Philip Zeschmann zum Antrag „Investitionen in Schieneninfrastruktur“ von SPD, CDU, Grüne – 24.02.21

24. Feb 2021

Rede von Matthias Stefke in Textform:

Herr Abg. Dr. Zeschmann (BVB/FW):

Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Liebe Kollegen Abgeordnete! Ein neuer Antrag aus dem inzwischen langsam berühmt-berüchtigten Durchlauferhitzer der Koalitionsfraktionen – wie das Machwerk des Werbetexters der Landesregierung „Wirtschaftskraft stärken – Investitionen vorantreiben“, das wir im Januar über uns ergehen lassen mussten. Deswegen, Herr Rüter, ist Ihre vorhin vorgetragene Frage natürlich völlig berechtigt: Warum dieser Antrag?

Man nehme also ein Sammelsurium an altbekannten Dingen, die es schon lange gibt oder die schon lange in der Umsetzung sein sollen, lasse darüber von einem Werbetexter eine prägnante, Aufbruch versprühende Überschrift platzieren; dann entsteht dieser Antrag. Ein interessantes Rezept, muss ich sagen.

Herr Rostock, dass Sie das, was Sie schon seit vielen Jahren versuchen, aber nicht vorangeht, mit dem Antrag bekräftigen wollen, glaube ich Ihnen sogar. Es ist also ein typischer Antrag aus dem Hause Kenia. Ich zitiere:

„Die zügige Umsetzung der i2030-Projekte mit derzeit geschätzt 5 bis 6 Milliarden Euro wird das wichtigste Klimaschutz- und Investitionsvorhaben der Länder Berlin und Brandenburg, des Bundes und der Eisenbahninfrastrukturunternehmen im Verkehrsbereich für die kommenden Jahre sein. Nur mit zusätzlicher Infrastruktur kann das Zugangebot durch Mehrbestellungen deutlich ausgeweitet werden.“

Geht es noch? Ist es überhaupt irgendwie möglich, noch mehr allgemein bekannte Allgemeinplätze zu verbreiten und diese auch noch als Quantensprung des Brandenburger ÖPNV zu verkaufen? Warum also ein neuer Antrag, Herr Rüter? – Ich verstehe Ihre Frage wirklich.

Hinzu kommt – aber das lassen wir jetzt mal beiseite -, dass es ein falscher Titel ist; denn es geht nicht um den ÖPNV, sondern um den SPNV, den Schienenpersonennahverkehr. Das scheint den Mitgliedern der Koalitionsfraktionen nicht wirklich aufgefallen zu sein. Offenkundig ist der Antrag auch ein sprachlicher Durchlauferhitzer altbekannter Dinge, die schon seit Jahren ohne vorweisbare Erfolge betrieben werden – angeblich. Also warum ein neuer Antrag, Herr Rüter?

Eigentlich müsste ich hier jetzt aufhören; denn es ist wirklich nicht mehr viel zu diesem Unsinn zu sagen. Aber es wird noch bunter. Ich zitiere wieder:

„Der Landtag anerkennt den mit i2030 und dem Landesnahverkehrsplan (LNVP) 2018

– hört, hört –

begonnenen Prozess der Schaffung von Planungsvorlauf und setzt sich für eine zügige Umsetzung des oben beschriebenen Zielkonzeptes ein.“

Was sollen wir denn hier jetzt anerkennen? Die Untätigkeit und das Nichtvorankommen der Schnecke „i2030“ – nach vier Jahren sieht man nichts!

Dann folgt das Eingeständnis der finanziellen Hilflosigkeit, obwohl es doch die Koalitionsfraktionen selbst sind und waren, die bei der Haushaltsdiskussion Mittel hätten einstellen können. Sie haben alle Ihre Änderungsanträge, die Sie noch über Nacht eingebracht haben, durchgebracht. Änderungsanträge der Opposition, egal welcher Fraktion, wurden grundsätzlich abgelehnt. Dann wundert es schon, dass in Ihrem Antrag auch noch steht:

„Der Landtag ist sich bewusst, dass für die Verbesserung des ÖPNVs mittel- bis langfristig mehr finanzielle Mittel zur Verfügung stehen müssen.“

Sie hatten die Möglichkeit. Bitte hören Sie auf, uns mit Werbetexten zuzutexten, sondern stellen Sie Geld ein, und machen Sie endlich was! Auch diese sattsam bekannte Binsenweisheit, dass wir mehr Geld brauchen, müssen wir hier nicht noch einmal in Antragsform vorgelegt bekommen.

Außerdem ganz nebenbei: Durch die Corona-Thematik und durch die Haushaltsnotlage, die wir erklärt haben, und durch den Schuldenberg, den wir aufhäufen mussten, dürfte es wohl interessant sein, wie das in Zukunft umgesetzt werden soll.

Dann kommt in dem Antrag noch der ganz tolle Aspekt hinzu – das hat Herr Görke schon aufgegriffen -, dass man jetzt eine „maximale Einwerbung von EU- und Bundesmitteln für gemeinsame Projekte“ betreiben wolle. Auch das scheint uns wirklich als sensationelle Neuigkeit verkauft zu werden. Das sind Selbstverständlichkeiten und keine großen neuen Errungenschaften. Das macht jede Landesregierung, das machen alle Ministerien. Warum also ein neuer Antrag, Herr Rüter?

Und dann kommen Sie, zu meinem großen Erstaunen, noch zu ein paar guten Forderungen. Sie fordern doch allen Ernstes, dass „bis […] 2021 eine Zeitachse für die Umsetzung des Zielkonzeptes in allen Korridoren“ vorgelegt wird. Unglaublich: Nach vier Jahren kommen Sie darauf, dass wir endlich eine Zeitachse brauchen! Das geht dann so weiter. Die eigene Landesregierung wird ultimativ aufgefordert, diese Zeitachse aufzuzeigen. Demnach ist offensichtlich auch Ihnen in der Koalition aufgefallen, dass der eingeschlafene Umsetzungsprozess dringend vorangebracht werden muss. Anscheinend ist das der wirkliche Grund dafür, Herr Rüter, dass Sie den Antrag hier eingebracht haben: um die eigene Landesregierung und die Beteiligten ein bisschen auf Tempo zu bringen.

Halten Sie sich fest: Nach vier Jahren ohne sichtbare Fortschritte soll endlich die Pflicht kommen, im Ausschuss für Infrastruktur und Landesplanung halbjährlich über die Umsetzung zu berichten. Ich bin wirklich beeindruckt! Noch ein Wunder und ein zweites Eingeständnis extremer Langsamkeit: dass ein schriftlicher Bericht halbjährlich vorgelegt werden soll. Dann heißt es allen Ernstes, dass „alle Instrumente der Planungsbeschleunigung zu nutzen“ sind. Ja, ich dachte, dass wir das selbstverständlich schon immer tun. Sie haben doch gesagt, das seien die wichtigsten Projekte im Verkehrsbereich. Warum machen Sie das dann erst jetzt?

Es geht so weiter. Wir haben am Ende insgesamt vier Eingeständnisse der extremen Langsamkeit und Untätigkeit. Und deshalb verstehe ich jetzt, Herr Rüter, warum Sie Ihren Antrag eingebracht haben.

Abschließend stelle ich fest: Ohne ein x-tes Erwärmen im Durchlauferhitzer der Koalitionsfraktionen würde sonst nie etwas vorangehen. Das haben Sie mit diesem Antrag wunderschön belegt – also wieder viel extrem heiße Luft, vom Werbetexter der Landesregierung wild verquirlt. Aber ich danke auch hier wieder recht herzlich für die tolle Vorlage.

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