Rede von Ilona Nicklisch in Textform:
Frau Abg. Nicklisch (BVB/FW):
Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Nachdem der Sonderausschuss Lausitz vor knapp zwei Wochen das Thema Frauen im Strukturwandel als Schwerpunkt der Sitzung auf seine Agenda gesetzt hat, überrascht uns die Regierungskoalition nun mit dem vorliegenden Antrag. Warum sage ich „überrascht“? Nun, so oft kam es bislang nicht vor, dass wir uns hier im Plenum auf einen konkreten Antrag verständigen, der direkt aus der vergangenen Debatte des Sonderausschusses resultiert, schon gar nicht aus der Feder der Regierungskoalition. Da fragt man sich schon, was zu diesem Antrag geführt haben mag. Es war offenbar die Erkenntnis, dass man in der Vergangenheit die mangelnden Zukunftsperspektiven insbesondere junger Frauen und die sich daraus ergebenden Abwanderungstendenzen aus der Lausitz allenthalben ignoriert hat.
Die Statistik lügt nun einmal nicht. Denn wie Sie in Ihrem Antrag richtig darstellen, kamen im Jahr 2021 in der Lausitz auf 100 Männer nur 94 Frauen. Der Grund dafür ist, dass vielfach gerade junge Frauen für sich keine Zukunft in der Lausitzer Heimat sehen und deshalb nach dem Schulabschluss abwandern. Diesem Trend gilt es entgegenzuwirken, da bin ich als überzeugte Lausitzerin ganz auf Ihrer Seite.
Was aber konkret in Ihrem Antrag gefordert wird, klingt für mich bislang wenig überzeugend. Sie wollen das Monitoring im Strukturwandelprozess auf eine geschlechtergerechtere Mittelbeanspruchung ausrichten. Sie wollen bei der Evaluierung des Lausitzprogramms noch stärker auf Parität achten und bei öffentlich geförderten Veranstaltungen Frauen in einem ausgewogenen Verhältnis zu Wort kommen lassen – dies nur exemplarisch; ich könnte weitere Punkte aus Ihrem Antrag aufrufen, aber dieser liegt Ihnen ja allen vor.
Ich frage Sie: Glauben Sie wirklich, dass Sie damit die Zukunftsperspektiven junger Frauen für einen Verbleib in der Region signifikant verbessern? – Seien wir mal ehrlich: Eine wirkliche Verbesserung der Situation gelingt uns nicht allein damit, eine geschlechterparitätische Besetzung von Gremien vorzuschreiben oder Frauennetzwerke stärker in ihrer Arbeit zu fördern. Was Frauen – und gerade junge Frauen – in der Lausitz wirklich brauchen, sind passende Jobs, und zwar solche, die fair und gerecht, ohne ein Gehaltsgefälle zwischen Frauen und Männern, entlohnt werden, sowie attraktive Ausbildungs- und Studienangebote.
Aber es fängt schon beim Gehaltsgefälle zwischen Ost und West an. Heute, mehr als 30 Jahre nach der Wiedervereinigung, haben wir selbst im öffentlichen Dienst noch immer keinen gleichen Lohn für die gleiche Arbeit. Da geht es doch bereits los! Genau dort setzen die tatsächlichen Ursachen des Frauendefizits und der Abwanderung junger Frauen aus der Lausitz an, wobei wir hier die Lausitz eher exemplarisch sehen können. Denn das Problem betrifft ja generell die ländlichen Räume in weiten Teilen Ostdeutschlands.
Doch was heißt das nun für den vorliegenden Antrag? Er ist und bleibt eher ein Feigenblatt der Koalition; denn die wahren Probleme werden damit nicht wirklich behandelt, geschweige denn nur ansatzweise gelöst. Die im Antrag aufgeworfenen Punkte können bestenfalls ein kleiner Schritt sein, dem wir uns als BVB/FREIE WÄHLER natürlich nicht verschließen werden. Wir werden Ihrem Antrag daher zustimmen, nicht aber, ohne hier und jetzt zu appellieren, den Fokus im Strukturwandelprozess weiter auf die Schaffung von attraktiven neuen Arbeitsplätzen zu richten, und darauf kommt es wirklich an.
Der ergänzende Entschließungsantrag vonseiten der Fraktion DIE LINKE lässt dieses Thema ebenfalls unberücksichtigt. Der Vorschlag, stattdessen ein Frauenforum zu entwickeln oder die Gleichstellungsbeauftragten in den kleinen Gemeinden zu stärken, kann und wird aus unserer Sicht nicht zum gewünschten Erfolg führen. Wir halten diesen Antrag daher für entbehrlich und enthalten uns. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.