Ukraine-Krieg: BVB / FREIE WÄHLER Fraktion will die Sicherheitsbereitschaft in Brandenburgs Braunkohlekraftwerken verlängern, doch SPD, CDU und Grüne lehnen den Antrag ab
Der Krieg Russlands gegen die Ukraine führte seitens der EU zu weitreichenden Sanktionen gegen Russland. Zahlreiche Länder fordern im Rahmen dieser wirtschaftlichen Sanktionen gegen Russland, auch die Gasimporte aus diesem Land einzustellen. Als Reaktion auf die Sanktionen hat Russland seinerseits mit einem Lieferstopp für Erdgas gedroht.
Bisher ist Russland der wichtigste Lieferant für Erdgas in Deutschland. Die Versorgungssicherheit für Erdgas hat sich aufgrund dieser neuen weltpolitischen Situation erheblich verschlechtert. Dies zieht eine Gefährdung der Versorgungssicherheit mit Elektroenergie und der Wärmeversorgung zahlreicher Haushalte nach sich. Es sind daher zeitnah wirkende Maßnahmen notwendig, um im Fall eines Lieferstopps aus
Russland den Bedarf an Erdgas auf das Notwendigste zu reduzieren. Gleichzeitig muss Deutschland die Versorgungssicherheit zu möglichst niedrigen Kosten aufrechterhalten.
Die Grünen antworteten auf diese Situation mit einer Aktuellen Stunde mit dem Titel „Für eine unabhängige, klimagerechte und soziale Energieversorgung in Brandenburg – 100 % Erneuerbare Energien“. Darin wollten sie den Eindruck erwecken, dass die Lösung der aktuellen Probleme mehr Windkraft ist. Tatsächlich ist eine „100%ige“ Versorgung Brandenburgs auf mindestens zwei Jahrzehnte hinaus ein unbezahlbarer Wunschtraum. Kurz- und mittelfristig auf einen Zeitraum von fünf Jahren ist er sogar völlig unmöglich. Denn in den letzten Jahren übernahmen in Deutschland vor allem Gaskraftwerke die Rolle einer wetterunabhängigen Reserve in wind- und sonnenarmen in Zeiten. Bei einer Verknappung des Erdgasangebotes wird dies nicht mehr oder nur zu sehr hohen Kosten möglich sein. Die zweite Reserve war die fortgesetzte Nutzung der Energie aus Braunkohle.
Blöcke im Kraftwerk Jänschwalde konkret betroffen
Einige der Braunkohleblöcke wurden vom Bund in Sicherheitsbereitschaft versetzt. Für einen möglichen Notfall bei der Versorgung, wie er jetzt einzutreten droht. Doch die Sicherheitsbereitschaft war zeitlich begrenzt.
Konkret betrifft dies aktuell in Brandenburg die Kraftwerksblöcke F und E des Braunkohlekraftwerks Jänschwalde. Diese haben jeweils eine Kapazität von 500 MW. Im Rahmen einer Übereinkunft zwischen Bundesregierung und dem Betreiber LEAG wurden sie am 30. September 2018 bzw. am 30. Oktober 2019 außer Betrieb genommen. Im Anschluss wurden sie jeweils für einen vierjährigen Zeitraum in Sicherheitsbereitschaft versetzt. Anschließend sollten sie ursprünglich endgültig stillgelegt werden. Der vorgesehene Zeitpunkt der endgültigen Stilllegung wäre demnach der 30. September 2022 (Block F) bzw. der 30. Oktober 2023 (Block E). Angesichts der aktuellen Lage sollte die LEAG auf die Stilllegung verzichten und der Bund die Finanzierung der Sicherheitsbereitschaft verlängern.
Felix Müsgens, Inhaber des Lehrstuhls für Energiewirtschaft an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU) plädierte ebenfalls dafür, die Sicherheitsbereitschaft zu verlängern. Die Abschaltung des Blocks F in Jänschwalde, der zum 1. Oktober dieses Jahres geplant ist, „sollte man auf jeden Fall überdenken“ (Müsgens, RBB, 08.03.2022).
Es geht hierbei nicht darum, die energetische Nutzung der Braunkohle auf unbegrenzte Zeit zu verlängern. Stattdessen soll die Sicherheitsbereitschaft kurz- und mittelfristig die Option aufrechterhalten, im Notfall den Ausfall der Erdgaslieferungen aus Russland zu kompensieren. Die 1.000 MW der beiden Blöcke könnten den Unterscheid machen, ob in der Region Berlin-Brandenburg in den kommenden beiden Wintern die Strom- und gegebenenfalls auch Wärmeversorgung sichergestellt werden kann. Denn ob die Berliner Gas-Heizkraftwerke in naher Zukunft mit voller Leistung arbeiten können, hängt entscheidend davon ab, ob genügend Erdgas zu Verfügung steht.
Auch Fernwärmeversorgung könnte teilweise gesichert werden
Die bereits installierten bzw. in Installation befindlichen Power-to-Heat-Anlagen – etwa im Heizkraftwerk Potsdam oder im Berliner Kraftwerk Reuter West – ermöglichen nicht nur die Umwandlung von Wind- oder Solarstrom in Fernwärme. Sie können – falls dies wetterbedingt notwendig wird – auch mit Strom aus den Braunkohleblöcken betrieben werden. Im Notfall könnte der Braunkohlestrom also auch hunderttausende Haushalte in Berlin und Brandenburg mit Fernwärme aus Braunkohlestrom versorgen. Die Braunkohle-Blöcke im Zweifel noch einmal für einige Tage anzuwerfen, ist ein kleiner Preis, bedenkt man die Konsequenzen, die ein tagelanger Ausfall der Strom- und Fernwärmeversorgung haben könnte. Auch Wirtschaftsminister Robert Habeck äußerte am 02.03.2022 gegenüber Deutschlandfunk, dass der Pragmatismus jede politische Festlegung schlagen müsse. Der Wirtschaftsminister konkretisierte wörtlich: „Das heißt, kurzfristig kann es sein, dass wir vorsichtshalber, um vorbereitet zu sein für das Schlimmste, Kohlekraftwerke in der Reserve halten müssen, vielleicht sogar laufen lassen müssen.“
Konkret prüft das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) laut eigener Aussage derzeit, ob und inwiefern auch zur Stilllegung anstehende Kraftwerke in eine vorübergehende Reserve überführt werden können, damit sie im Notfall zur Verfügung stehen (siehe hierzu: Online-Broschüre „Versorgungssicherheit stärken – Abhängigkeiten reduzieren“ des BMWK vom 10. März 2022).
Genau diese Überführung wäre bei den beiden Blöcken E und F des Kraftwerkes Jänschwalde problemlos möglich. Denn die Anlagen befinden sich bereits in Sicherheitsbereitschaft, sollen jedoch in wenigen Monaten stillgelegt werden. Der Bund müsste lediglich – gegebenenfalls mit Unterstützung der Landesebene – die Kosten der verlängerten Sicherheitsbereitschaft übernehmen. Neben der Verbesserung der Versorgungssicherheit würde dies für den Zeitraum der Sicherheitsreserve Arbeitsplätze in der Lausitz sichern. Die Landesregierung sollte sich daher auf Bundesebene für die Verlängerung der Sicherheitsbereitschaft der Blöcke E und F des Braunkohlekraftwerks Jänschwalde einsetzen.
SPD, CDU und Grüne lehnen unter Vorwänden ab
Die Grünen äußerten sich nicht zu unserem Antrag – sie bedauerten lediglich die hohen Energiepreise, die sie zumindest für sozial Schwache abfedern wollten. Dass die Grünen diese hohen Preise selbst gefordert und seit Jahren befördert hatten, verschwiegen sie. Die Argumentation der SPD zur üblichen Pauschal-Ablehnung unserer Anträge war diesmal kaum an Absurdität zu überbieten. „Über die Verlängerung der Sicherheitsbereitschaft muss man angesichts der Situation nachdenken […]. Bund und Ministerpräsident reden inzwischen über die Option […], daher werden wir den Antrag ablehnen.“
Die CDU prügelte kräftig auf die Grünen ein – ihren eigenen Koalitionspartner! So kritisierte die Rednerin Ludwig die Ankündigung „100 % Erneuerbare“ bei gleichzeitigen sozialen Preisen ihres eigenes Koalitionspartners als paradox. Sie zitierte den Widerspruch aus den Mehrkosten in Höhe einer Kugel Eis und dem hohen Anstieg der EEG-Umlage. Sie begrüßte die Abschaffung der EEG-Umlage. Dass der Anstieg in die Regierungszeit der CDU fällt, die Abschaffung nach Verlust der Regierung, vergaß die Rednerin Ludwig offensichtlich. Die Umstellung auf Erneuerbare würde uns wegen seltenen Erden und anderen notwendigen Rohstoffen die Abhängigkeit nur verschieben. Eine Begründung für die Ablehnung unseres Antrags für verlängerte Sicherheitsbereitschaft lieferte Ludwig jedoch nicht. So weit geht der Koalitionsfriede dann doch …
Der Minister folgt dem Antrag inhaltlich vorab, aber lehnt ihn ab
Die Landesregierung in Person von Minister Steinbach schlug sich auf die Seite der Grünen: Die Erneuerbaren sollen noch schneller ausgebaut werden, „weniger restriktive“ Abstände kommen. Wenig überraschend, war doch die SPD schon immer den Windkraft-Subventionen hinterher. Zur beantragten Verlängerung der Sicherheitsbereitschaft zitierte der Minister die vorhandenen Gesetze, die nach vier Jahren ein Ende der Sicherheitsbereitschaft vorsehen. Er gestand ein, dass sich die Situation durch den Krieg völlig geändert hat. Er habe zu dem Thema bereits vorab in einem Brief an Bundeswirtschaftsminister Habeck eine Verlängerung der Sicherheitsbereitschaft der beiden Blöcke vorgeschlagen. Dass er diesen Brief am 21. 3. verschickt hatte, unser Antrag aber schon am 14.3. – eine Woche vorher! – eingereicht worden war, verschwieg der Minister. Ergo: Er setzt unseren sinnvollen Antrag schon mal um, nur um uns anschließend zu erklären, dass der doch überflüssig sei …