Matthias Stefke zum Antrag von BVB/FREIE WÄHLER „365-Euro Jahresticket ermöglichen“ – 17.12.2021

17. Dez 2021

Rede von Matthias Stefke in Textform:

Abgeordneter Matthias Stefke (BVB/FW):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer an den Bildschirmen!

„Das Semesterticket in Brandenburg hat sich bewährt. Es ist nicht nur für Studierende ein gutes Angebot, sondern besitzt auch für die Attraktivität der Hochschulstandorte […] eine große Bedeutung. Darüber hinaus stellt es einen Beitrag zum Klimaschutz dar.“

Eine bessere Einleitung zu unserem Antrag hätte man nicht finden können. Jedoch: Sie ist nicht von mir, sondern von keinem Geringeren als dem mächtigen Vorsitzenden der Regierungsfraktion der CDU, dem Kollegen Dr. Redmann.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe nie ein Problem damit, mich Sichtweisen oder Beurteilungen politischer Mitbewerber anzuschließen, so sie denn richtig sind. Womit ich aber ein Problem habe, liebe Kollegen der CDU-Fraktion, ist, wenn aus richtigen Beurteilungen die falschen Schlüsse gezogen und dann falsche Entscheidungen getroffen werden. Noch problematischer finde ich allerdings, wenn gesellschaftlichen Gruppen auch in der Öffentlichkeit der Eindruck vermittelt wird: „Wir gehen in einem inhaltlichen Konflikt auf euch zu“, und dem dann gar nicht so ist. Genau das ist die Situation; ich komme gleich darauf zu sprechen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir stimmen hoffentlich darin überein, dass die Studierenden von heute einen maßgeblichen Anteil daran haben werden, wie die Zukunft unseres Landes aussieht – ob als Richter oder Staatsanwälte, als Bau- oder Umweltingenieure, als Wirtschaftsmanager, als Universitätsprofessoren oder Lehrer, als Journalisten, Kapitäne oder Ärzte. Trotz ihrer zukünftigen gesamtgesellschaftlichen Bedeutung sollen sie gegenüber Handwerkern, Krankenschwestern, Fach- und Sachbearbeitern in der Zeit ihrer Ausbildung selbstverständlich nicht über Gebühr privilegiert werden, sie sollen aber auch nicht benachteiligt werden. Am Beispiel des Semestertickets sehen wir aber, dass dem so ist. Während für Auszubildende vor gut zwei Jahren das 365-Euro-Jahresticket eingeführt wurde, warten die Studierenden noch immer darauf. Die Studierenden empfinden das als eine Gerechtigkeitslücke. Ein pfleglicher Umgang mit Rohlingen, die eines Tages als geschliffene Diamanten unser wertvollstes Kapital sein sollen, sieht anders aus.

Es geht aber auch um etwas anderes: In dem am 19. November 2019 unterzeichneten Koalitionsvertrag wurde vereinbart:

„Die Koalition strebt eine stärkere Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs als Maßnahme der Daseinsvorsorge und des Klimaschutzes an und wird die Einführung des 365-Euro-Tickets prüfen.“

Das sind Worte, die bei vielen, nicht zuletzt den Studierenden, Hoffnung weckten.

Bis heute jedoch: Fehlanzeige. Es gibt ein 365-Euro-Jahresticket weder für alle ÖPNVNutzer noch die Studierenden. Es liegt nicht einmal ein Prüfergebnis vor. Man setzt offenbar auf das Kurzzeitgedächtnis der Fahrgäste.

Den Klimaschutz, liebe Kolleginnen und Kollegen der Grünen, halten Sie immer hoch, ganz hoch. Bei ihrem Antrittsbesuch in Paris sagte Ihre Außenministerin Annalena Baerbock, sie werde vom ersten Tag an der internationalen Klimapolitik den Platz geben, den sie auf der internationalen Agenda verdiene: ganz oben. Fangen wir damit doch bitte erst einmal hier in Brandenburg an!

Dazu fällt mir ein Spruch von Klementine zur Waschkraft von Ariel in einer Waschmittelwerbung in den 60er-Jahren ein: Oberflächlich rein – aber porentief betrachtet? – Porentief betrachtet ist festzustellen, dass der Klimaschutz zumindest in dem Punkt Klimaschutz durch eine stärkere Nutzung des ÖPNV nicht die Bedeutung erfährt, die in den drei Zeilen 532 bis 534 Ihres Koalitionsvertrages – falls Sie das nachlesen möchten – angekündigt wurde.

Noch ein paar Worte zum Umgang der politischen Spitze des MIL mit den studentischen Vertretungen an Universitäten und Hochschulen. Man darf diesen Umgang wohl, ohne zu übertreiben, als zumindest teilweise unangemessen bezeichnen. Ich sprach eingangs von der Notwendigkeit eines pfleglichen Umgangs mit Studierenden. Davon kann keine Rede sein, wenn man auf Einladungen zu Terminen am runden Tisch entweder nicht reagiert oder solchen Terminen gar unentschuldigt fernbleibt. Die Teilnahme von Abgeordneten der Koalitionsfraktionen ist kein adäquater Ersatz.

Auch von wohlklingenden, von den Jugendorganisationen initiierten Parteitagsbeschlüssen können sich die Studierenden nichts kaufen; die Beschlüsse waren letztlich ergebnislos.

Wir hätten erwartet, dass sich die Wissenschaftsministerin Frau Dr. Schüle für die Studierenden einsetzt, auch wenn sie nicht das in erster Linie zuständige Mitglied der Landesregierung ist. Schließlich steht im Koalitionsvertrag, dass die Zahlen der Studierenden an den Universitäten und Fachhochschulen auf dem heutigen Niveau gehalten werden sollen. Die Erreichbarkeit mit dem und die Bezahlbarkeit des ÖPNV sind dafür ein wichtiger Baustein. Leider ist von ihr aber nichts dazu zu hören oder zu lesen; bleibt zu hoffen, dass sie still hinter den Kulissen Einfluss nimmt.

Wir begrüßen, dass nun wieder Bewegung in die Verhandlung gekommen ist. Falls unsere Fraktion dazu einen Beitrag leisten konnte, freut uns das natürlich. Noch aber sind die vom VBB vorgelegten Angebote nicht ausreichend. Ein Preis von 200 Euro je Semester und dazu noch eine Preissteigerung von 3 % je Semester können nicht das letzte Wort gewesen sein. Da geht noch mehr bzw., in diesem Fall, noch weniger.

Die vier Punkte unseres Antrags decken sich im Grunde mit den Anträgen auf den Landesparteitagen von SPD und Grünen oder auch der veröffentlichten Meinung des Kollegen Dr. Redmann. Deshalb gehen wir optimistisch in die Abstimmung, freuen uns aber zunächst auf die Debatte. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Newsletter abonnieren

Noch mehr Infos, Hintergründe und regelmäßige Umfragen zu wichtigen Themen.

 

Weitere Beiträge

Bilanz: DDR-Garagen

Bilanz: DDR-Garagen

Um die klassische Eigentumsgarage aus DDR-Zeiten hat es vielerorts in Brandenburg zuletzt erheblichen Wirbel gegeben. Grund dafür ist das Schuldrechtsanpassungsgesetz (SchuldRAnpG) welches 1995 in...

mehr lesen