Sommerinterview mit Fraktionsvorsitzendem Péter Vida (BVB / FREIE WÄHLER)

25. Jul 2022

Péter Vida, Fraktionsvorsitzender der BVB / FREIE WÄHLER Fraktion im Sommerinterview mit Benjamin Lassiwe, dem Vorsitzenden der Landespressekonferenz

Peter Vida im Interview zu Intendantin Schlesinger, Regionalbahnlinien, Wasserversorgung und Landwirtschaft

BVB/Freie Wähler ist die kleinste Fraktion im Brandenburger Landtag. Doch dem Fraktionsvorsitzenden Peter Vida und seinen vier Kollegen gelingt es immer wieder, Themen von der kommunalen Basis vor Ort auf die Landesebene zu hieven.

Link zum Interview mit Peter Vida „Beim RBB entsteht Kontrollverlust“ – SVZ , 24.07.2022

Herr Vida, als Abgeordneter sind Sie auch Mitglied im Hauptausschuss des Landtags. Wie bewerten Sie den Fall Schlesinger?

Als ich das erste Mal vor drei Wochen davon hörte, dachte ich, dass das nicht sein könne. Die Vorwürfe klangen so dreist und stillos, ich hatte den Eindruck, dass das nicht zu Frau Schlesinger passen würde. Aber wenn dem tatsächlich so gewesen ist, müssen wir Konsequenzen ziehen. Denn das wäre ein riesiger Vertrauensverlust für den RBB und für die ganze ARD.

Welche Rolle spielt denn der öffentlich-rechtliche Rundfunk aus Ihrer Sicht?

Wir brauchen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk als Informationsmedium. Wir brauchen die Qualität und die regionale Kompetenz des RBB und die Verankerung seines Programms vor Ort in den Regionen. Aber wir beobachten auch eine gewisse Verselbständigung. Das Angebot des RBB verbreitert sich immer mehr. Und es gibt keine gesellschaftliche Diskussion darüber. Es wird einfach immer mehr Geld ausgegeben, und niemand fragt: Warum eigentlich? Und: Wofür? So entsteht eine Mentalität des Kontrollverlustes, die dann so ein Verhalten, wie wir es jetzt womöglich bei der Intendantin erleben, schon etwas begünstigt.

Sollte Frau Schlesinger von ihrem Amt zurücktreten?

Ich bin Anwalt und deswegen bin ich immer ein Freund davon, auf beide Seiten zu hören. Ich kritisiere deswegen deutlich, dass sich Frau Schlesinger nicht im Hauptausschuss geäußert hat. Aber es gibt einen Fragenkatalog der Staatskanzlei, die hier wirklich sehr schnell reagiert hat. Und es gibt einen Fragenkatalog vom Hauptausschuss. Die Antworten schauen wir uns an und auf Grundlage dessen bewerten wir das. Und sollten sich die Vorwürfe bestätigen, dann ist Patricia Schlesinger als Intendantin in der Tat nicht zu halten.

Wo müsste denn der RBB künftig besser werden?

Ich glaube, der RBB müsste ein bisschen mehr Demut an den Tag legen. Es täte dem Sender gut, würde man dort erkennen, dass man finanziell – auch gegenüber anderen Medien – sehr privilegiert ist. Der Sender sollte sich als Dienstleister begreifen, der de facto im Vergleich zu anderen ohne finanzielle Engpässe handeln und agieren kann und trotzdem verpflichtet ist, Sparsamkeit an den Tag zu legen, die Kunden und Zuschauer im Blick zu haben und vor allem die regionale Diversifizierung in den Blick zu nehmen. Und dazu gehört es dann auch, die eine oder andere Berlinlastigkeit zu überwinden und wieder mehr Programme in, aus und über Brandenburg zu produzieren.

Ein Themawechsel: BVB/Freie Wähler hat immer damit geworben, dass Ihnen Kommunalpolitik besonders wichtig ist. Nun haben viele Brandenburger Kommunen arge finanzielle Probleme. Was schlagen Sie vor?

Ich glaube, wir müssen uns ehrlich machen. Wir müssen erkennen: Wenn es in so vielen unterschiedlichen Regionen und vor so unterschiedlichen politischen und historischen Hintergründen im Land überall zu Problemen kommt, dann kann das nicht am Versagen Einzelner liegen. Dann ist das ein  strukturelles Problem. Dazu gehört aus unserer Sicht die schamlose Rücklagenbildung in den Landkreisen, die einhergeht mit einer teils massiven  Steigerung der Kreisumlage. Mittlerweile macht die Kreisumlage extrem hohe Prozentsätze der kommunalen Haushalte aus. Und die Kommunen haben kaum Möglichkeiten, bei der Verwendung dieser Mittel mitzureden. Dazu kommt, dass wir im Land immer wieder Aufgaben an die Kommunen abgeben. Oft sagen wir, dass manches freiwillige Aufgaben seien, so dass die Kommunen dafür keinen extra-Zuschuss bekommen. Aber natürlich erwartet die Bevölkerung dann ganz zu Recht, dass diese Aufgaben auch wahrgenommen werden. Ich glaube deswegen, wir müssen uns im Land stärker als bisher um die Kommunalfinanzen kümmern – hier ist noch viel Luft nach oben.

Braucht es auch eine stärkere Förderung der Kommunen durch das Land? Und was ist mit den kommunalen Abgaben?

Bei den kommunalen Abgaben haben wir eine ganz klare Position: Die wollen wir begrenzen und einer strengen Kostenkontrolle unterwerfen. Es ist eine Legende, die in diesem Land gesponnen wird, dass die Kommunen die Abgaben als explizite Einnahmequelle bräuchten. Kommunalabgaben verursachen Bürokratie, erschöpfen die Bürger und sorgen für Konflikte in der Kommune. Wir brauchen stattdessen eine stärkere finanzielle Förderung der Kommunen im Bereich der Schlüsselzuweisungen. Dabei muss endlich auch die Fläche ein Faktor sein: Bisher werden die Zuweisungen für die Kommunen immer an der Einwohnerzahl bemessen. Aber eine Kommune mit 20 Ortsteilen in einer dünn besiedelten Gegend hat ganz andere Voraussetzungen als eine Stadt im Speckgürtel.

Zum Stichwort „dünn besiedelte Gegend“: Ihre Fraktion engagiert sich auch für den Erhalt der Regionalbahnlinien im Norden des Landes. Warum?

Wir denken, dass man den Nahverkehr nicht betriebswirtschaftlich betrachten darf. Man muss ihn unter volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten sehen. Es mag sein, dass manche Strecken sich ökonomisch nicht rechnen. Sie sind aber wichtig, wenn es darum geht, überall im Land gleichwertige Lebensverhältnisse zu schaffen. Die Grünen sind angetreten mit dem Versprechen, Bahnlinien zu erhalten. Nun erleben die Menschen, wie eine Landesregierung mit grüner Beteiligung Strecken stilllegen will. Das ist frustrierend für die Leute in der Region. Wir brauchen in Brandenburg nicht weniger, sondern mehr Bahnstrecken und bessere Taktungen. Und wir müssen immer wieder penetrant auf diese Probleme hinweisen: Denn nur so vermeiden wir, dass bestimmte Regionen abgehängt werden.

Es gibt Unterschriftensammlungen sowohl für die RB 63 als auch für die RB 73/74, die eine vom Bahnkunden- verband, die andere vom Amt Meyenburg. Unterstützen die Freien Wähler das?

Der Meyenburger Bürgermeister ist ja Kreistagsabgeordneter der Freien Wähler. Deswegen stellt sich diese Frage eigentlich gar nicht. Und was die RB 63 betrifft, haben wir in sämtlichen Haushalten entlang der Strecke Flyer verteilen lassen, um auf die Unterschriftensammlungen hinzuweisen. Insofern kann ich, denke ich, guten Gewissens sagen, dass die Unterschriftensammlung auch durch uns einen erheblichen Katalysator erfahren hat.

Und wie soll es jetzt weitergehen?

Wir haben demnächst die Haushaltsberatungen: Da werden wir alle beim Wort nehmen, die sich jetzt öffentlich für den Erhalt der Bahnstrecken eingesetzt haben. Beim Haushalt werden sie sich an ihren Taten messen lassen müssen. Und wir werden das Thema auch im Verkehrsausschuss weiterführen. Denn Druck erzeugt Bewegung, das ist ein physikalisches Gesetz. Und das gilt in der Politik genauso wie in der Physik. Ein Thema in Brandenburg wird in den nächsten Jahren auch der Wasserverbrauch sein. Was erwartet das Land da? Zunächst muss man ja sagen, dass sich alle Befürchtungen, Sorgen und Kritikpunkte, die unser von den anderen viel gescholtener Abgeordneter Dr. Zeschmann in Bezug auf Tesla und den Wasserverbrauch vorgetragen  at, bislang bewahrheitet haben. Das waren keine abwegigen Theorien, sondern es war vorausschauende Kritik. Und wir gucken dort auch weiter so genau hin, weil die Wasserversorgung eines der elementarsten menschlichen Bedürfnisse ist. Wir machen deswegen eine Reihe von Informationsveranstaltungen im August genau zu diesen Themen. Wir müssen über Kalendersprüche und Spartipps hinauskommen und die Probleme auch strukturell angehen.

Was schlagen Sie vor?

Fakt ist eins: Wir müssen die Wasserversorgung ganzheitlich mit Berlin denken. Wir sind als Land Energieversorger für Berlin. Aber bei der Wasserversorgung könnten die Umlandkommunen auch von Berlin profitieren. Es hängt aber daran, dass man das Problem nicht leugnet. Und dann hat das natürlich auch etwas mit der Stadt- und Raumplanung zu tun: Einerseits versagt man den Kommunen im ländlichen Raum Entwicklungsmöglichkeiten, andererseits lässt man im Berliner Umland eine extreme Verdichtung zu. Da darf man sich nicht wundern, wenn die Wasserversorgung irgendwann nicht mehr funktioniert. Da muss die Bremse angezogen werden. Außerdem gilt es, weitere Grundwasserleiter in einigen Regionen Brandenburgs zu erschließen, und die Abwasserverbände bei einem Austausch zwischen den Regionen zu unterstützen.

Und wie sehen Sie das Verhältnis zwischen Bürgern und Unternehmen, was den Wasserverbrauch angeht?

Der Bürger muss Vorrang haben. Jeden Versuch, das irgendwie aufzuweichen, halte ich für gefährlich. Wenn es Rationierungen gibt, muss der Bürger vor den Unternehmen kommen.

Und was ist mit der Landwirtschaft? Soll man in Brandenburg noch Felder beregnen?

Wir haben beim Wassermangel ja ein strukturelles Problem. Ich bin kein Freund davon, bei diesem Thema über irgendwelche spektakuläre Einzelmaßnahmen zu diskutieren. Wir brauchen strukturelle Antworten. Daher glaube ich, dass Einzelverbote nicht die richtige Antwort sind.

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