deutschen Planungs- und Genehmigungsprozessen, wie wir alle wissen, Jahre und bei i2030, wie wir gerade sehen – der Antrag soll das beschleunigen -, Jahrzehnte.
Auch wenn Sie ausführen, multiple Krisen hätten „nun einen Schub in Richtung Verkehrswende in Bund und Land angestoßen“, werden weder das 9-Euro- noch das 49-Euro-Deutschlandticket diese Energiekrise lösen.
(Beifall des Abgeordneten Münschke [AfD])
Wie könnte es zu einer Preisentspannung am Energiemarkt kommen? Dafür müssten weniger Strom und Diesel verbraucht werden oder Angebotsanpassungen bzw. Nachfragereduzierungen stattfinden. Doch wir brauchen im Bahnverkehr vor allem Strom und für den Busverkehr heute im Wesentlichen noch Diesel.
Kommen wir zu den Angebotssteigerungen. Dazu, was am Strommarkt zu tun ist, hatte ich schon ausgeführt. Das haben Minister Habeck und Ministerin Lemke monatelang verhindert, und sie sind noch immer nicht bereit, zum Beispiel den Weiterbetrieb der drei noch laufenden Atomkraftwerke vollständig umzusetzen. Beim Diesel verschärfen sie – insbesondere diese beiden Minister der Bundesregierung – die Marktsituation mit dem geradezu selbstzerstörerischen freiwilligen Embargo gegen russisches Öl ab 01.01.2023 – und das nach Preissteigerungen an der Zapfsäule um fast 100 % gegenüber dem Vorjahr. Dies zur Angebotssteigerung; sie findet also nicht statt.
Zur Nachfragereduzierung: Das 49-Euro-Ticket dürfte die Nachfrage wohl eher erhöhen, und Sie erzählen uns doch immer beständig, dass Sie die Nachfrage im Bus und Bahnverkehr massiv steigern wollen – was ja auch in Ordnung ist, wenn wir eine Verkehrswende wollen. Folglich wird es aber wegen des hohen Verbrauchs – in diesem Fall von Diesel – nicht zu Nachfragereduzierungen kommen. Selbst unter der Annahme, dass die Nutzung von mehr Bussen und Bahnen dazu führt, dass die Leute weniger Pkw fahren und demnach zum Beispiel weniger Diesel und Benzin verbrauchen, wird das keinen gravierend durchschlagenden Effekt haben, denn die Busse verbrauchen, wenn sie mehr fahren, auch mehr Diesel.
Wie eine Stromverbrauchsreduzierung durch eine erhöhte Bahnnutzung möglich sein soll, bleibt ganz allein Ihr Geheimnis; das ist nämlich nicht möglich.
(Beifall BVB/FW)
Eher wird man mit einem erhöhten Bahnverkehr noch mehr Strom verbrauchen.
Eine beschleunigte Verkehrswende ist also, anders als Sie mit Ihrem Antrag auf die heutige Aktuelle Stunde vorzugeben versuchen, alles andere als eine Lösung für die akute Energiekrise.
(Beifall BVB/FW)
Dann kommt das Thema „Förderung der Radverkehrsinfrastruktur“. Dazu haben Sie hier eben ausgeführt. Da muss man aber – auch für die Öffentlichkeit – deutlich sagen: Im Haushaltsentwurf Ihrer Landesregierung stehen genau 500 000 Euro – und die gibt es nicht einmal mehr, denn die gab es nur noch im letzten Jahr; das sind nämlich Bundesmittel für den Ausbau von Radschnellwegen. Das wurde sogar gestrichen.
Sie in Ihrer Landesregierung haben es in den letzten drei Jahren nie zustande gebracht, eigenes Geld in die Hand zu nehmen, um irgendetwas für die Radverkehrsinfrastruktur zu tun. Jetzt sind Sie aufgewacht, haben plötzlich gemerkt, dass Ihre eigene Landesregierung das nicht eingeplant hat, und daraufhin nun im Ausschuss für Infrastruktur und Landesplanung ein wenig Geld hinterhergeschoben. Aber 500 000 Euro für ein ganzes Jahr und für das ganze Land Brandenburg sind natürlich nicht ausreichend.
(Beifall BVB/FW)
Hier passt also überhaupt nichts zusammen. Eine Verkehrswende löst keine Energiekrise. Liefern Sie endlich eine echte Umsetzung des BrandenburgRettungspakets, um die Energieversorgung im Winter zu erträglichen Preisen sicherzustellen, und – wenn Sie von Verkehrswende reden, Stichwort: ÖPNV-Gesetz vom letzten Mal – stellen Sie in den Haushalt endlich ausreichend Geld für die Verkehrswende ein, aber erzählen Sie uns bitte nicht das Wundermärchen, dass mit ihr die Krisen zu bewältigen und zu bekämpfen seien! Das erfordert wirklich ein bisschen mehr Geld, ein bisschen mehr Einsatz und vor allem Kompetenz. – Danke schön.
(Beifall BVB/FW)