Rede von Philip Zeschmann in Textform:
Dr. Zeschmann (BVB/FW): Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Liebe Brandenburgerinnen und Brandenburger! Leider muss ich feststellen: Erstmalig habe ich in diesem Jahr erlebt, dass ein Berichterstatter jegliche Form von Austausch oder gar gemeinsamer Beratung zu einem Kapitel des Landesrechnungshofberichts grundlegend verweigert hat. Kollege Bischoff reagierte leider über fast zwei Monate hinweg nicht auf meine diesbezügliche Bitte. Auch Änderungswünsche zu meinem Entwurf für eine Beschlussvorlage gingen bei mir nie ein.
Dieses Verhalten empfinde ich als umso bedauerlicher, weil gerade das Kapitel II – Haushaltslage – des Landesrechnungshofberichts Abschnitte zum Finanzierungssaldo, zu Zinsausgaben und zum Schuldenstand, zum strukturellen Defizit, zur Überwachung der Schuldenbremse und zum Personalhaushalt inklusive der Entwicklung der Versorgungsaufwendungen enthält.
Dabei geht es hier nicht um irgendwelche parteipolitischen Spielchen oder ein Katz- und-Maus-Spiel von Regierung und Opposition, sondern darum, von jeder Landesregierung, jedem Finanzminister, jeder Finanzministerin eine vorsorgende Finanzpolitik mit Weitblick einzufordern und sicherzustellen, damit wir auch mittel- und langfristig noch Handlungs- und Gestaltungsräume im Landeshaushalt haben und nicht zuschauen müssen, wie ein immer größerer Teil der verfügbaren Einnahmen durch Zins für ein strukturelles Defizit und dessen Tilgung sowie exponentiell steigende Versorgungslasten reserviert wird.
War die explodierende Kreditaufnahme aufgrund der Coronakrise nicht vorhersehbar, so ist die exponentielle Entwicklung der Versorgungsaufwendungen schon lange bekannt und schlicht erschreckend. Die Steigerungsrate allein von 2016 bis 2021 betrug laut Landesrechnungshof 83,7 %. Von 2022 an gerechnet kommt es laut kürzlich vorgelegtem Versorgungsbericht der Landesregierung bis 2031 – also in genau elf Jahren – erneut zu einer Verdoppelung der Lasten durch Versorgungsaufwendungen im Haushalt von jetzt 444 Millionen Euro pro Jahr auf dann 891 Millionen Euro.
Deshalb hat der Haushaltskontrollausschuss erneut festgestellt und zur Kenntnis genommen, dass für die vorhersehbar weiter überproportional steigenden Versorgungslasten keine ausreichende Vorsorge getroffen wird, was den Gestaltungsspielraum von Politik und Verwaltung weiter einschränkt. Der Haushaltskontrollausschuss fordert auch weiterhin vom Finanzministerium, eine Analyse dazu vorzulegen, mit welchen Instrumenten die zukünftigen Versorgungsausgaben gedeckt werden können.
Mein Beschlussvorschlag enthielt einen Vorschlag zur Unterstützung eines einfacheren Ausgleichs späterer Versorgungslasten durch den Überschuss aus Erstattungen durch andere Dienstherren aufgrund des Versorgungslastenteilungs- Staatsvertrags – das waren im Jahr 2020 immerhin 29,9 Millionen Euro, die dann grundsätzlich jährlich dem Versorgungsfonds zugeführt werden sollten. – Abgelehnt – obwohl es 2019 einmalig schon so praktiziert wurde!
„Viel Spaß also mit den weiter exponentiell wachsenden Versorgungslasten!“ kann man dieser Landesregierung und den nachfolgenden da nur wünschen. Denn auch die laufenden Personalausgaben sind exorbitant hoch. So wies der Landesrechnungshof darauf hin, dass ein Drittel des Landeshaushalts für Personalausgaben aufgewendet wird – im Kernhaushalt sogar 56,6 % – und die Anzahl der Personalstellen stetig stieg, die Besetzungsquote jedoch seit 2019 auffällig sank.
Auch die krisenbedingte Entwicklung des strukturellen Defizits kritisiert der Landesrechnungshof zutreffend. Diese Kritik wird von der aktuellen Koalition und Landesregierung jedoch schlicht ignoriert. Dabei schreibt die Landeshaushaltsordnung sogar vor: Bevor zu unser aller Lasten und zulasten zukünftiger Generationen zusätzliche Kredite aufgenommen werden, sind vorhandene Rücklagen zu nutzen. Was aber tat die Landesregierung? Sie schonte die Rücklagemittel weitestgehend zugunsten einer zusätzlichen konjunkturellen Nettokreditaufnahme. Lediglich 15 % des geplanten Betrags wurden den allgemeinen Rücklagen entnommen.
Allein im Jahr 2020 türmte sich das strukturelle Defizit somit auf 1,611 Milliarden Euro und verursachte damit einen Gesamtschuldenstand – den höchsten überhaupt – von 20,4 Milliarden Euro. Das ist das absolute Gegenteil von verantwortungsvoller, vorausblickender und auch generationengerechter Finanzpolitik. Das hat der Landesrechnungshof auch genau so in seinem Bericht beschrieben.
Auch hinsichtlich der vom Bund zur Verfügung gestellten Ausgleichsmittel für die Gewerbesteuermindereinnahmen der Kommunen hat der Landesrechnungshof kritisiert, dass diese nicht zweckgebunden verwendet, sondern noch zusätzlich Kredite in genau dieser Höhe aufgenommen wurden. Daher hat der Haushaltskontrollausschuss das Finanzministerium aufgefordert, zukünftig sicherzustellen, dass solche Zuweisungen wirklich immer zweckgebunden verwendet werden.
Eine besondere Mogelpackung dieser Landesregierung aber ist der Ende 2019 aufgelegte ZifoG – also Zukunftsinvestitionsfonds -, die vorgebliche Investitionsoffensive der Koalitionsfraktionen. Sie stellt sich bei genauerem Hinsehen als das Gegenteil heraus, denn in die Finanzierung investiver, strategisch bedeutsamer Projekte in verschiedenen Bereichen wurden vom Volumen von 1 Milliarde Euro – kreditfinanziert – genau 14,4 Millionen – also 1,4 % – wirklich investiert.
Ich gehe auf die restlichen Punkte jetzt nicht mehr ein; die anderen Teilberichte – ich war Berichterstatter für vier Teilberichte – haben die Kollegen schon dargestellt. Ich hoffe, dass wir im nächsten Jahr wieder zu einer konstruktiven Zusammenarbeit kommen und sich nicht einzelne Berichterstatter der Erarbeitung von gemeinsamen Berichtsvorschlägen verweigern. – Danke schön.