Rede von Péter Vida in Textform:
Péter Vida (BVB/FW):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Wir leben in schwierigen, unsicheren Zeiten. Viele Menschen in unserem Land blicken mit großer Sorge in die Zukunft – für sich, ihre Kinder und Enkelkinder. Wir erleben, wie sicher geglaubte Errungenschaften in wenigen Wochen Mangelware werden und wie aus lieb gewonnenen Gewissheiten Probleme erwachsen. Stabile Preise, bezahlbare Energie und Frieden in Europa waren solche Gewissheiten, auf die wir uns verlassen haben, auf die wir unsere Zukunft aufgebaut haben und auf die wir unseren Wohlstand begründet haben. Spätestens mit der Coronapandemie wurde uns allen klar, wie fragil unser modernes Leben ist, wenn Lieferketten reißen, wenn Produktionen gestoppt werden müssen, wenn ganze Staaten in Lockdowns gehen.
Mit der Energie des Corona-Sturms zog der nächste Sturm „Inflation“ auf und bescherte unserem Kontinent Teuerungsraten, wie wir sie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht kannten. Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine ist leider auch der Frieden in Europa der traurigen Realität des Krieges gewichen. Auf diesen kriegerischen Sturm, der noch lange nicht vorbei ist, folgten die wirtschaftlichen und politischen Stürme: Sanktionspolitik, weiter steigende Preise überall, extrem steigende Energiepreise – vor allem in Deutschland -, eine aufziehende Rezession und die Angst vor Armut, Arbeitslosigkeit, Wohlstandsverlust und – leider auch – Angst vor der Verwicklung in einen Krieg.
Während also mindestens die halbe Welt auf Sicht fährt und Prognosen für länger als drei Monate keinen Pfifferling wert sind und auch nicht als seriös gelten, legt diese Landesregierung einen Doppelhaushalt für 24 Monate vor – im doppelten Sinne ein Blindflug durch mehrere schwerste, parallel stattfindende Stürme.
(Beifall BVB/FW)
Sehr geehrte Frau Ministerin Lange, ich frage mich, mit welcher Glaskugel Sie die Einnahmen und Ausgaben für mehr als zwei Jahre festlegen konnten. Ihre Einschätzungen basieren auf der Steuerschätzung vom Mai 2022. In der aktuellen Dynamik liegen zwischen damals und heute oder gar einem Zeitpunkt in zwei Jahren Welten. Wie kann man in der aktuellen Zeit auf die Idee kommen, einen Doppelhaushalt vorzulegen? Welcher Gastwirt würde sich heute auf ein Menü in zwei Jahren festlegen, wenn er noch nicht einmal seine Einnahmen, geschweige denn die dann geltenden Preise für Wurst, Butter und sonstige Zutaten kennt?
(Beifall BVB/FW)
Welcher Handwerker würde Ihnen heute eine Preisgarantie für eine Leistung geben, die in zwei Jahren erbracht wird? – Sicherlich niemand, der seriös handelt. Sind die Steuern und Einnahmen aktuell prognostizierbar? – Nein. Sind die Ausgaben gut prognostizierbar? – Nein. Ist die wirtschaftliche Lage stabil? – Nein. Warum wird es also gemacht? – Es wird gemacht, weil es in dieser Koalition gewaltig knirscht. Doch die massiven, parallel stattfindenden Stürme tosen so laut, dass das Knirschen nur bei genauem Hinhören auffällt.
Es ist absurd, dass Sie aus politischen und koalitionstaktischen Gründen einen Doppelhaushalt vorgelegt haben, damit jeder noch einmal ein klein wenig seine Klientel bedienen und weiter so tun kann, als brächte man das Land voran.
(Beifall BVB/FW)
Spätestens der Haushalt für 2024, also für übernächstes Jahr, ist nichts weiter als eine vage Absichtserklärung, um den – brüchigen – Koalitionsfrieden zu gewährleisten. Sie wollen sich noch schnell mit Worten über die Ziellinie retten, obwohl man diese noch gar nicht sehen kann. Hier werden rhetorische und inhaltliche Nebelkerzen geworfen; im Maschinenraum der Nebelmaschine steht meistens Herr Redmann. Dann wird geschickt eine blumige Sprache gewählt, mit Schleifchen verpackt; dafür ist Herr Keller zuständig. Und all das wird noch als Ausdruck von Weitsicht und Stabilität verkauft; Frau Budke ist ja auch noch dran.
(Beifall BVB/FW)
Meine Damen und Herren! Wenn wir heute in der 1. Lesung über diesen Haushalt sprechen, spielen zwei Themen mehr als sonst eine Rolle; es sind natürlich die Sanktions- und die Energiepolitik. Zu beiden Themen gibt es mehr als berechtigte Kritik.
Die parallel stattfindenden Stürme und deren Auswirkungen sind für Sie ein guter Anlass, Ihre Verfehlungen zu kaschieren. Und deren Liste ist lang! Bundeskanzler Olaf Scholz sprach im Bundestag von einer „Zeitenwende“. Doch die daraus folgenden politischen Konzepte und Methoden sind die gleichen wie vorgestern, die gleichen Konzepte und Methoden wie vor der sogenannten Zeitenwende. Anstatt Ursachen zu bekämpfen, werden mit viel Geld Symptome zugeschüttet. Anstatt sich ehrlich zu machen und die deutsche – und brandenburgische – Energiepolitik neu zu justieren und den Realitäten anzupassen, wird unter leicht veränderten Vorzeichen weitergemacht wie bisher.
Der Krieg in der Ukraine begann – wir erinnern uns – am 24. Februar dieses Jahres. Bereits vier Tage später, am 28. Februar, verhängte die EU erste Sanktionen. Bis Ende März waren die entscheidenden Sanktionspakete bereits verabschiedet. Nur wenige Wochen also hat das alles gedauert. Es dauerte sogar nur wenige Tage, bis die ersten Auswirkungen in Form steigender Energiepreise zu spüren waren.
Ich frage Sie deswegen, sehr verehrte Landesregierung: Wie kann es sein, dass es nur wenige Tage oder Wochen dauerte, bis ein umfassendes Sanktionspaket gegen Russland – mit zweifelhafter Wirkung! – aktiviert wurde, dass wir aber schon seit Monaten über Entlastungen für die Bevölkerung diskutieren, nur in Minischritten vorankommen und heute noch hören durften, zum Beispiel von meinem Vorredner, man müsse dann halt bis März warten, was den nächsten Entlastungsschritt anbelangt?
(Beifall BVB/FW sowie des Abgeordneten Hünich [AfD])
Meine Damen und Herren! Schon früh haben wir auf Bedenken hinsichtlich der Sanktionen hingewiesen. Wenn uns die Sanktionen mehr schaden, als sie der Ukraine nutzen, dann muss man die Sanktionen auf den Prüfstand stellen; das ist völlig klar. Bis heute haben es die Bundes- und die Landesregierung nicht geschafft, unserer Bevölkerung zu erklären, was auf sie zukommt, wie der Staat konkret helfen wird und was das alles für die Zukunft heißt.
Stattdessen zog es die Bundesregierung vor, öffentlich zur Schau gestellte Ränkespiele unter Polit-Egos auszufechten. FDP-Mann Lindner lügt sich mit seinen Schattenhaushalten das angebliche Einhalten der Schuldenbremse schön. Der Grüne Habeck verstolpert sich in seiner Eskalationsrhetorik und legt halbgare Konzepte wie die – inzwischen gekippte – Gasumlage vor.
(Beifall BVB/FW sowie des Abgeordneten Hünich [AfD])
Viele Bürger schütteln darüber zu Recht den Kopf und schauen ungläubig ob so vieler Egos. Denn während die Regierung streitet oder Murks abliefert, passiert Folgendes: Die Unsicherheit steigt. Die Preise steigen. Die Demos werden größer. Die Kritik wird lauter.
Diese Landesregierung setzt auf das Prinzip Hoffnung, indem sie dem Bund sagt, dass er mehr machen solle. Wo waren bzw. sind denn Ihre Bundesratsinitiativen, um dem Bund Beine zu machen? Sie halten hier im Parlament Sonntagsreden. Dabei hätten Sie im Bundesrat oder in der Ministerpräsidentenkonferenz der unsinnigen Gaspreisumlage schneller entgegentreten können, ja müssen, um wenigstens die Unsicherheit zu mildern.
(Beifall BVB/FW)
Meine Damen und Herren! Natürlich ist es so: Sie von der Landesregierung legen einen Doppelhaushalt vor, und kurze Zeit später kündigt die Koalition ein eigenes Rettungspaket mit einem Volumen von 2 Milliarden Euro an, über Kredite finanziert. Damit führen Sie – das ist fiskalisch völlig klar – Ihren eigenen Doppelhaushalt ad absurdum. Er hatte keine längere als eine zehntägige Wertigkeit.
Nein, meine Damen und Herren, dieser Etat ist alles andere als ausgeglichen oder generationengerecht, wie es der Ministerpräsident in seiner Stellungnahme behauptete. Schon heute können wir feststellen: Dieser Haushalt ist sehr überarbeitungswürdig. Das räumen ja auch Sie zwischen den Zeilen ein.
Meine Damen und Herren! Dieser Haushalt steht angesichts noch nicht abschätzbarer Kostensteigerungen, insbesondere für Energie, angesichts von Einnahmeausfällen und einer galoppierenden Inflation auf tönernen Füßen. Doch es sind nicht nur die großen Eckdaten, die widersprüchlich sind; es gibt auch im Detail viel Kritikwürdiges im Doppelhaushalt.
Sie rühmen sich einer – vermeintlich – hohen Investitionsquote. Doch die Investitionen im Bereich Bildung, Jugend und Sport erfolgen faktisch nur noch aus dem Zukunftsinvestitionsfonds. Im Jahr 2022 liegen die Investitionen in Kitas, Schule, Hort und Sport bzw. im KIP-Bereich noch bei 45 Millionen Euro. Im Jahr 2023 sinken sie um 3 Millionen Euro, im Jahr 2024 noch einmal um 4 Millionen Euro.
Die Mittel für Investitionen in Straßen und Brücken stagnieren – bei einem ohnehin zu geringen Ansatz. Das Gleiche gilt für die Zuweisungen für den Landesbetrieb Straßenwesen.
(Beifall BVB/FW)
Im Bereich Schule haben Sie den Rotstift angesetzt und sprechen von „Generationengerechtigkeit“. Nehmen wir die Schulsozialarbeit, die Einsatznachsorgeteams und die Schulgesundheitsfachkräfte: Regelmäßig wird hier und in den Medien betont, wie wichtig Ihnen das alles doch sei, wie wichtig Ihnen auch Prävention sei. Wir dürfen in der Tat kein Kind zurücklassen. Und jetzt tauchen die Schulgesundheitsfachkräfte nicht einmal mehr als Titel im Haushalt auf! Das ist die Realität.
(Beifall BVB/FW)
Meine Damen und Herren, erinnern Sie sich bitte an die Sommerzeit: Das ganze Land ächzte unter einer Dürre. Die anhaltende Hitze degradierte Flüsse zu kleinen Bächen. Viele Bäche trockneten ganz aus. Das Grundwasser wurde knapp; sogar von Rationierung war die Rede.
Wir als Fraktion haben eine landesweite Informationstour zur Wasserproblematik durchgeführt, die von sehr vielen Bürgern besucht wurde. Mit diesen Bildern im Kopf und Ihren Absichtserklärungen im Ohr hätten wir jetzt ein mutiges Voranschreiten erwartet, um die Wasserproblematik schnell in den Griff zu bekommen. Doch der Landesregierung ist dieses Thema, das wichtigste Lebensmittel der Welt, nur eine Steigerung um knapp eine Million Euro im Jahr wert, und das in dieser Situation. Wie man mit dieser kleinen Summe dieses existenzielle Thema in den Griff bekommen soll, erschließt sich uns nicht.
(Beifall BVB/FW sowie des Abgeordneten Domres [DIE LINKE])
Meine Damen und Herren! Das sind nur einige Beispiele dafür, wie hier Sachpolitik – besser: sogenannte Sachpolitik – gemacht wird.
Einer der größten und absurdesten Skandale in diesem Haushalt – das sollten alle wissen – ist unser Pannenflughafen BER. Die mit Abstand meisten Neuschulden werden aufgenommen, um die defizitäre Flughafengesellschaft weiter zu finanzieren. Während hier Sonntagsreden dazu gehalten werden, wofür die Kreditaufnahme angeblich notwendig ist, müssen alle wissen: Den größten Einzelposten bei der Schuldenneuaufnahme macht die Flughafengesellschaft aus. Die Landesregierung nimmt also – bei steigenden Zinsen! – Kredite auf, aber nicht, um damit Investitionen zu finanzieren, sondern um das Geld der FBB quasi zu überweisen, auf Deutsch gesagt, um es zum Fenster hinauszuwerfen. Sage und schreibe 290 Millionen Euro! Das sollten alle Bürger wissen und in einen Vergleich stellen mit den Kürzungen bei Schule, Gesundheit und in weiteren Bereichen.
(Beifall BVB/FW)
Spätestens zu diesem Zeitpunkt muss man all die rhetorischen Figuren – „Unterhaken“, „Doppelwumms“-Sprüche und ähnliche Durchhalteparolen – kritisch überprüfen und die Fakten bei Lichte betrachten.
Ja, meine Damen und Herren, in der Not ist es ein Gebot der Menschlichkeit, sich unterzuhaken und solidarisch zu sein. Das heißt aber nicht, dass deshalb Verantwortung vergessen werden darf. In einer solchen Krise, in der man sich unterhakt, wird gern vergessen, die absolut berechtigte Frage zu stellen: Welchen Anteil haben denn die Regierungen am Entstehen dieser Krise oder zumindest an deren Auswirkungen? Unserer Meinung nach einen ganz erheblichen Anteil!
(Beifall BVB/FW)
Es hat ja Gründe, dass wir schon vor der Krise die höchsten Strompreise Europas gezahlt haben. Deshalb ist es absurd, wenn es landauf, landab heißt, Deutschland habe zu wenig in erneuerbare Energien investiert, was uns jetzt auf die Füße falle.
Nein, Deutschland hat nicht zu wenig, sondern vor allem falsch investiert.
(Beifall BVB/FW)
In Brandenburg kann man sich wunderbar anschauen, wie der falsche Ausbau nicht zu Preissenkungen, sondern zu Preiserhöhungen führt. Die Landesregierung hat offenbar nichts aus den Krisen gelernt und will auch in Zukunft auf Windkraft setzen bzw. diese massiv ausbauen.
Anträge der Fraktion BVB / FREIE WÄHLER, andere – günstigere, umweltfreundlichere – erneuerbare Energien auf den Weg zu bringen, wurden brüsk abgelehnt. Wir haben Anträge gestellt, Photovoltaikanlagen auf dem Dach des BER anzubringen, in Tagebaufolgelandschaften zu installieren und deren Anbringung auf privaten Dächern stärker zu fördern. Alles wurde brüsk abgelehnt, auch mit den Stimmen der Grünen.
Meine Damen und Herren, wir hätten schon vor Jahren Programme auflegen können, um die Unabhängigkeit privater Haushalte von steigenden Strompreisen zu erhöhen. Stattdessen wurden und werden massiv Subventionen in Anlagen gepumpt, die sich bis heute kaum rechnen. Sie betreiben Klientelpolitik in Milliardenhöhe.
(Beifall BVB/FW)
Meine Damen und Herren, währenddessen wird das aktuell Notwendige, das Akute nicht gesehen. Lösungen werden verzögert, verhindert, blockiert. Die grünen Apostel des Zynismus haben bis zum Schluss die Verlängerung der Kernkraft blockiert. Sie wollen bis heute ein Ölembargo über Gebühr ab Januar durchsetzen – all das aus Stolz, aus Gnatz, weil man nicht wahrhaben will, was die Notwendigkeit ist, teils mit infantiler Selbstgerechtigkeit gepaart. Und dann wundern Sie sich, wenn die Menschen sagen: „Wir können das nicht leisten. Wir können das nicht tragen. Wir wollen das nicht tragen“?
(Beifall BVB/FW)
Meine Damen und Herren, Ihre Partei schwadroniert von Betrieben, die nicht pleitegehen, sondern nur nicht arbeiten. Während Sie Ihr Wild-Berry-Lillet-Glas in der Hand schwenken, dozieren Sie, dass wir kein Strom-, sondern ein Gasproblem hätten.
Deswegen braucht es in der Sanktions- und in der Energiepolitik ein Umsteuern, das nicht von Ideologie getrieben ist und sich nicht planlos dem Sturm aussetzt. Wenn jeder in der Koalition bereit ist, diese Geschäftsgrundlage über alles zu stellen, kann auch dieser Haushalt auf feste Füße gestellt und wahrlich sturmfest gemacht werden – mit Augenmaß und gesundem Menschenverstand.
Leitbild dabei muss sein, Wohlstand, Stabilität und Sicherheit in dem Land zu halten, für das man Verantwortung trägt.
(Beifall BVB/FW)
Das ist nichts Unsolidarisches, sondern eine demokratische Selbstverständlichkeit.
(Beifall BVB/FW)
In diesem Sinne werden wir als BVB/FREIE WÄHLER die Haushaltsdebatte begleiten, uns mit Änderungsanträgen einbringen und hoffen, dass sich das Land Brandenburg für die Stürme rüstet, Ideologie abbaut und im Bereich Sanktions- und Energiepolitik die Maßstäbe ansetzt, die es braucht, um Wohlstand, Sicherheit und Stabilität in unserem Land zu erhalten, und den Haushalt dem anpasst. Darauf setzen wir unsere Hoffnung. Darauf arbeiten wir hin. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall BVB/FW)