Rede von Philip Zeschmann in Textform:
Dr. Zeschmann (BVB/FW):
Werter Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich so richtig über den Verlauf der Debatte – sie war ganz toll -, weil darin all die Argumente wiederholt worden sind, die ich mir, zumindest von Herrn Beermann, seit mindestens einem Jahr gebetsmühlenhaft immer wieder anhören muss. Ich meine insbesondere die Ausrede, die auch Herr Scheetz – offensichtlich nach Übernahme des Sprechzettels vom Herrn Verkehrsminister – hier vorgetragen hat, dass wir nämlich nach dem Fahrplanwechsel im Dezember 2022 angeblich ganz tolle Verbesserungen im gesamten Land erleben werden. Genannt werden dann immer der RE 1 und einige andere Strecken; ich habe mir nicht alle noch einmal aufgeschrieben.
Wenn das Ihre Ausrede ist – wir hören sie von Ihnen seit Jahren gebetsmühlenartig – und gleichzeitig die Umsetzung des i2030-Konzepts seit fünf Jahren nicht vorankommt, dann tut es mir leid. Wer soll Ihnen noch glauben, dass es irgendeine Form von Verkehrswende in Brandenburg geben wird?
(Beifall BVB/FW)
Wer soll Ihnen noch glauben, dass es irgendwelche attraktiven Alternativen zum Pkw- Verkehr geben wird? Wer soll Ihnen noch glauben, dass Sie im Verkehrssektor irgendetwas herumdrehen oder -reißen werden, um Ihre klimapolitischen Ziele zu erreichen? Es ist doch offenkundig, dass Ihnen das nicht gelingt.
(Beifall BVB/FW)
Auch wird hier immer wieder von fast allen Rednern dargelegt, man müsse jetzt erst einmal abwarten, ob sich die Strecke rechne, und die Ergebnisse der Studie seien abzuwarten. Diese Strecke wird bis Ende dieses Jahres probeweise betrieben. Dann werden die Zahlen ausgewertet; das wird sicherlich vor Weihnachten nicht mehr der Fall sein. Das heißt, wir werden wahrscheinlich Anfang 2023 die Zahlen bekommen.
Nun haben wir aber zwei Probleme: Erstens ist dann der Fahrbetrieb bereits eingestellt, und die Menschen, die sich darauf eingestellt haben, den Zug zu nutzen, müssen zurück zum Pkw, jedenfalls meistens. Das wollen Sie doch eigentlich nicht – dachte ich.
Und – das ist der entscheidende Knackpunkt -: Wir können diese Auswertung gar nicht abwarten. Ich habe dazu eine Kleine Anfrage gestellt. In der Antwort heißt es, dass die neue Beauftragung, das heißt die Bestellung von Fahrleistungen auf Bahnstrecken, acht Monate vorher erfolgen müsse. Der Fahrplanwechsel ist bekanntlich Anfang Dezember 2022. Daher kann ich nur sagen: Das, was Sie hier machen, ist Schaumschlägerei. Es ist absolut unsinnig und bringt nichts. Sie sollten sich ruhig einmal hier hinstellen und sagen: Ja, wir als Landesregierung, wir als Koalitionsfraktionen haben nicht dafür gesorgt, dass acht Monate vor dem Fahrplanwechsel, also spätestens bis Mitte April, die Bestellung für den Weiterbetrieb – ob als Probebetrieb oder als Regelbetrieb; darüber können wir uns gern streiten – erfolgt ist.
Deshalb ist es hirnverbrannt – Entschuldigung: ist es Unsinn -, wenn Sie hier ernsthaft behaupten, die Entscheidung über unseren Antrag beerdige diese Strecke. Das Gegenteil ist der Fall. Die Würfel sind längst gefallen.
(Beifall BVB/FW)
Die Bestellung durch die Landesregierung – konkret: vom Infrastrukturministerium – ist nicht erfolgt. Deshalb ist die Strecke schon tot. Daher wundert es mich gar nicht, dass sie in den Zielnetzen des Entwurfs des Landesnahverkehrskonzepts nicht drinsteht. Also bitte nicht immer irgendwelchen Unsinn erzählen, sondern bei den Fakten bleiben! Bekennen Sie sich dazu: Sie als Koalitionsfraktionen, als Landesregierung haben die Verkehrswende beerdigt – und Ihre klimapolitischen Ziele gleich mit.
Das hätte ich auch auf Herrn Büttner erwidert: Es ist längst entschieden.
Dann gab es noch die Ausführungen von Herrn Rostock. Diese fand ich fast schon belustigend; denn er sagte, dass der Zeitpunkt falsch sei, weil wir die Ergebnisse abwarten müssten. Ich glaube, ich habe soeben ausreichende Ausführungen dazu gemacht, dass das schlichter Unsinn ist. Aber ich freue mich natürlich, dass Sie angeführt haben, dass die Strecke zumindest im Deutschlandtakt enthalten ist.
Dann muss ich aber Sie, die Koalitionsfraktionen und die Landesregierung, fragen: Wenn die Strecke schon im Deutschlandtakt enthalten ist, warum setzen Sie denn nicht wenigstens das um? Ich dachte, Sie wollten im Verkehrsbereich eine Wende erreichen. Sie torpedieren ja auch noch die Verkehrswende, die der Bund schon vorgibt. Das passt also gar nicht. Es zeigt, dass Sie sich völlig verrannt haben und offensichtlich Ihre eigenen Worte von der Verkehrswende nicht mehr glauben.
(Beifall BVB/FW)
Dann haben Sie noch angeführt, es werde sich jetzt eine vertiefende Untersuchung im Rahmen der Machbarkeitsstudie bzw. im Zuge der weiteren Schritte – der Reaktivierungsstudie – ergeben. Dem ist gerade nicht so. Diese Strecke steht ja unter Kategorie B und bekommt eben keine Machbarkeitsstudie.
Daher kommen wir zu der Einschätzung: Es beißt sich wirklich überall die Katze in den Schwanz. Sie widersprechen sich gleich drei- oder viermal hintereinander. So funktioniert es wirklich nicht.
Herrn Staatssekretär Genilke möchte ich sagen: Sie haben die 160 Personen pro Tag angeführt und hinzugefügt, daraus ergebe sich ja eigentlich, dass das Ding sowieso zum Scheitern verurteilt sei. Dann aber haben Sie gesagt – erster Widerspruch -, dass Sie beabsichtigten, zukunftsorientierte Verkehrspolitik zu machen. Ja, was denn nun? Wollen Sie also die Wirtschaftlichkeit anhand dieser Probebetriebszahlen untersuchen? Dann kommen Sie natürlich zu dem Ergebnis, dass die Strecke nicht reaktiviert werden kann. Oder wollen Sie zukunftsorientierte Verkehrspolitik machen? Dann müssen Sie das, was wir in unseren Redebeiträgen und in unserem Antrag angesprochen haben, tun, nämlich die Strecke ertüchtigen oder zumindest so hochrechnen, als ob es zum Beispiel die Langsamfahrstellen mit Tempo 40 km/h nicht mehr gäbe.
(Beifall BVB/FW)
Vizepräsident Galau:
Kollege Zeschmann, Sie sind mit der Zeit schon ein bisschen drüber. Aber hier ist noch eine Zwischenfrage angezeigt worden. Möchten Sie diese zulassen?
Dr. Zeschmann (BVB/FW):
Aber gern. Ich hoffe auf den nächsten Widerspruch.
Rostock (B90/GRÜNE):
Vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Sie haben gesagt, weil es in der Kategorie B stehe, werde es nicht weiter untersucht. Haben Sie zur Kenntnis genommen, dass die Strecken der Kategorie A und der Kategorie B weiter untersucht werden? (Vida [BVB/FW: Selbst eure Fragen stimmen nicht!])
Dr. Zeschmann (BVB/FW):
Ja, das ist bekannt. Aber in der Reaktivierungsstudie steht – das habe ich auch in meiner Rede gesagt; auf den Text habe ich jetzt nicht direkt Zugriff -, dass für die Kategorie B die Machbarkeitsstudie und weitere Untersuchungen erst einmal zurückgestellt werden, bis die Ergebnisse für die Kategorie A vorliegen.
(Beifall BVB/FW)
Es tut mir leid; aber ich schätze, dann sind wir im Jahr 2024. Vielleicht – da haben Sie recht – haben wir dann das Glück, dass doch noch eine Machbarkeitsstudie gemacht wird. Vielleicht führt sie zu einem guten Ergebnis; dann sind wir im Jahr 2026. Dann muss wieder acht Monate vorher die Fahrleistung bestellt werden; dann sind wir im Jahr 2027 – wenn es gut läuft. Dann können Sie den Bürgern verkünden: „Es geht jetzt doch weiter!“ Die Bürger werden dann aber sagen: Ihr habt den Verkehr auf dieser Strecke Ende 2022 eingestellt. Ich habe mir längst wieder ein Auto gekauft.
Wolle Sie das wirklich? Ist das Ihre Verkehrspolitik? Ich dachte, nein.