Christine Wernicke zum Antrag ihrer Fraktion BVB/FW „Eiweßstrategie für Brandenburg – 17.11.2022

17. Nov 2022

Rede von Christine Wernicke in Textform:

Frau Christine Wernicke (BVB/FW):

Vielen Dank Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren, die sich auch dafür interessieren, wie Essen produziert wird, und nicht nur dafür, wie es verspeist wird.

(Heiterkeit und Beifall BVB/FW sowie Beifall des Abgeordneten Hohloch [AfD])

Rund eine Million Tonnen importierter Sojaprodukte wurden dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft zufolge im Wirtschaftsjahr 2020/21 deutschlandweit an Nutztiere verfüttert. Vor allem schweine- und geflügelhaltende Betriebe sind auf diese proteinhaltige Nutzpflanze angewiesen. Etwa 25 % des Eiweißfutters wird hierzulande von tierhaltenden Betrieben zugekauft, meist in Form von Sojaerzeugnissen. Das gilt auch für tierhaltende Betriebe in Brandenburg.

Die Transporte von Eiweißfuttermitteln aus fernen Drittstaaten wie den USA oder Burkina Faso dauern lange und sind für den mit ihnen verbundenen hohen CO2-Ausstoß bekannt. Der Großteil des importierten Sojas stammt jedoch aus Brasilien, welches zudem mit Regenwaldabholzungen zugunsten der Ackerlandschaffung Schlagzeilen macht. Seit der Jahrtausendwende hat sich die Sojaanbaufläche in Brasilien verdreifacht. Nachdem die Zahl der Rodungen im südamerikanischen Regenwald innerhalb der letzten Jahre zumindest leicht gesunken ist, steigt sie nun wieder auf Rekordhöhe. Lag der Jahresdurchschnitt der gerodeten Flächen im Zeitraum von 2009 bis 2018 noch bei jährlich 6 500 Quadratkilometern, sind es aktuell etwa 10 500. Zwischen dem Sommer 2020 und jenem des Jahres 2021 wurde gar so viel Regenwald gerodet wie in den letzten zehn Jahren nicht mehr.

Das heißt, es muss gehandelt werden.

(Beifall BVB/FW)

Durch die derzeitigen Aktionen und Diskussionen zum Klima ist sicherlich jedem bekannt: Mit dem Zukauf von Soja aus Übersee schädigen wir in vollem Bewusstsein den Regenwald und tragen aktiv zum Klimawandel bei. Zudem entwickeln wir eine wirtschaftliche Abhängigkeit, und die Folgen davon muss ich gerade zum jetzigen Zeitpunkt wohl nicht weiter erläutern.

Die Lösung für das Problem Sojaimporte liegt direkt vor unseren Augen oder besser gesagt auf dem Acker vor unserer Haustür: Leguminosen wie Erbsen und die Ackerbohne werden bereits seit Jahrhunderten von Brandenburger Landwirtinnen und Landwirten angebaut. Diese Feldfrüchte sind nicht nur biomasse- und eiweißreiche Futterpflanzen, sondern bieten besonders für unsere Böden zahlreiche Vorteile.

Hier glänzen die Leguminosen vor allem mit einer Besonderheit. So sind sie bekanntermaßen als einzige Pflanzenfamilie in der Lage, eine Symbiose mit Rhizobien, auch Knöllchenbakterien genannt, einzugehen. Diese Bakterien kommen für die meisten der hier kultivierten Hülsenfrüchtler von Natur aus in den Brandenburger Böden vor – lediglich für den Sojaanbau müssen sie in den Bestand eingeimpft werden. Von dort dringen sie in die Wurzeln der Pflanzen ein und wandeln den für die Pflanze normalerweise unerreichbaren molekularen Stickstoff aus der Bodenluft in pflanzenverfügbare Formen wie Ammoniak bzw. Ammonium-Ionen um – hier also einmal ein bisschen Bildung.

(Lachen des Abgeordneten Dr. Zeschmann [BVB/FW] sowie Beifall BVB/FW)

Durch diesen Vorgang können jährlich bis zu 400 Kilogramm Stickstoff pro Hektar umgesetzt werden. Somit ist die viel kritisierte Stickstoffdüngung beim Leguminosenanbau nicht nur nicht nötig, sondern die nach der Ernte der Pflanzen übrig bleibenden Wurzeln übernehmen auch bereits einen Teil der Stickstoffdüngung für die Folgekultur.

Durch ihre häufig langen und kräftigen Wurzeln lockern viele Leguminosenarten zudem den Boden auf und bereiten ihn auch in dieser Hinsicht ideal für die Fruchtfolge vor. Ein weiterer für uns Brandenburger immenser Vorteil einiger Hülsenfrüchtler stellt ihre Eignung für Sandstandorte dar. Insbesondere Klee und Lupinen gedeihen auch auf leichten Böden, wie sie für Brandenburg so typisch sind. Und letztendlich leistet der Leguminosenanbau sogar seinen Beitrag zur Artenvielfalt. Wer im Sommer einmal einen Kleegrasacker bestaunt, wird schnell feststellen, dass es darin mehr als in anderen Kulturen zwitschert und summt.

Neben dem Anbau von Eiweißpflanzen für die Futtermittelgewinnung kommen sie auch immer häufiger als Sojaersatz in der Lebensmittelproduktion zum Einsatz. Besonders Erbsen und Süßlupinen sind wichtige Bestandteile einer Vielzahl von Fleischersatzprodukten.

(Beifall BVB/FW)

Hierbei handelt es sich um eine Branche, die auch bei uns nach wie vor weiter wächst. Gerade plant ein großes Unternehmen in Neubrandenburg ein neues Werk zur Verarbeitung großkörniger Hülsenfrüchte; es sind Investitionen von rund 90 Millionen Euro geplant. Bereits im nächsten Jahr sollen in Neubrandenburg dann jährlich bis zu 60 Tonnen gelbe Erbsen zu Protein, Stärke und Faserstoffen für die menschliche Ernährung gewandelt werden. Firmen wie diese sind es, die Arbeitsplätze schaffen und auch unseren Brandenburger Norden wirtschaftlich interessanter machen können. – Sie sehen: Hülsenfrüchte haben Zukunft.

Doch jeder Anfang ist schwer. So können Körnerleguminosen mit den Ernteerträgen von Mais und Getreide noch nicht mithalten und sind somit im Vergleich aktuell betriebswirtschaftlich noch uninteressant. Hier werden Förderprogramme benötigt, wie sie in Mecklenburg und Bayern bereits erfolgreich sind.

Zudem weisen einige heimische Eiweißpflanzen eine unausgewogenere Aminosäurenzusammensetzung als Sojaextraktionsschrot auf, was die Zusammenstellung von Futtermischungen für die Betriebe deutlich erschwert. Zwar nimmt der Sojaanbau in Deutschland regional immer mehr zu, weil kälteresistentere und frühreifere Sorten entwickelt wurden. Hier fehlt es jedoch wiederum an geeigneten Aufbereitungsanlagen.

Heimische Leguminosen hingegen wurden aufgrund der geringen Rentabilität lange Zeit züchterisch vernachlässigt. Um Ihnen die Dimensionen einmal vor Augen zu führen: Genau drei Süßlupinensorten sind in Deutschland zugelassen. Hier müssen Zuchtprogramme und Feldversuche gestartet werden, damit auch heimische Eiweißpflanzen endlich den Platz bekommen, den sie schon lange verdienen. – Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag und danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall BVB/FW)

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