Rede von Matthias Stefke in Textform:
Matthoias Stefke (BVB/FW):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer an den Bildschirmen! Die Verfassung des Landes Brandenburg wurde im April 1992 als Entwurf vom Landtag verabschiedet und am 14. Juni desselben Jahres von der Bevölkerung in einem Volksentscheid mit über 94 % der gültigen Stimmen angenommen.
Eine Verfassung ist das zentrale Rechtsdokument eines Staates, man könnte auch sagen: das ranghöchste Regelwerk, welches das organisierte Zusammenleben einer Gesellschaft prägt, aber auch sittlich-moralische Orientierung gibt oder zumindest geben soll. Deshalb wird eine Verfassung in der Regel nicht beliebig verändert. Damit hebt sie sich auch dadurch von sonstigen Regelungen wie Gesetzen oder Verordnungen etc. ab. Das erforderliche Quorum für eine Verfassungsänderung, eine Zweidrittelmehrheit, wurde zu diesem Zweck bewusst gewählt. Lediglich sieben Änderungen an der Landesverfassung Brandenburgs in 30 Jahren, zuletzt am 16. Mai 2019, sind im Übrigen Beleg dafür.
Deswegen ist eine Verfassung bzw. eine Verfassungsänderung immer auch Ausdruck eines gewachsenen gesellschaftlichen Konsenses. In ihr spiegelt sich ein breiter Wille der Überzeugung, die Änderungen seien zum Besten, wider. Es braucht eine gewachsene, große Verständigung darüber, dass die Änderung nicht zum Vorteil einiger gereicht, sondern dem Wohle der breiten Mehrheit dient. Dabei gilt das Prinzip: wohlüberlegt, lange nachwirkend und über jeden Zweifel erhaben. – Änderungen, die diese Kriterien erfüllen, stoßen auf die nötige Akzeptanz. Vergessen wir nicht: Wir Parlamentarier tun gut daran, uns dieser zu vergewissern, wenn wir eine vom Volk gutgeheißene Verfassung ändern wollen.
Unter dieser Prämisse gehen wir mit der Beratung in 2. Lesung und der Abstimmung in der morgigen abschließenden 3. Lesung einen weiteren Schritt zu deren Modernisierung. Dabei geht es nicht darum, dem Zeitgeist nachzulaufen, sondern vielmehr um eine notwendige Präzisierung, um auf Entwicklungen zu reagieren, die eine unmissverständliche Klarstellung erfordern.
Dies betrifft beispielsweise die Bekämpfung des Antisemitismus und die Stärkung des jüdischen Lebens und der jüdischen Kultur als Staatsziel, aber auch unser Verständnis vom Schutz des friedlichen Zusammenlebens von Menschen unterschiedlicher Konfessionen, und hier insbesondere mit den Mitgliedern der jüdischen Gemeinden. In einer Zeit, in der Antisemitismus eine unerträgliche Renaissance erlebt, tun wir gut daran, hier unmissverständlich – nicht nur symbolisch, sondern auch verfassungsrechtlich – Zeichen zu setzen. Die geplante Einrichtung einer oder eines Antisemitismusbeauftragten des Landes Brandenburg unterstreicht dieses Ziel und findet unsere volle Unterstützung.
(Beifall BVB/FW, SPD, CDU und B90/GRÜNE)
Es ist auch ein wichtiges Signal an die Menschen, die sich in Vereinen, Parteien, Initiativen, Kirchen, Religionsgemeinschaften, Verbänden, freiwilligen Feuerwehren, Gewerkschaften und Betriebsräten gesellschaftlich gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit engagieren. Gleiches gilt für die Ergänzung der Bestimmungen gegen Antiziganismus.
Zugleich gilt es, die Freundschaft zu Polen stärker zu akzentuieren. Hier freuen wir uns, dass unsere Grundidee aufgegriffen worden ist. Aber auch diese Entscheidung treffen wir nicht im luftleeren, unpolitischen Raum. Die Nachbarschaft spielt sich im Haus Europa ab, im sich einenden Europa als Mitglieder der Europäischen Union – der Europäischen Union, zu deren Werten wir uns bekennen wollen – was wir auch tun -, die aber keine Erwähnung in der Landesverfassung findet. Daher sehen wir hier Nachholbedarf. So gibt es einige Punkte, die wir weiterhin kritisch sehen.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ca. eineinhalb Jahre wird nun schon fraktionsübergreifend über wünschenswerte Änderungen unserer Verfassung beraten. BVB / FREIE WÄHLER ist vielleicht die kleinste Fraktion hier im Haus, dennoch ist der Wunsch nach Verhandlungen auf Augenhöhe kein exklusiver, sondern ein durchaus berechtigter. So wie wir jedem oder jeder seine oder ihre Änderungshinweise aufgrund der jeweiligen politischen Schwerpunktsetzungen zubilligen, erwarten wir es auch uns gegenüber. So gehen wir in die nun folgende Abschlussberatung im Hauptausschuss und die morgige 3. Lesung. Am Ende muss ohnehin etwas in der Verfassung stehen, das nicht uns als Parteien und Wählervereinigungen befriedigt, sondern das gut für die Brandenburger ist – und zwar auf lange Sicht.
(Beifall BVB/FW sowie des Abgeordneten Dr. Redmann [CDU])
So haben wir es als BVB / FREIE WÄHLER bisher gesehen, und so sehen wir es auch heute. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall BVB/FW und B90/GRÜNE sowie der Abgeordneten Dannenberg [DIE LINKE])