Rede von Philip Zeschmann in Textform:
Herr Abg. Dr. Zeschmann (BVB/FW): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Liebe Kollegen Abgeordnete! Ich freue mich, Ihnen hier und heute die zweite Große Anfrage der kleinsten Fraktion in diesem Hause samt Antworten der Landesregierung kursorisch vorstellen zu können. Dazu kann ich leider nur einige wenige Fragen und Antworten herausgreifen; die sind natürlich nicht repräsentativ für die 169 Fragen und all die Themen, die darin angesprochen wurden.
Allerdings möchte ich auch vorausschicken, dass mit dieser Anfrage ein neuer Rekord erreicht wurde, weil 57 von 169 Fragen – das sind nach meiner Berechnung 33,73 % – nicht beantwortet wurden. Das zeigt uns, dass Große und Kleine Anfragen – das ist ja nicht das erste Mal – und damit auch der ganze Landtag und alle Fraktionen, die solche Anfragen formulieren, von der Landesregierung nicht übermäßig ernst genommen werden.
Die vielfach ausgewählte Ausflucht ist zudem widersprüchlich, weil dort auf ein „laufendes Verfahren“ verwiesen wird. Man kann allerdings in der Antwort auf Frage 123 nachlesen, dass genau aus diesem laufenden Verfahren berichtet wird. Es ist also ein bisschen inkonsistent.
Ich greife jetzt ein paar Fragen heraus. Sie wissen ja, dass das Oberthema, zu dem auch unser Entschließungsantrag eingebracht wird, zu dem ich noch etwas sagen werde, sich am Beispiel der Ansiedlung von Tesla orientiert hat. Deswegen nehme ich einmal Frage 66:
„Sind die Verstöße gegen die Pflicht der 9. BImSchV beseitigt? Wenn nein, warum nicht, und welche (rechtlichen) Auswirkungen hat dies auf das Genehmigungsverfahren?“
Dazu wird ausgeführt:
„Verstöße der Behörden gegen die Verfahrensregelungen sind nicht bekannt.“
Im Wortprotokoll des Erörterungstermins zur Ansiedlung von Tesla steht jedoch auf den Seiten 383 und 384 bezüglich der Weiterleitung von Stellungnahmen von Trägern öffentlicher Belange:
„Weil Sie mir keine einzige haben zukommen lassen auf meinen Antrag hin. Also kann ich es immer nur noch wiederholen: Ich habe nichts bekommen auf meinen Antrag hin, null.“
Erwiderung von Dr. Abbas vom Landesamt für Umwelt:
„Das ist ein eindeutiger Verstoß gegen die Regelungen der Genehmigungsverfahrensstelle.“
Also: Verstöße der Behörden gegen die Verfahrensregel nach Bundes-Immissionsschutzgesetz, in diesem Fall nach der 9. Verordnung, sind nicht bekannt? Merkwürdig.
Frage 75 lautete:
„Wurden Teilgenehmigungen auf Risiko von Tesla dennoch erteilt? Erfolgte im Rahmen des Qualitätsmanagements eine Fehlerbaumanalyse […] oder eine weitere Analyse? Wonach wurde dabei konkret bewertet?“
Da beeindruckt besonders, dass die Antwort ganz unten als Quelle die Angabe „Wikipedia“ enthält.
Werte Landesregierung, nehmen Sie bitte die monatelange Arbeit zur Erstellung einer Großen Anfrage zumindest derart ernst, dass Sie uns in die Antworten nicht irgendwelche Texte aus Wikipedia hineinkopieren. Das können wir auch selbst recherchieren.
Zu Frage 80: „Wann wurde eine Risikoanalyse zur jederzeitigen Gewährleistung der jetzigen und zukünftigen Versorgungssicherheit der Bevölkerung im Verbandsgebiet des Wasserverbandes Strausberg-Erkner (WSE) hinsichtlich des Schutzgutes Wasser von wem vorgenommen, und wo ist diese einsehbar?“
Da erhalten wir von der Landesregierung folgende Antwort:
„Der Landesregierung liegt keine faktenbasierte Einschätzung darüber vor, dass die Versorgungssicherheit mit Trinkwasser gefährdet sei.“
Wollen wir hier jetzt mal herzlich lachen?
Und weiter:
„Im Übrigen gehört es zu den Obliegenheiten der Gemeinde bzw. des kommunalen Aufgabenträgers, selbst Strategien zur Deckung mittelfristig eintretender Bedarfszuwächse zu entwickeln und umzusetzen,“
was die Trinkwasserversorgung angeht.
Anstatt sich also verantwortungsbewusst der Problemlösung zu stellen, wird erneut die Verantwortung und damit der Schwarze Peter zur kommunalen Ebene geschoben. Das haben wir in diesem Hause zu diesem Thema schon vielfach vernehmen müssen, obwohl doch für jeden erkennbar ist, dass die Risiken für die Wasserversorgung mindestens in der Region betrachtet und abgewogen werden müssten. Nein, es müssten eigentlich tragfähige Lösungen vor Baubeginn entwickelt werden. Denn alles andere ist doch eine Vogel-Strauß-Taktik: Kopf in den Sand stecken und nichts sehen und nichts hören.
Stattdessen heißt es nur: Zu einer Risikobewertung besteht keine Verpflichtung. – Das mag rechtlich stimmen, ist aber unverantwortlich und gerade beim Thema Trinkwasser auch politisch nicht dauerhaft tragfähig.
Wo ist jemals von Ihnen, Herr Ministerpräsident, und von Ihnen, Herr Umweltminister, verantwortungsvoll zwischen der jederzeitigen, auch zukünftigen Gewährleistung der Grundversorgung unserer Bürger mit Trinkwasser – das ist ein gesetzliches Gebot – auf der einen Seite und den zusätzlichen Arbeitsplätzen durch eine große Industrieansiedlung mit oder ohne Steuereinnahmen – das wissen wir noch nicht so genau – auf der anderen Seite abgewogen worden?
Zu diesem neben den Verkehrsfragen sicher zentralen Thema Wasser/Abwasser bei der Tesla-Ansiedlung heißt es in einem Schreiben des WSE vom 15. Juli letzten Jahres, bezogen auf die Trinkwasserversorgung:
„Derzeit kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine Erschließung des Gewerbegebiets Freienbrink Nord“
– also die Flächen, auf denen Tesla angesiedelt wird –
„stattfinden kann. Wir bemühen uns seit September 2019 erfolglos um die Lösung dieser Konflikte. Es handelt sich hierbei um faktische Hinderungsgründe, deren Wirkung nicht durch politische Bekenntnisse beendet werden kann. Es geht hier also nicht um politische Sichtweisen, es geht um den Versorgungsauftrag und dessen Umsetzung. Die geschilderten Widerstände führen dazu, dass das Projekt grundsätzlich gefährdet ist.“
Im Abwägungsprotokoll des B-Plans „Freienbrink Nord“ vom 02.11.2020 der Gemeindevertretung Grünheide heißt es von ebendiesem WSE zu allen zukünftig eventuell erschließbaren Wasserdargeboten: „Erst mit dem Nachweis und der Absicherung der Nutzbarkeit dieser Dargebote für den WSE ist nach der Schaffung erforderlicher infrastruktureller Voraussetzungen eine belastbare Aussage zur Trinkwasserversorgung möglich.“ Und final zusammenfassend heißt es dort, dass für „die Erschließung und Inbetriebnahme ein Fertigstellungshorizont ca. 2030 zu erwarten ist“. Fürstenwalde und Eisenhüttenstadt sind auch nicht bereit, aus ihrem Bereich Wasser abzugeben, was ja das Ergebnis der gemeinsamen Arbeitsgruppe gewesen sein soll. Das heißt also: Der gesetzliche Auftrag der Gewährleistung der Versorgungssicherheit mit Trinkwasser steht mittel- bis langfristig in den Sternen.
Weiterhin liegt mir eine Stellungnahme des Landesumweltamtes vom 30.12.2019 vor, in der die Sachbearbeiterin nach 18 Seiten fundierter Auseinandersetzung hinsichtlich der Genehmigungsunterlagen von Tesla zu folgendem Urteil kommt:
„Zusammenfassung der störfallrechtlichen Vollständigkeitsprüfung
Zusammenfassend ist das Vorhaben ohne eine Zuverlässigkeitsfeststellung hinsichtlich angemessenen Sicherheitsabstands zum Schutzobjekt Bundesautobahn A 10 sowie der abschließenden Festlegung der Art des Betriebsbereiches nach Störfall-Verordnung […] derzeit nicht bekanntmachungsfähig und auslegungsfähig.“
Wie ist es dann ohne politische Einflussnahme möglich, dass es sieben Tage später – sieben Tage später! – dennoch zur öffentlichen Bekanntmachung und Auslegung der Antragsunterlagen zu Tesla kam?
Damit wäre übrigens auch die Antwort auf Frage 160 – Bestimmtheitsgrundsatz einhalten – nicht wirklich an der Realität bemessen.
Deswegen zusammenfassend zum Fall Tesla: Mauern, vertuschen und die Verantwortung der Landesregierung auf die kommunale Ebene abschieben.
Vielleicht verstehen Sie jetzt ein wenig mehr, warum ich persönlich nach fast einem Jahr intensiver Auseinandersetzung mit den Vorkommnissen im Rahmen der Genehmigung und Ansiedlung von Tesla inzwischen so weit bin, dass ich sage: Dazu bräuchte es einen Untersuchungsausschuss. – Danke.