Péter Vida 2. Redebeitrag zu „Direkte Demokratie und Ehrenamt in Pandemiezeiten“ – 20.01.2022

20. Jan 2022

Rede von Péter Vida in Textform:

Péter Vida (BVB/FW):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Wir sind heute Zeuge eines besorgniserregenden Demokratieverständnisses – zumindest von einigen – geworden.

Meine Damen und Herren, obwohl alle im Saal es wissen und es in ihrer alltäglichen politischen Arbeit erleben, wird beim Volksbegehren – zumindest von einigen Rednern – eine pandemiebedingte Erschwernis der politischen Kommunikation in Abrede gestellt mit der Begründung, man könne ja einen Brief schicken.

(Zuruf)

– Das war die Bestätigung.

Meine Damen und Herren, Briefe verschicken kann man in Deutschland, seit es das Postwesen gibt. Auch in den letzten zwei Jahren der Pandemie konnte man überallhin Briefe verschicken. Dennoch wäre niemand auf die Idee gekommen, deswegen zu behaupten, alles sei in Ordnung, alle gesellschaftlichen Prozesse funktionierten und liefen normal weiter – eben weil man Briefe verschicken könne.

Nein! Natürlich leidet in der Pandemie auch die politische Kommunikation. Man kann die Bürger schlechter ansprechen. Man kann keine Versammlungen abhalten, wo Materialien – Listen, Werbung – verteilt werden. Eine Beeinträchtigung der Möglichkeiten, für das Volksbegehren zu werben, ist gegeben.

Dann hören wir von der CDU: Wo ist denn das Problem? Die Bürger können sich doch alle noch eintragen; die Frist läuft ja bis zum 11. April. – Mit dieser Logik könnte man das Volksbegehren auf einen Tag konzentrieren und sagen: Es können ja alle hingehen, wenn sie wollen. Wir brauchen keine Sechsmonatsfrist.

Das ist realitätsfern. Wie weit sich diese Partei von direktdemokratischen Beteiligungsmöglichkeiten entfernt hat, sieht man daran sehr gut.

Meine Damen und Herren, wenn Corona nur dann und nur dort ist, wo es Ihnen passt, befeuern Sie das gefährliche Spiel der Corona-Leugner. Sie erklären, in allen anderen Bereichen brauchten wir Erleichterungen und Sonderregelungen. Obwohl beim Volksbegehren Corona kaum zu Buche schlägt, lehnen Sie dafür Erleichterungen ab. Damit wird von Ihnen genau das selektive Spiel der Corona-Leugner befeuert.

Meine Damen und Herren, welches Signal an die ehrenamtlichen Sammler und Briefverteiler geht von hier aus, wenn Sie den Initiatoren und Vertrauenspersonen, die alle – abgesehen von mir – Ehrenamtler sind, unterstellen, irgendwelchen Verschwörungstheorien nachzurennen? Wir werden uns immer schützend vor diese Menschen stellen. Wir werden uns schützend vor die stellen, die Unterschriften sammeln.

Liebe Bürger, lassen Sie es nicht zu, das Thema dieses Volksbegehrens, über das auf der Grundlage vieler Anträge hier im Landtag diskutiert wurde, in Verruf zu bringen, nur weil manche nicht wollen, dass es erfolgreich wird. Wir werden uns immer an die Seite derer stellen, die im Ehrenamt dafür unterwegs sind. Wir werden die Menschen unterstützen.

Das Verletzende dabei ist nicht einmal, dass Sie uns so entgegentreten. Das Verletzende ist, dass Sie all den vielen Menschen, die von den horrenden Beiträgen betroffen sind, das so verkaufen wollen. – Manche stöhnen schon. Das bringt zum Ausdruck, wie wichtig Ihnen dieser Inhalt ist.

Meine Damen und Herren, ich nenne beispielhaft die behinderte Rentnerin in Bernau, die für ein Eckgrundstück 56 000 Euro zahlen musste – Stichwort: Wertsteigerung -, die junge Familie in Königs Wusterhausen, die 20 000 Euro zahlen muss, und mehrere Familien in Falkensee – mehrere! -, die mit 60 000 oder 70 000 Euro konfrontiert sind. Dass einzelne Bürger so über Gebühr mit Kosten der Allgemeinheit belastet werden, darf so nicht bleiben. Der Einsatz für die Abschaffung dieser Beiträge ist eine Frage des sozialen Friedens – für Rentner, für Familien, für jeden von uns, gerade in Zeiten der Pandemie.

Nun wissen wir, dass die Landtagsmehrheit das nicht will. Die Landtagsmehrheit will auch nicht, dass es vernünftige Umstände der Sammlung von Unterschriften gibt. Dann müssen Sie, meine lieben Mitbürger, es in die Hand nehmen. Sie dürfen es nicht zulassen, dass Sie trotz der schwierigen Bedingungen, trotz der hier erlebten Doppelzüngigkeit und der hier erlebten Beschimpfung all derer, die sich engagieren, davon abgehalten werden, Beitragsgerechtigkeit zu schaffen.

Wenn der Landtag nur bereit ist, für Volksinitiativen Erleichterungen zu schaffen, wenn die CDU noch vor Kurzem erklärt hat, auch für Volksbegehren seien die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, davon heute aber nichts mehr wissen will, dann, meine Damen und Herren, können es nur die Bürger in die Hand nehmen, indem sie das Volksbegehren zur Abschaffung der Erschließungsbeiträge unterstützen. Damit – das wissen wir spätestens seit der heutigen Debatte – können die Bürger nicht nur für Beitragsgerechtigkeit sorgen, sondern auch die direkte Demokratie und all jene, die sich dafür einsetzen, verteidigen. Mit dem Leumund der Bürger die Demokratie zu verteidigen – um nicht mehr und nicht weniger geht es. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

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