Link zum Vorgang: https://www.bvb-fw-fraktion.de/parla_tracking
Rede von Christine Wernicke in Textform:
Frau Abg. Wernicke (BVB/FW):
Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sie können sich vorstellen, wie interessant und unterhaltsam unsere PGF-Runden manchmal sind; nicht zu diesem Thema, sondern zu den anderen Themen, mit denen wir uns beschäftigen. Wir führen dort einen ähnlichen Schlagabtausch. Es ist schon sehr spannend, dass Sie heute einmal einen Teil davon mitbekommen.
Der gemeinsame Antrag der Fraktion DIE LINKE und der BVB / FREIE WÄHLER Fraktion soll insbesondere die Rechte der kleineren Fraktionen auf Mitbestimmung stärken und damit einen besseren Beitrag zur gelebten Demokratie leisten.
Im parlamentarischen System kommt den Regierungsfraktionen unter anderem eine besondere Bedeutung in der Gesetzgebung zu. Daneben üben die Oppositionsfraktionen insbesondere Kontroll- und Kritikfunktionen aus und stellen im Parteienwettbewerb eine Alternative zu den Regierungsfraktionen dar.
Nach Artikel 67 der Verfassung des Landes Brandenburg wirken die Fraktionen mit eigenen Rechten und Pflichten als selbstständige, unabhängige Gliederungen an der Arbeit des Landtages mit und unterstützen die parlamentarische Willensbildung.
Dies erhält gerade in diesen turbulenten und außergewöhnlichen Zeiten der Pandemie eine noch größere Bedeutung. Wie in der Begründung des Antrages zutreffend ausgeführt, ist nach § 61a der Geschäftsordnung des Landtages Brandenburg eine Entscheidung des Präsidiums über das Vorliegen einer außergewöhnlichen Notlage ohne Anwesenheit einer der kleinen Fraktionen mangels Stellvertretung möglich. Somit wäre das vorausgesetzt ansonsten beschlussfähige Präsidium trotzdem berechtigt, bei Verhinderung des einzigen Mitgliedes einer kleinen Fraktion diese Einschätzung vorzunehmen.
Ist dies korrekt, wenn doch alle Fraktionen laut Verfassung des Landes Brandenburg an der Arbeit des Landtages im Sinne der parlamentarischen Willensbildung mitwirken sollen? Wir denken, nicht. Und deshalb ist die Zuweisung dieser Entscheidung an den Hauptausschuss zwingend erforderlich.
Gemäß Artikel 70 der Verfassung des Landes Brandenburg hat jede Fraktion das Recht, mit mindestens einem Mitglied in jedem Ausschuss vertreten zu sein. Die Ausschüsse sind die parlamentarischen Gremien, deren Aufgabe vor allem darin besteht, die Entscheidungen des Landtages vorzubereiten. Dies ist so auf der Internetseite des Landtages Brandenburg zu lesen. Die Beschlussempfehlungen der Ausschüsse sind zwar für das Plenum nicht bindend, jedoch erfüllen sie selbstständig einen bedeutenden Teil der Informations- und Untersuchungsaufgaben des Parlaments und tragen damit die wesentliche Arbeit des Landtages.
Welche schlüssigen Einwendungen gibt es also gegen den Vorschlag, §§ 77 und 81 der Geschäftsordnung des Landtages Brandenburg dahingehend zu modifizieren, dass auch ein Ausschuss unverzüglich oder während der sitzungsfreien Zeit einberufen werden kann, wenn dies durch mindestens eine Fraktion beantragt wird und dafür nicht erst ein Fünftel seiner Mitglieder erforderlich ist?
Ist es nach dem oben Gesagten nicht unerlässlich, dem Verlangen auf Durchführung einer Anhörung auch bei Antrag von nur einer Fraktion zu entsprechen? Erst so finden die Anträge der Oppositionsfraktionen, wenn überhaupt, Berücksichtigung als Überweisung an die Ausschüsse.
Die Möglichkeit der Durchführung einer Anhörung ist ein wichtiges Instrument der Sachverhaltsdarstellung, Aufklärung und Meinungsbildung. Dabei können Expertinnen und Experten, gesellschaftliche und wissenschaftliche Institutionen, Fachverbände oder Betroffene angehört werden, damit sie zum Inhalt des Gesetzentwurfs und dessen Auswirkungen ihre Einschätzung abgeben können. Weshalb sollte dieses bedeutende Instrument also nicht effektiver genutzt werden? Zu viel Wissen schadet keinem – gerade dann nicht, wenn es um besonders wichtige und für die Zukunft entscheidende Fragen unseres Landes geht.
Aus den vorgeschlagenen Änderungen lassen sich auch keine Nachteile für die Regierungsfraktionen erkennen. Schließlich entwickelt die Opposition politische Alternativen und vertritt die zur politischen Minderheit gehörenden Bevölkerungsanteile. – Wir bitten deshalb um Zustimmung zu unserem Antrag.