Rede von Matthias Stefke in Textform:
Matthias Stefke (BVB/FW):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer an den Bildschirmen und auf der Tribüne! Ich frage Sie mal so direkt:
(Zuruf von der AfD: Ja?)
Wie geht es Ihnen,
(Zuruf von der AfD: Gut!)
einmal abgesehen von den Anstrengungen durch die bisherigen vielen Stunden der heutigen Debatten? Manch einen plagen Kopfschmerzen, bei anderen zwickt der Rücken, kratzt es im Hals, oder Sie haben es mit dem Magen. Das ist nicht schön, liebe Kolleginnen und Kollegen, aber es gibt Menschen in unserem Land, die ganz andere Handicaps auszuhalten haben, und das dauerhaft, ein Leben lang.
In Brandenburg sind das Zehntausende Betroffene. Dazu zählen die Blinden, die Gehörlosen und auch diejenigen, die Gliedmaßen an Armen oder Beinen oder diese sogar komplett verloren haben. Sie alle wühlen sich jeden Tag durch den Tag, müssen mit ihren körperlichen Einschränkungen ihren Alltag bewältigen. Sie können ihren Alltag weitestgehend nicht vollständig alleine bewältigen, sondern benötigen dafür Hilfsmittel und helfende Hände, von menschlicher Zuwendung mal ganz abgesehen.
Betroffene können nach dem Landespflegegeldgesetz finanzielle Zuwendungen beantragen, die dem Ausgleich der durch die Behinderung bedingten Mehraufwendungen dienen. Das Brandenburger Landespflegegeldgesetz wurde hinsichtlich der Höhe des Pflegegeldes zuletzt 2018 angepasst. Wie wir alle, so haben auch Blinde, Gehörlose und Körperbehinderte seither – insbesondere in diesem Jahr – deutliche Kostensteigerungen in nahezu allen Lebensbereichen zu stemmen. Anders als Unversehrte können sie jedoch diese Mehrkosten nicht durch Mehrarbeit oder die Übernahme von Zusatz- oder Nebenjobs kompensieren. Sie sind darauf angewiesen, dass die Sozialleistungen dieser Entwicklung angepasst werden.
Diesem Ziel dient dieser Antrag. Es ist an der Zeit, dass sich unser aller soziales Gewissen meldet und zu der Einsicht führt: Ja, da besteht tatsächlich dringender Handlungsbedarf, da müssen wir etwas machen. Das gilt auch, wenn das Landespflegegeld nicht die einzige Sozialleistung für diese Menschen ist, sondern im Falle einer Pflegestufe durch ein Pflegegeld in unterschiedlicher Höhe von der Pflegeversicherung des Bundes ergänzt wird. Dies wurde übrigens zuletzt im Jahr 2017 erhöht.
Allerdings besteht laut Sozialgesetzbuch für die Bundesregierung die Verpflichtung, alle drei Jahre über eine Erhöhung des Pflegegeldes zu verhandeln, um es an die Preisentwicklung anzupassen. Turnusgemäß stünde die Verhandlung nun im Jahr 2023 an. Die vorherige Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD hatte aber bereits im Jahr 2021 die Verhandlungen vorgezogen, jedoch eine Erhöhung bis zum Jahr 2025 ausgeschlossen.
SPD, Grüne und FDP haben in ihrem Koalitionsvertrag im Dezember 2021 festgelegt:
„Wir dynamisieren das Pflegegeld ab 2022 regelhaft.“
Geschehen ist bisher nichts. Auch die Forderung der Pflegebeauftragten der Bundesregierung, Claudia Moll, SPD, die bereits im Mai dieses Jahres gefordert hatte: „Wir müssen das Pflegegeld jetzt spürbar erhöhen“, blieb bisher ungehört. Angesichts der Ankündigung des Bundeskanzlers im Februar dieses Jahres zur Einrichtung eines Sondervermögens zur Stärkung der Bundeswehr in Höhe von 100 Milliarden Euro treibt es einem die Zornesröte ins Gesicht,
(Beifall BVB/FW und DIE LINKE)
gleichfalls die geplante Erweiterung des Bundeskanzleramtes für rund 800 Million Euro.
Zurück zum Landespflegegeld. Eine solche Verpflichtung, alle drei Jahre turnusmäßig über dessen Höhe zu verhandeln, besteht beim Landespflegegeld nicht. Deshalb wächst entweder im zuständigen Sozialministerium selbst die Erkenntnis, dass eine Erhöhung notwendig ist – dies ist der Vorlage des Haushaltsplanentwurfs für 2023/24 jedoch nicht zu entnehmen -, oder aus dem Parlament kommt eine entsprechende Initiative. Letztere haben wir mit unserem heutigen Antrag gestartet.
(Beifall BVB/FW)
BVB / FREIE WÄHLER sehen die Notwendigkeit einer Anpassung nach nunmehr fünf Jahren, um den schwerstbetroffenen Menschen zumindest eine finanzielle Entlastung bei einer Steigerung der Inflationsquote in zweistelliger Höhe zukommen zu lassen. Im Übrigen darf ich darauf aufmerksam machen, dass Brandenburg in Bezug auf die Höhe des sogenannten Blindengeldes im bundesweiten Ländervergleich auf dem vorletzten Platz liegt.
Auch deshalb stellen wir diesen Antrag, für den ich schon jetzt um unbedingte Zustimmung bitte. Seitens unserer Fraktion beantrage ich eine namentliche Abstimmung. Zunächst bin ich aber auf die Debatte zu dem Antrag gespannt und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall BVB/FW und DIE LINKE)