Rede von Christine Wernicke in Textform:
Frau Wernicke (BVB/FW):
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Wir entscheiden heute, ob wir von einer vermeintlichen Großzügigkeit des Bundesgesetzgebers Gebrauch machen. Ob der Bundesgesetzgeber hier eine seiner Türen öffnet oder vielmehr eine unserer Türen zumauert, wird morgen Thema sein.
Heute geht es darum, wie wir von der Länderöffnungsklausel – die wir für keine halten – Gebrauch machen wollen. Ja, wir müssen ein drängendes Energieproblem lösen. Aber ich zumindest ging davon aus, dass wir aus den vielen Krisen der letzten zwei Jahre gelernt haben, dass es erstens kurzsichtig ist, nur auf eine bevorzugte Alternative von vielen zu setzen, und dass zweitens das vorzeitige und unbegrenzte Opfern von Rechten anderer nie langfristig erfolgreich ist, was sich dann bei den Wahlen zeigt.
Warum also machen wir diese Fehler immer wieder? Windkraft ist nicht das Allheilmittel – der Mix macht es, und das Maß ist unbedingt zu halten. Während wir in Brandenburg beim Thema Windkraft zur Spitze gehören, haben wir bei der Photovoltaik erhebliche Reserven, und auch die Stromspeicherung steckt noch immer in den Kinderschuhen. Was aber nicht sein kann, ist Ihre Bereitschaft, hinter der viel zitierten Länderöffnungsklausel auch noch zulasten der Bürgerinnen und Bürger zurückzubleiben. Das begründen Sie mit der Suche nach Akzeptanz – als ob diese sich von selbst entwickelt! Diese Akzeptanz in der Bevölkerung können Sie seit Jahren nicht herstellen! Ich darf Ihnen noch einmal sagen: Es geht hier um die Gesundheit der Bürger. Und nur, wenn diese gesichert ist, steigt auch die Akzeptanz.
Ich habe bereits im Dezember festgestellt, dass das Wort Gesundheit nicht einmal in der Gesetzesbegründung auftaucht. Leider gilt das auch für die dann geführte Debatte, in der keiner von Ihnen das Wort Gesundheit benutzte. Stattdessen haben Sie, Herr Rostock, die Maske fallen lassen und alle Bürgerinnen und Bürger auf Einzelgehöften und in Splittersiedlungen praktisch entrechtet. (Beifall BVB/FW) Wörtlich sagten Sie: „Man kann nicht einfach mitten im Wald ein Haus bauen und den gleichen Schutz verlangen wie andere, die in einer Ortschaft wohnen.“ Bewohner von Einzelgehöften und Splittersiedlungen bauen aber nicht einfach im Wald; dafür gäbe es gar keine Baugenehmigung.
– Zuruf des Abgeordneten Rostock [B90/GRÜNE])
Das Grundgesetz, das das Recht auf körperliche Unversehrtheit regelt, gilt auch im Wald, Herr Rostock. Ihre Aussagen lassen tief blicken! Sie sind bereit, für das Ziel einer sehr einseitigen Energieversorgung ganze Landstriche veröden und Menschen, die teilweise schon seit Generationen auf dem Land wohnen, für eine undurchdachte Stromproduktion leiden zu lassen. Mehr noch: Sie erkennen an, dass die Regelungen dem Schutz dienen, wollen diesen Schutz aber beseitigen. Und nein, das ist kein Lapsus und auch keine Einzelmeinung. Denn die Signale aus Berlin zeigen, dass der Schutz der Bürger in dünner besiedelten Gebieten Verhandlungsmasse bei der Bewältigung der Energiewende ist.
Das, liebe Kollegen, ist inakzeptabel. Zum Schutz der Bürger ist unser Änderungsantrag wichtig – so wichtig, dass wir ihn heute erneut und mit erweiterter Begründung eingebracht haben. Weder dürfen wir auch nur einen Zentimeter hinter den Möglichkeiten des Gesundheitsschutzes zurückbleiben noch dürfen wir unsere Gesetzgebungskompetenz als Landtag durch eine Ermächtigung bei der Landesregierung abgeben, wie Sie es mit dem neuen Absatz 3 planen.
Dieser Absatz ist übrigens verfassungsrechtlich mehr als fragwürdig. Wie soll das funktionieren? Im Gesetz stehen 1 000 Meter, und in einer Verordnung auf Grundlage des Gesetzes stehen weniger. Was gilt dann? Seit wann können Verordnungen höherstehendes Recht aufheben? Das ist handwerklicher Unsinn. Im Sinne unserer Brandenburgerinnen und Brandenburger im ländlichen Raum müssen wir alle Möglichkeiten, unsere Bürger zu schützen, bis zum Letzten ausnutzen, wie die Fachleute es in der Anhörung verlangt haben. Die Gesundheit der Bürger ist keine Verhandlungsmasse.
Ohne unsere Änderungen können wir dem Gesetz nicht zustimmen. Es ist eine Mogelpackung, entrechtet einen Großteil unserer Bürgerinnen und Bürger und wiegt die anderen in falscher Sicherheit.
Der Änderungsantrag der AfD geht in die richtige Richtung, aber er ist nicht zu Ende gedacht. Wollen wir die Beweislast wirklich dem Bürger überhelfen?
Der Entschließungsantrag der Koalition ist ein wortreicher Schaufensterantrag, der nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass die Koalition kein konkretes Konzept dafür hat.
Und wo wir schon mal beim Täuschen sind: Das hier habe ich heute Morgen gefunden. (Die Abgeordnete zeigt ein Dokument.) Da steht auf der Facebook-Seite der CDU-Fraktion: „Die BVB / Freie Wähler – Fraktion im Landtag Brandenburg wird dieser Regelung nicht zustimmen. Damit stoßen sie ihre Wähler und die Windkraftanwohner vor den Kopf.“
Einfach mal Ihr Wahlprogramm auf Seite 22 lesen, liebe CDU. Da steht Ihre 10-H- Regel, gefordert aus Gründen des Gesundheitsschutzes.
Wir lesen auch das Kleingedruckte und haben die fachliche Kompetenz, Anträge ressortübergreifend zu beurteilen – genauso wie ihre Auswirkungen auf andere Bereiche. Und genau deshalb, Herr Rostock, können wir Ihrem Antrag nicht zustimmen. Ich habe mir auch heute noch mal die Mühe gemacht, zu zeigen, (Die Abgeordnete zeigt ein Dokument.) wo Ihre Windkraftanlagen sind und wo meine. Sie reden über Dinge, von denen Sie keine Ahnung haben. – Vielen Dank.