Philip Zeschmann zum Antrag von BVB/FW: „Erhalt der Gasnetze ein“ – 24.06.2022

24. Juni 2022

Rede von Philip Zeschmann in Textform:

Dr. Philip Zeschmann (BVB/FW):

Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Werte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Liebe Brandenburgerinnen und Brandenburger! Worum geht es hier zentral? Es geht um die Absicherung unserer gesamten Energieversorgung, insbesondere des sogenannten Wärmemarktes – also der Beheizung, im Groben gesagt – mittels resilienter Lösungen. Was Resilienz ist, haben wir in den letzten Jahren, in der Coronakrise, und aktuell aufgrund der Auswirkungen des Ukrainekrieges auf unangenehme Weise gelernt: „[die] Fähigkeit, schwierige Lebenssituationen ohne anhaltende Beeinträchtigungen zu überstehen“. Und das gilt eben auch für die Gesamtgesellschaft und in diesem Fall für die Energieversorgung.

Auf den Wärmemarkt entfallen rund 1 300 Terrawattstunden pro Jahr – mehr als die Hälfte des Energieverbrauchs in Deutschland. Natürlich kann keine Resilienz gewährleistet werden, wenn wir uns bei der Energieversorgung allein auf ein Netz, nämlich das Stromnetz und dessen spätestens nach dem 2023 vollzogenen Ausstieg aus der Atomenergie gefährdete Versorgungssicherheit, verlassen. Denn wenn hier irgendein Problem auftritt – Dunkelflaute, zu wenig Reservekapazität, Überlastung der Netze, Blackouts -, sitzen wir vor allem im Winter nicht nur im Dunkeln, sondern auch noch im Kalten. Das wäre ein noch schlimmerer Fehler als die Tatsache, dass man sich in der Energiepolitik der letzten Jahrzehnte bei den Gaslieferungen mehr oder weniger auf einen einzigen Lieferanten verlassen hat. Gerade im aktuell für unsere Energieversorgung besonders kritischen Umfeld wäre das nicht nur verantwortungslos, sondern – tut mir leid – russisches Roulette auf Kosten unserer Bürgerinnen und Bürger, unserer Unternehmen und unserer Wirtschaft.

(Beifall BVB/FW)

Genau darauf steuern wir – forciert durch die Politik von Bund und EU – jedoch zu, denn es werden nicht nur immer neue politische Anreize gesetzt, damit Hausbesitzer ihre Gasheizung durch eine strombetriebene Wärmepumpe ersetzen; ab 01.01.2024 soll der Austausch alter Öl- und Gasheizungen durch einen neuen Gas- Brennwertkessel verboten werden, weil dann alle neu installierten Heizsysteme mindestens zu 65 % erneuerbare Energien nutzen müssen. Das bedeutet, dass die gesamte Last des Wärmemarktes – wie gesagt, mehr als 50 % des Primärenergiebedarfs – ab diesem Zeitpunkt zusätzlich und fortschreitend auf das Stromnetz übergeht und der Strombedarf entsprechend extrem steigt. – Wo soll so viel Strom herkommen?

(Hünich [AfD]: Windräder!)

Bitte sagen Sie jetzt nicht, aus dem Ausbau der erneuerbaren Energien,

(Dr. Berndt [AfD]: Doch!)

von Windkraft und Photovoltaik! Denn auch Sie sollten inzwischen wissen, dass bereits die fortschreitende Umstellung des Verkehrssektors auf E-Mobilität mittelfristig zu einem deutlichen Anstieg des Strombedarfs aus erneuerbaren Energien, aus Wind und PV, führen wird, die diesen nicht und schon gar nicht in gleichbleibendem Maße werden decken können.

(Beifall BVB/FW und des Abgeordneten Hünich [AfD])

Hinzu kommt, dass das Stromnetz überhaupt nicht auf eine großflächige Bereitstellung von Heizstromleistung ausgelegt ist, also darauf, den dann aufgrund des Heizbedarfs im Winter erheblich ansteigenden Stromverbrauch verkraften zu können. Dies wird die Leistungsfähigkeit der bisherigen Stromnetze und die Kapazität der Reservekraftwerke – sofern vorhanden, wir hatten hier entsprechende Anträge gestellt – bis weit über die Belastungsgrenze hinaus beanspruchen. Denn bei der Planung und dem Aufbau dieses Netzes, das ja seit Jahrzehnten existiert und fortentwickelt wurde, ist man natürlich von den vorhandenen Heizungen mit Erdgas, Öl und Holzpellets ausgegangen. Ein erheblicher Strombedarf für elektrisches Heizen im Winter war nicht eingeplant.

Wenn wir dann noch – on top! – den durch einen Einstieg in die Wasserstoffwirtschaft – davon hören wir auf Landesebene von Herrn Minister Steinbach und auch auf Bundesebene – mittel- bis langfristig massiven zusätzlichen Strombedarf für Industrie, Haushaltsheizung und Verkehrssektor – beides über bereits verfügbare Brennstoffzellen möglich – bedenken, wird noch klarer, in welch dramatische Abhängigkeit eines gleich mehrfach überlasteten Stromnetzes wir durch die Aufgabe der Gasnetze geraten würden. Denn nach dem heutigen Stand der Technik liegt der Wirkungsgrad der Wasserstofferzeugung und Rückverstromung bei rund 30 %, was logischerweise eine Verdreifachung der Stromerzeugung im Vorfeld erfordert. Auf diese Weise würde der Start in die langfristig wichtige und zukunftsweisende Wasserstoffwirtschaft bereits im Keim erstickt, weil wir noch nicht einmal den Strom für den Wärmemarkt bereitstellen können.

Wollen Sie das wirklich riskieren, werte Kollegen von den Grünen? Wir wollen es nicht, weil wir eine Gesamtverantwortung für unsere Bürgerinnen und Bürger und für eine funktionierende Wirtschaft tragen und weil eine jederzeitige Sicherheit der Energieversorgung für das Funktionieren unseres Gemeinwesens zentral ist. Das ist gerade in der heutigen Zeit auf eine resiliente Weise – also über die Nutzung mehrerer Netze und eine breite Diversifizierung der Energieträger und -lieferanten – unabdingbar sicherzustellen.

Damit wir dabei alle hier im Haus vertretenen Fraktionen mitnehmen und ihnen die Chance geben können, sich inhaltlich einzubringen und alle Facetten dieses wichtigen Themas zu durchdenken, schlagen wir selbst vor, diesen Antrag an den AWAE, den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Energie, zu überweisen. Wir freuen uns auf eine konstruktive Diskussion. – Danke.

(Beifall BVB/FW)

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