Philip Zeschman zu BVB/FW: Antrag zum verbesserten Abwasserreinigung sowie zum Bau von Rückhaltebecken -16.09.2022

16. Sep 2022

Rede von Philip Zeschmann in Textform:

Dr. Zeschmann (BVB/FW):

Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Verehrte Kollegen Abgeordnete, die am Freitagnachmittag noch hier sind! – Danke dafür. – Liebe Brandenburgerinnen und Brandenburger! Worum geht es hier? Es geht um die Sicherung der Versorgung mit dem wichtigsten Lebensmittel, das es gibt, nämlich mit Wasser. Sie wissen vielleicht, dass wir seit den 90er-Jahren deutlich höhere Durchschnittstemperaturen und dadurch natürlich auch eine deutlich stärkere Verdunstung zu verzeichnen haben. Das bedeutet, dass weniger Wasser am Boden ankommt bzw. weniger Wasser im Boden versickern kann, um unsere Grundwasserspiegel wieder anzuheben. Ebenso haben wir, was diesen Sommer sehr gut erlebbar war, seit Ende der 90er-Jahre im Sommerhalbjahr deutlich geringeren Niederschläge zu verzeichnen – übrigens nicht im Winter; das zeigt sich, wenn man die meteorologischen Daten auswertet.

Das Ganze hat zur Folge, dass die Grundwasserspiegel seit rund 25 Jahren, vielleicht sogar schon etwas länger, permanent sinken und auch die Wasserspiegel von grundwassergespeisten Seen wie dem Straussee, dem Pinnower See, dem Seddiner See und verschiedensten anderen, im ganzen Land Brandenburg verteilt, sinken. Auch sind die Pegelstände unserer Flüsse wie der Spree – das haben wir in diesem Sommer erlebt – sehr gering, und die Schwarze Elster trocknet regelmäßig aus.

Das sind klimatische Faktoren. Weitere Faktoren sind der Zuzug vor allem aus dem Land Berlin ins nähere und weitere Umland und Industrieansiedlungen wie Tesla, aber darüber hinaus auch andere, die nicht nur direkt im Berliner Umfeld erfolgen. Denn alle diese Ansiedlungen von Menschen, Industrie und Gewerbe brauchen natürlich Wasser. Das heißt, auch hierdurch kommt es zu einem steigenden Wasserverbrauch.

Hinzu kommt, dass es im Land Brandenburg zum Beispiel im Vergleich zu Berlin größere Gärten gibt, die bewässert werden müssen, und dass bei den immer höher werdenden Temperaturen offensichtlich Pools sehr in Mode sind, die regelmäßig mit Frischwasser befüllt werden müssen. Das Ganze hat einen permanent steigenden Verbrauch zur Folge, bei gleichzeitig deutlich zurückgehenden Einträgen von Regenwasser in die Natur bzw. in den Boden und damit sinkenden Grundwasserspiegeln.

Was haben diese und vorherige Landesregierungen getan, um diese schwerwiegenden und nur langfristig behebbaren Risiken für unser aller Trinkwasserversorgung zu beseitigen? – Überhaupt nichts!

Das Landesamt für Umwelt genehmigt nur begrenzte Fördermengen für Grundwasser; die Menge reicht nicht aus, um die Bedarfe der Verbände abzudecken. Zumindest in einigen Regionen des Landes Brandenburg ist dies zwischenzeitlich schon sehr kritisch. Die Landesregierung plant darüber hinaus einen sogenannten Klimaabschlag bei genau diesen Fördermengen. Laut momentanem Sachstand sollen sie pauschal um 20 % abgesenkt werden. Wenn das auch für bestehende Fördergenehmigungen eingeführt werden sollte, dann würde das direkt im nächsten Sommer reihenweise zu Verknappungen und Rationierungen führen, und dies deutlich extremer und verschärfter als in diesem Jahr, in dem einzelne Gemeinden und Kreise diese bereits verhängt haben.

Die Landesregierung hat also leider – das ist sehr bedauerlich, denn es geht um das wichtigste Lebensmittel, das Trinkwasser – keinerlei technische oder organisatorische Lösungsansätze. Im Gegenteil. Sie verschärft die Wasserknappheit durch die Einführung eines Klimaabschlags noch künstlich.

(Beifall BVB/FW)

Kein anderes Bundesland geht so vor. Es gibt bisher, landauf, landab keine derartigen Klimazuschläge.

Was sind die Reaktionen der Wasserverbände in den besonders betroffenen Regionen, die, sicherlich spätestens im nächsten Jahr, wenn wir wieder einen so trockenen Sommer wie diesen und auch schon wie die letzten zuvor erleben, auch in anderen Regionen zum Tragen kommen werden? Die Satzungen werden geändert, die Verbräuche insbesondere von privaten Haushalten werden gedeckelt. Im Falle des WSE sind es beispielsweise 105 Liter pro Person und Tag. Dazu müssen wir wissen, dass der aktuelle Durchschnittsverbrauch in dem Verbandsgebiet bei 175 Litern pro Person und Tag und der bundesweite Durchschnitt bei 125 bzw. 126 Litern liegt. Man möchte also hier in Brandenburg von einem deutlich höheren Verbrauch als der bundesweite Durchschnitt auf einen deutlich niedrigeren Wert kommen. Das gilt für Bestandskunden erst ab 2025, für neu Zuziehende allerdings sofort.

Noch gravierender und wirklich problematisch und kritisch ist, dass der Wasserverband keinerlei Einvernehmen mehr zu irgendwelchen kommunalen Bauleitplänen erklärt. Das bedeutet: keine Kitas, keine Schulen, keine Wohngebiete, keine Gewerbeflächenerweiterung, ein Einfrieren jeglicher Entwicklung im gesamten Verbandgebiet – also einen völligen Entwicklungsstopp für die Kommunen.

Was sind nun die Probleme auf Landesebene bzw. der Landesregierung?

Die Wasserverbände können, wie ich versucht habe aufzuzeigen, die Probleme vor Ort überhaupt nicht lösen, weil sie von den Genehmigungen des LfU abhängig sind. Was müsste auf Landesebene minimal erfolgen, um die Probleme zunächst kurz- und mittelfristig anzugehen? Ein interregionaler Ausgleich muss dringend organisiert werden.

(Beifall BVB/FW)

Wenn Sie sich die Karte anschauen, wie die Ausnutzung der Wasserressourcen bzw. Wasserreserven, der sogenannten Wasserdargebote im Land Brandenburg ist, werden Sie sofort erkennen: Es gibt einige Regionen, in denen die Ausnutzung noch relativ gering ist; aber es gibt auch viele Regionen – das sind nicht nur Tesla und die WSE-Region, sondern auch die Lausitz und einige Gebiete im Havelland -, die die Wasserdargebote heute schon zu mehr als 100 % ausnutzen. Folglich ist die wichtigste Aufgabe der Landesregierung, zu gewährleisten, dass ein Austausch der Wassermengen stattfindet.

(Beifall BVB/FW)

Da die Verbandsgebiete aneinandergrenzen, brauchen wir auch keine Fernleitungen zu bauen, sondern es sind nur die Leitungsverbindungen zwischen den Verbandsgebieten geringfügig auszubauen.

Weiterhin haben wir das Problem, dass im Landeswassergesetz von Brandenburg keine Verantwortlichkeiten der Landesregierung für dieses überaus wichtige Thema festgehalten sind. Man kann sich nicht immer hinstellen und sagen: Wir sind nicht zuständig, das sollen mal die Wasserverbände machen. – Denn diese sind bekanntlich von den Genehmigungen des Landesamtes für Umwelt abhängig, das dieses für die Förderung erteilt. Deshalb muss auch das Landeswassergesetz geändert, und hier muss eine klare Zuständigkeit formuliert werden, so wie es auch in Sachsen und Berlin der Fall ist. Dazu wird es in der nächsten oder übernächsten Sitzungsrunde sicher noch entsprechende Anträge von uns geben.

Damit sind wir auch schon beim Thema: Die Landesregierungen von Brandenburg und Berlin arbeiten bei diesem Thema überhaupt nicht zusammen – ganz im Gegensatz zu den Wasserverbänden, die schon lange eine Arbeitsgruppe haben – also, die Berliner Wasserverbände und alle angrenzenden Umlandwasserverbände in Brandenburg -, die beiden Landesregierungen seit Jahren die Probleme aufzeigt und sagt: Hier braucht es dringend Lösungen, denn es dauert Jahrzehnte, das Grundwasser zu erhöhen bzw. das Absinken der Grundwasser zu stoppen. Je nachdem, wie tief es ist, dauert es zehn bis 50 oder sogar 60 Jahre, bis das Regenwasser, das heute auf der Oberfläche aufkommt, bis in die Grundwasserleiter durchsickert. Man hat hier also jahrzehntelang die Lösung der Probleme verschlafen.

Auch die Vorlage der sogenannten Gesamtwasserstrategie der Landesregierung und des MLUK im März dieses Jahres hat leider nicht weitergeholfen, weil auch dazu alle Fachleute erklärt haben, sie beruhe auf veralteten Daten; und die einzelnen Aufgabenstellungen, die im Landtagsbeschluss vom 26. August 2020 aufgeführt waren, sind nicht umgesetzt, sondern lediglich in Maßnahmenpakete gegossen worden, die man dann vielleicht bis 2025 abarbeiten will. Das ist aus unserer Sicht – –

Vizepräsident Galau:

Herr Dr. Zeschmann, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Dr. Zeschmann (BVB/FW):

Nein, ich würde das gern erst einmal zu Ende bringen. – Das heißt, man will jetzt noch weiter erkunden – was man eigentlich bis zum 31. Dezember 2021 hätte abschließen müssen -, offensichtlich in völliger Ignoranz gegenüber der Problematik, dass man schon vor Jahrzehnten hätte handeln müssen, um ein weiteres Absinken der Grundwasserspiegel mit den katastrophalen Folgen, die wir jeden Sommer beobachten können, zu verhindern.

Welche Lösungsansätze gibt es nun? Die dezentralen Lösungsansätze kennen Sie alle; sie waren in diesem Sommer in der Diskussion: Regenwasser systematisch für die Bewässerung von Gärten und Grünanlagen nutzen; Regenwasser möglichst auch im Haus für Toilettenspülung und Waschmaschinen nutzen, mit doppelten Wasserkreisläufen. Dafür braucht man Förderprogramme, die dies bei Bestandsbauten ermöglichen, und eine Änderung der Landesbauordnung in Hinsicht auf Neubauten. Auch dazu wird in den nächsten Sitzungen sicher etwas vorgelegt werden.

Weiterhin ist erforderlich, dass das Land bei so wichtigen Fragen wie der mittel- und langfristigen Sicherung unser aller Trinkwasserversorgung mit gutem Beispiel vorangeht; also müssen auch Regenwassersammelanlagen für landeseigene Immobilien vorgeschrieben

(Beifall BVB/FW)

und möglichst innerhalb einiger Jahre nachgerüstet werden. Bei Neubauten sollte es sich von selbst verstehen, dass diese eingebaut werden. Ebenso sieht es bei Industrie und Gewerbe aus. Bei hohen Flächenversiegelungen sollten auch hier entsprechende Regenwassersammelsysteme installiert werden, um Prozesswasser daraus zu generieren und die Toilettenspülung zu betreiben.

Was ist nun auf Landesebene dringend erforderlich? Ich hatte bereits angesprochen: kurzfristig ein gemeinsames Wassermanagement mit Berlin – das ist unser Antrag aus dem Mai, der an den Ausschuss überwiesen wurde und am 28. September behandelt wird – und mittelfristig die Organisation eines interregionalen Ausgleichs zwischen den grundwasserreichen und grundwasserarmen Gebieten, damit wir auch in den nächsten Jahren nicht in einigen Regionen im wahrsten Sinne des Wortes auf dem Trockenen sitzen. Es kann ja nicht sein, dass jegliche Kommunalentwicklung, auch der Bau von Kitas und Schulen, nicht mehr möglich ist, weil der Verband sagt: Wir haben dafür kein Wasser. – Das bedeutet nämlich, ich muss mich demnächst bei uns in der Gemeinde hinstellen und den Leuten sagen: Wir konnten leider keine Grundschule für eure Kinder bauen, ihr habt jetzt keinen Schulplatz, weil es kein Wasser dafür gibt. – Das ist eine Tatsache, und das ist nicht nur bei uns so.

Langfristig wirksame wichtige Weichenstellungen – jetzt komme ich zu den konkreten Anträgen – sind zwei Dinge: Wir brauchen die zwei Säulen des Wassers, das wir haben: einmal das Regenwasser und einmal das Klarwasser, also das, was aus den Kläranlagen kommt. Bei beiden müssen wir dafür sorgen, dass es vor Ort gehalten und versickert werden kann.

(Beifall BVB/FW)

Nur so können wir mittel- und langfristig die Grundwasserspiegel stabilisieren; von erhöhen rede ich noch nicht einmal. Deshalb der Antrag, Regenwasser durch den Bau von Rückhalteanlagen systematisch zu sammeln und dazu die Kommunen finanziell zu fördern, da sie das sonst nicht tun können, denn sie haben andere Pflichtaufgaben. Nun wird mir gesagt: Das kostet ja riesige Summen. – Nein, das stimmt nicht. Die Wasser- und Bodenverbände pflegen schon seit vielen Jahren die Gräben, Teiche und Tümpel, nur haben sie leider den Auftrag, das Wasser schnellstmöglich abzuleiten, weil sie ursprünglich einmal für die Entwässerung aufgestellt wurden. Sie müssen einfach das Wasser halten, in den vorhandenen Bauwerken sichern und zur Versickerung bringen.

Bei den Klärwerken ist es ähnlich. Jetzt dürfen wir das Wasser, das aus den Klärwerken kommt, nicht versickern, weil wir keine vierte Klärstufe haben und noch Medikamentenrückstände, Hormone, Mikroplastik und Ähnliches darin ist. Das heißt, das Wasser geht hinaus in den Vorfluter, in den Fluss, dann in die Spree, in die Elbe und in die Nordsee, und dann ist es weg. Also muss sichergestellt werden, dass durch den Einbau einer vierten Klärstufe auch dieses Wasser – alles, was wir in Brandenburg verbraucht haben – in der Region gehalten und versickert wird, um den Grundwasserspiegel anzuheben.

Ich freue mich jetzt erst einmal auf die Diskussion zu diesem wichtigen Thema, das aus meiner Sicht seit Jahrzehnten im Land Brandenburg verschlafen wurde, und hoffe sehr, dass sie sich daran orientiert, die Versorgung mit dem wichtigsten Lebensmittel für uns alle mittel- und langfristig sicherzustellen.

– Danke.

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