Péter Vida zum Gesetzentwurf SPD, CDU, Grüne „Brandenburgischen Kommunalwahlgesetzes“ – 17.11.2021

17. Nov 2021

Rede von Péter Vida in Textform:

Herr Abg. Vida (BVB/FW):

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Ich starte mit einem Zitat:

„Das […] Infektionsschutzgesetz […] und die Eindämmungsverordnung […] haben zu erheblichen Einschränkungen der Möglichkeit der Kontaktaufnahme und Veränderungen der politischen Kommunikation […] geführt. Für die Einwerbung von Unterstützungsunterschriften für Wahlvorschläge gelten […] erheblich erschwerte Bedingungen. Auch ist es nicht fernliegend, dass aus Angst vor einer Infektion eine geringe Anzahl von unterstützenden Personen für das Einwerben von […] [Unterschriften] zur Verfügung steht. Infolgedessen ist die […] Einholung von […] [Unterschriften] […] aufgrund der pandemiebedingten Kontaktbeschränkungen deutlich erschwert […].“

Mit dieser Begründung senkt heute die Koalition die Hürden für Bürgermeister- und Landratswahlen. Seit der Einbringung dieses Gesetzes haben sich Einschränkungen und die pandemische Lage weiter verschärft. Es ist dieselbe Koalition, die bei Volksbegehren hingegen keine Probleme sieht, nicht nur keine Probleme sieht, meine Damen und Herren, sondern nicht einmal eine Pandemie sieht. So war es der Koalitionsredner Schaller, der bei der Sitzung des Landtages am 29. September erklärte, dass ein Wunsch nach Erleichterungen bei Volksbegehren völlig aus der Zeit gefallen sei, weil die Pandemie ja am Abklingen sei. Der Applaus aus den Reihen der Koalition war ihm damals sicher.

Vizepräsident Galau: Herr Abgeordneter, ganz kurz: Lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Herr Abg. Vida (BVB/FW): Nein.

Vizepräsident Galau: Keine.

Herr Abg. Vida (BVB/FW):

Der Koalition, meine Damen und Herren, die heute wegen der Pandemie die Erleichterung der Unterschriftensammlungen für Bürgermeister- und Landratswahlen beschließt. Selten waren Doppelzüngigkeit und undemokratische Beliebigkeit so nah beieinander!

Meine Damen und Herren, alle Lebensbereiche sind durch Corona beeinträchtigt, die Beschränkungen wurden gerade erst – am Montag – verschärft, und alle Wahlarten werden von Ihnen mit einer Erleichterung bedacht – außer Volksbegehren. Corona gilt für Sie offenbar nur da, wo es passt!

Meine Damen und Herren, natürlich ist es unter den gegebenen Bedingungen kaum möglich, Infoveranstaltungen für Bürgermeister durchzuführen, um für Volksbegehren zu werben. Hieran ändert auch eine Briefwahl nichts. Immer mehr Rathäuser schließen, die Zusendung der Briefe verläuft schleppend oder erfolgt mancherorts gar nicht. Infoveranstaltungen sind also kaum möglich.

Hiernach stellen wir also fest: Bundeswehr und Polizei werden zur Krisenbewältigung eingesetzt, was den Ernst der Lage unterstreicht. Alle Lebensbereiche sind eingeschränkt, alle erfahren eine Erleichterung, nur bei Volksbegehren erklären Sie uns, dass alles in Ordnung sei und keinerlei Einschränkungen erkennbar seien.

(Zurufe)

Meine Damen und Herren, wir schaffen Sonderregeln für alle politischen Gremien – Gemeindevertretungen, Kreistage -, wir schaffen Sonderregeln für Volksinitiativen, wir schaffen Sonderregeln für Bürgermeisterwahlen, für Landratswahlen, denn Corona ist überall: in Berlin, in Potsdam, in Oranienburg, in Rüdersdorf und neuerdings auch auf Tonga – nicht jedoch bei einem märkischen Volksbegehren.

Meine Damen und Herren, selten waren Fremdschämen und Unfairness und Heuchelei so nah beieinander!

Vizepräsident Galau: Die Abgeordnete Schäffer hat eine Kurzintervention angemeldet. Bitte schön.

Frau Abg. Schäffer (B90/GRÜNE):

Herr Vizepräsident! Sehr geehrter Herr Vida, ich habe ein bisschen gezögert, aber dazu musste ich mich jetzt doch zu Wort melden, denn ich kann sehr, sehr gut verstehen, dass Sie frustriert sind, dass es nicht die Erleichterungen für Volksbegehren gibt, die Sie sich gewünscht haben. Aber ich möchte Sie bitten, bei den Tatsachen zu bleiben und anzuerkennen, dass die Sachlage einfach eine andere ist, als es bei Bürgermeisterkandidatinnen und -kandidaten der Fall ist, weil bei Volksbegehren nun einmal die Möglichkeit der Briefwahl vorhanden ist. Das ändert nichts daran, ob man jetzt grundsätzlich freie Sammlungen haben möchte oder nicht. Aber bleiben Sie hier am Rednerpult bitte bei den Tatsachen!

Vizepräsident Galau: Herr Vida reagiert. Bitte sehr.

Herr Abg. Vida (BVB/FW):

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Schäffer, ich habe nur darauf gewartet, denn offensichtlich sind Sie mit dem Ablauf des Volksbegehrens nicht vertraut. Sie verweisen auf die Möglichkeit der Briefeintragung. Dann können wir uns gerne mal zusammensetzen, und ich sage Ihnen, wo die Briefeintragung überall funktioniert und wo nicht. Ich glaube, es ist besser, wenn ich Ihnen sage, wo sie funktioniert, weil wir dann schneller fertig sind. Das, was wir erleben, landesweit, meine Damen und Herren, spottet jeder Beschreibung. Ein Volksbegehren unter diesen Bedingungen durchzuführen, ist kaum möglich.

(Zuruf) –

Das hat nichts mit Frustration zu tun, sondern damit, dass die Alternative, auf die Sie uns verweisen, nicht funktioniert, nicht läuft. Dem Innenministerium liegen die entsprechenden Erklärungen aus ich weiß nicht wie vielen Orten vor; jeden Tag werden es mehr. Ich sage Ihnen, was uns Rathenow heute mitteilt: Sie haben die E-Mail-Adresse, über die man das beantragen kann, überhaupt nicht kontrolliert, weil sie sie nur zu Wahlzeiten kontrollieren, und alle E-Mails, die älter als 14 Tage sind, wurden automatisch gelöscht, sodass die Bürger, die sich in den ersten drei Wochen eingetragen haben, leider keinen Brief bekommen – man weiß nicht, wer es war. Und die letzten 14 Tage wurden auch nur berücksichtigt, weil wir darauf hingewiesen haben.

Ich könnte Ihnen absurdeste Beispiele nennen: Es gibt Gemeinden, die sagen: Briefumschläge? Ihr müsst uns die Briefumschläge bringen; wir verschicken hier nichts. – Genauso gibt es Gemeinden, die sagen: Erst Mitte Dezember haben wir genügend Umschläge vorrätig, um zu versenden.

Erzählen Sie uns also nichts davon, dass die Möglichkeit besteht. In den letzten Volksbegehren – unter normalen Bedingungen – sind 40 % der Unterschriften per Brief erfolgt – 40 %! – und 60 % in der Amtseintragung. Also erzählen Sie uns nicht, dass wir uns mit den 60 % in der Amtseintragung zufriedengeben müssen, wenn ein Drittel der Rathäuser geschlossen ist!

Das hat auch mit dem Gerichtsurteil nichts zu tun, denn bei dem Gerichtsurteil ging es um die Form der Eintragung. Die fehlenden Möglichkeiten, Werbung zu machen, waren überhaupt nicht Gegenstand der Gerichtsentscheidung. Wie können wir unter diesen Umständen Infostände aufstellen, wie können wir Infoveranstaltungen durchführen, um für das Volksbegehren zu werben? Vielleicht erklären Sie uns das mal.

Das ist also in keiner Weise vergleichbar. Deswegen können Sie sich auch nicht auf die Entscheidung des Landesverfassungsgerichts berufen, zumal sie zu einem Zeitpunkt erging, als diese Eindämmungsverordnung noch gar nicht galt. Wir haben es hier also sehr wohl mit erschwerten Bedingungen zu tun.

Wenn Sie hier von Minderheitenschutz, von den Kontaktbeschränkungen reden, dann gilt das auch für jede Wahlform, und zwar unabhängig davon, ob es auch Briefwahlmöglichkeiten gibt, denn das Volksbegehren hat den Anspruch, sowohl die Briefwahl als auch die Amtseintragung vorzusehen. Sie können den Wegfall einer Möglichkeit nicht heilen, indem Sie auf eine schlecht funktionierende Alternative, die nur 40 % ausmacht, verweisen. Es ist unerträglich, und es ist zutiefst undemokratisch, hiervor die Augen zu verschließen.

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