Péter Vida zum Tätigkeitsbericht der Beauftragten „Aufarbeitung der kommunistischen Diktatur“ – 15.09.2022

15. Sep. 2022

Rede von Péter Vida in Textform:

Péter Vida (BVB/FW):

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Das war kein freudscher Versprecher, sondern nur ein Versprecher.

Meine Damen und Herren, auch von unserer Fraktion vielen Dank an Frau Dr. Nooke und ihre Mitarbeiter für den erneut detaillierten und sehr umfassenden Bericht. Die Beauftragte ist wahrlich eine glaubwürdige Kämpferin für Wahrheit, Aufklärung und Gerechtigkeit.

(Beifall BVB/FW)

Deutschland feiert am 3. Oktober den 32. Jahrestag der Wiedervereinigung. Deswegen ist es gut, jetzt hier über den Tätigkeitsbericht zu sprechen. Wie Frau Nooke am Ende des Berichts in einem Interview darstellt, waren die beiden Berichtsjahre 2020/21 für sie und ihr Team eine große Herausforderung. Sie hatten den Anspruch, ihre Arbeit trotz der Pandemie so gut wie möglich fortzuführen, und dies ist ihnen – wie man nach Durchsicht des Berichts feststellen kann – auch hervorragend gelungen.

Das bedeutendste Projekt war sicherlich die Begleitung und Veröffentlichung der Sozialstudie. Es ist von großer Bedeutung, sich die wichtigsten Ergebnisse dieser Studie noch einmal genauer anzuschauen: Darin wird festgestellt, dass bei vielen eine bis heute anhaltende Belastung aufgrund der politischen Verfolgung in der SBZ und DDR gegeben ist, wie ein vergleichsweise niedriges Einkommen. So ist es meines Erachtens alarmierend, dass 27 % der Befragten ein monatliches Nettohaushaltseinkommen von unter 1 000 Euro haben, sich also zu den Erfahrungen der politischen Verfolgung und der damit einhergehenden psychischen Belastung auch noch die soziale Not gesellt – und sie dann natürlich die Wertschätzung seitens der Gesellschaft infrage gestellt sehen.

Ebenfalls wird eine schlechte gesundheitliche Lage attestiert: 57 % der Betroffenen schätzen ihren gesundheitlichen Zustand als schlecht oder sehr schlecht ein – was ich für ein alarmierendes Ergebnis halte -, gepaart mit den großen Belastungen während der langwierigen Anerkennungs- und Entschädigungsverfahren – worauf viele schon hingewiesen haben -, und den damit einhergehenden belastenden Auswirkungen auf die Angehörigen, die wir nicht vergessen dürfen.

Die Studie offenbart auch, dass die politische Verfolgung und das erlittene Unrecht noch Jahrzehnte später auf die menschliche Seele wirken. Das führt zu Beeinträchtigungen bei der Teilhabe am täglichen Leben, zu Krankheit und zu sozialem Abstieg und belastet neben den Opfern – wie gesagt – auch die Angehörigen wie die eigene Familie.

Auf Grundlage der Studie entwarf die Landesbeauftragte das Modellprojekt Traumaberatung für Menschen mit psychischen Belastungen, die Hilfe suchen. Die jeweiligen Standorte – Senftenberg, Neuruppin, Potsdam – werden gut angenommen. Wie die Studie zu Recht anmerkt, benötigen von politischem Unrecht in der SBZ und DDR Betroffene häufig ein Unterstützungsangebot, das zeitlich zwar eng begrenzt ist, aber in den belastenden Situationen unkompliziert und mit wenig Aufwand wahrgenommen werden kann und auch keine langfristige Bindung verlangt. Das Angebot der Traumaberatung sollte daher weiter ausgebaut und noch wohnortnaher gestaltet werden. Ein Bedarf ist nach den Erkenntnissen der Studie unzweifelhaft vorhanden.

(Beifall BVB/FW sowie vereinzelt B90/GRÜNE)

Meine Damen und Herren, in den Berichtszeitraum fällt auch das Gedenken an den 60. Jahrestag des Mauerbaus, an die Mauer – als Symbol eines Unrechtsstaats -, deren Wände ganze Familien auseinanderrissen und die Grenzen eines Staates schufen, dessen Legitimität von vielen zu Recht in Zweifel gezogen wurde. Bei der zentralen Gedenkveranstaltung letztes Jahr am 13. August in Hohen Neuendorf, bei der ich dabei sein durfte, wurden die Namen der Mauertoten verlesen und in einer sehr würdevollen, bedrückenden, aber auch sehr andächtigen Weise präsentiert. Ich glaube, es hat allen gutgetan, dass es so veranschaulicht wurde und dem Ganzen trotz all des Schreckens auch diese würdigende Note verliehen wurde. Das wurde von der Beauftragten gut herausgestellt und begleitet.

(Beifall des Abgeordneten Stefke [BVB/FW])

Meine Damen und Herren, die Beratung der ehemaligen DDR-Heimkinder gehört seit Anbeginn zu den Beratungsschwerpunkten der LAkD. Die Schilderung ihrer Geschichten ist erschütternd und zeugt von dem Leid, das diesen Menschen bereits in jungen Jahren widerfahren ist. Vieles davon ist erst nach der Wende in seiner Dimension deutlich geworden. Deswegen ist es so wichtig, dass eine lange nachwirkende Aufklärung und Unterstützung sichergestellt ist.

(Beifall der Abgeordneten Hildebrandt [SPD])

Ein weiterer Punkt ist die Anlauf- und Beratungsstelle: Sie berät Menschen, die vor 1990 als Minderjährige in Psychiatrien und Behinderteneinrichtungen Leid und Unrecht erlitten haben. Aufgrund der hohen Anmeldezahlen von Betroffenen wurde im Berichtszeitraum sogar das Team von fünf auf zehn Mitarbeitern aufgestockt, um die Zahl der Beratungsgespräche zu erhöhen und die administrative Bearbeitung zu beschleunigen, was uns nochmals zeigt, wie notwendig die Arbeit und eine ausreichende, auskömmliche Ausstattung weiterhin sind.

Des Weiteren durften wir im Hauptausschuss erfahren, dass sich die Akteneinsichtsanträge zwar nicht auf dem Niveau der 90er-Jahre, aber weiterhin auf einem hohen Niveau befinden. All dies zeigt uns, dass diese vielfältige, einfühlsame, von Sachverstand geprägte Arbeit gebraucht wird, die Tätigkeit fortgesetzt werden muss, die Tätigkeit unsere Wertschätzung braucht und die Opfer offensichtlich und notwendigerweise weiterhin unsere großzügige Unterstützung verdienen. – Vielen Dank.

(Beifall BVB/FW sowie vereinzelt SPD, B90/GRÜNE und DIE LINKE)

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