Péter Vida zur Aussprache des Corona-Gipfels vom 11.02.2021

11. Feb 2021

Rede von Péter Vida in Textform:

Herr Abg. Vida (BVB/FW):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Es erfasst mich wahrlich kein Hochgefühl, heute wieder zu diesem Thema sprechen zu dürfen oder zu müssen. Aber diese wichtige Debatte hier braucht, glaube ich, einen neuen Kompass.

fWir haben die Aufgabe, den Menschen nicht nur Parolen und Hoffnung zu bieten, sondern Zuversicht zu geben – eine Zuversicht, die deutlich macht, wann die gravierenden Grundrechtseinschränkungen ein Ende haben und unter welchen Bedingungen welche Lockerungen, welche Öffnungen möglich sind. Die Aufgabe des Landtages ist nicht, einfach nur Durchhalteparolen zu wiederholen, rund um die Uhr zu danken und zu wiederholen, was in der Ministerpräsidentenkonferenz besprochen wurde, sondern ganz klar auch, Zuversicht zu geben. Es gibt einen Unterschied, Herr Redmann, zwischen Hoffnung und Zuversicht, und unsere Aufgabe nach so langer Zeit ist es, Zuversicht zu geben, das heißt, Hoffnung auch mit einem Plan zu versehen.

(Zuruf)

In den beiden Sondersitzungen im Januar haben wir hier deutlich gemacht, dass wir die Maßnahmen bis dahin mittrugen, und gesagt: Im Wesentlichen ist das okay. – Wir haben das aber immer unter den Vorbehalt gestellt, dass es eine Öffnungsstrategie geben wird, die nicht nur darin besteht, fortzusetzen und kritiklos eins zu eins zu übernehmen, was in der Ministerpräsidentenkonferenz von der Kanzlerin vorgegeben wird. Warum haben wir das gesagt? Weil die Grundrechtseinschränkungen sowohl in ihrer Tiefe als auch in ihrer Dauer mittlerweile so gravierend sind, dass sie Frustration auslösen und im Übrigen in ihrer Unbegründetheit – teilweisen Unbegründetheit – auch Leugnern die Chance geben, die Notwendigkeit jeglicher Maßnahmen in Abrede zu stellen.

Dass diese Geschäftsgrundlage nicht von mir erfunden ist, möchte ich hier an folgendem Beispiel dokumentieren. Im Beschluss der MPK vom Januar – also nicht von gestern, sondern vom Januar – steht:

„Bund und Länder werden rechtzeitig vor dem Auslaufen der Maßnahmen zusammenkommen, um über das Vorgehen nach dem 14. Februar zu beraten. Eine Arbeitsgruppe auf Ebene des Chefs des Bundeskanzleramtes […] wird beauftragt, bis dahin ein Konzept für eine sichere und gerechte Öffnungsstrategie zu erarbeiten.“

Das war die Arbeitsgrundlage im Januar. Das war ein Versprechen, welches gegeben wurde – nicht nur den Parlamenten, sondern den Bürgern insgesamt. Und ich muss Ihnen sagen: Diese Frist – 14. Februar – läuft aus, und es liegt kein Konzept vor. Dieses Versprechen wurde nicht gehalten.

Dass ein Bedürfnis danach und die Notwendigkeit dafür bestehen, lässt sich nicht ernsthaft bestreiten. Die Probleme sind überall. Ich muss das nicht alles wiederholen, möchte es Ihnen aber noch einmal vor Augen führen:

Unternehmen sind an ihrer Existenzgrenze angekommen, manche auch schon darüber hinweg – und da geht es nicht nur um Geld, sondern auch um die persönliche Erfüllung in der Ausübung der beruflichen Tätigkeit. Mich hat gestern ein Vertreter der Kreishandwerkerschaft Barnim angerufen, der sagte: Mit dem Geld komme ich vielleicht noch gerade so hin, aber es wurmt mich, es belastet mich, dass ich meinen Arbeitnehmern nicht die Tätigkeiten zubilligen kann, die sie beherrschen und zur Erfüllung, zu ihrer eigenen beruflichen Selbstentfaltung brauchen.

Vereine, meine Damen und Herren, leiden unter Mitgliederschwund, wo doch gerade die Kinder, die auf den Kindersport verzichten müssen, erheblichen psychischen Belastungen ausgesetzt sind. Da geht es nicht nur um die Erfüllung von Hobbys. Es geht um ein Miteinander; es geht um die Persönlichkeitsentfaltung.

Familien stehen vor großen psychischen Belastungen.

Ich unterstelle keinem – auch meinem Vorredner nicht -, dass ihm das egal sei; das sage ich nicht. Aber es ist Ihre Pflicht, das nicht nur festzustellen, sondern auch ganz konkrete Lösungsvorschläge zu entwickeln. Und ja, ich zähle auch Freizeithandlungen dazu, die übrigens keine Geschenke sind, sondern zur normalen Entfaltung der Persönlichkeit gehören; das möchte ich an dieser Stelle unterstreichen.

Meine Damen und Herren, es ist nicht so, dass das alles nur von uns käme. Die IHK hat vor drei Wochen Lockerungsperspektiven gefordert. Selbst der Städte- und Gemeindebund – nicht unser Freund – fordert mittlerweile Öffnungsstrategien für Schulen und Geschäfte. Die Kreishandwerkerschaften bombardieren uns – im positiven Sinne – mit Hilferufen.

Was haben wir stattdessen erlebt? Eine weitere Verlängerung mit Ad-hoc-, punktuellen, homöopathischen Lockerungsvorschlägen wurde beschlossen, ohne eine Strategie deutlich zu machen und ohne eine konkrete Angabe, wie es danach weitergeht. Deswegen bekräftigen wir als BVB / FREIE WÄHLER unsere Forderung an die Landesregierung, eine brandenburgspezifische Öffnungsstrategie vorzulegen. Und Strategie heißt nicht bloß „Weitermachen und durchhalten!“, sondern den Bürgern eine konkrete Antwort auf die simple Frage zu geben: Wann wird was unter welchen Bedingungen wieder geöffnet? – Darauf die Antwort „Jetzt noch nicht!“ zu geben, mag bequem sein. Sie ist aber nutzlos, weil sie keine Perspektive bietet, also keine Aussicht, was konkret passieren wird, und keine Planbarkeit, wann es passiert. Das ist es, was die Menschen frustriert.

Herr Ministerpräsident, Sie haben das heute in einem höflichen Ton dargestellt, aber Sie haben keine Perspektive geboten, keine brandenburgspezifischen Maßnahmen in Aussicht gestellt und insbesondere keine Zuversicht verbreitet, wann für die Brandenburger unter welchen Bedingungen Lockerungen eintreten können, sondern Sie haben uns hier mit – zugegebenermaßen nett vorgetragenen – Parolen in eine positive Stimmung zu versetzen versucht. Aber das genügt nicht!

Nun wurde unser Antrag im Vorfeld und auch heute noch einmal im Stile der Koalition andächtig kritisiert. Ich möchte Ihre Planungsgrundlage und die Art, wie detailliert Sie sich Zahlen überlegen, einfach einmal kurz kontrastieren. Am Anfang der Woche hörten wir von dem sehr geschätzten Fraktionsvorsitzenden der CDU: Grundschulwechselunterricht soll im Februar kommen. – Dann kommt die Grünen-Fraktionsvorsitzende: Ja, 22. Februar! – Dann kommt der SPD-Fraktionsvorsitzende: Das sollten wir machen, aber noch nicht jetzt am nächsten Montag. – Und dann teilt die Ministerin am gleichen Tag im ZDF mit – das haben Sie nicht gewusst -: Am 15. Februar müssen wir versuchen, neben den Abschlussklassen auch die unteren Jahrgänge wieder in die Schule zu senden.

(Zurufe)

Der Ministerpräsident teilt am gleichen Tag in der „Lausitzer Rundschau“ mit: Lockerungen ja, aber nicht vor März. – Eine Koalition aus drei Parteien schafft es also, innerhalb eines Tages fünf unterschiedliche Positionen darzustellen. Damit wir uns da nicht falsch verstehen: Ich empfinde keine Häme, dass es in der Koalition unterschiedliche Positionen gibt, und ich belustige mich auch nicht darüber, dass es unterschiedliche Vorschläge in sehr komplexen Vorgängen gibt.

(Zuruf)

Aber dann werfen Sie uns doch bitte nicht vor, dass wir konkrete Vorschläge machen, dazu Zahlen präsentieren und zur Diskussionsgrundlage machen. Wir kritisieren nicht, dass Ihre Termine widersprüchlich sind – das kann es geben -, sondern dass kein konkreter Bezug zum tatsächlichen Infektionsgeschehen hergestellt wird.

Präsidentin Prof. Dr. Liedtke: Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Herr Abg. Vida (BVB/FW): Herr Redmann ist immer so ungeduldig; deswegen will ich ihm das natürlich ermöglichen. Bitte schön.

Herr Abg. Dr. Redmann (CDU):

Vielen Dank, sehr geschätzter Herr Kollege,

(Vereinzelt Heiterkeit)

dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Sie haben vorhin sehr viel von brandenburgspezifischen Corona-Regeln gesprochen. Können Sie mir einen einzigen Aspekt nennen, bei dem sich aus Infektionsschutzgesichtspunkten eine Regelung in Brandenburg anders rechtfertigt als in anderen Bundesländern?

Herr Abg. Vida (BVB/FW):

Herr Redmann, ich glaube, da haben Sie vielleicht einfach eine andere Sprachtabelle bei sich im virtuellen Duden, denn mit „brandenburgspezifisch“ ist nicht gemeint, dass das Virus hier anders gestrickt ist, sondern dass wir auf Brandenburger Zahlen und Entwicklungen reagieren, und zwar landkreisbezogen. Das sieht unser Vorschlag vor. Wir haben immer gesagt, dass wir landkreisbezogen schauen, und da ist es nun einmal so, dass, wenn das Infektionsgeschehen in Frankfurt (Oder) anders als in Landshut oder in Cottbus anders als in Castrop-Rauxel ist, das auch unterschiedliche Maßnahmen rechtfertigt. So einfach ist das, auch wenn der ganze Problemkomplex sicherlich nicht einfach ist.

Um Ihre Frage zu beantworten, die Sie damit vielleicht implizit gemeint haben: Ihre Lockerungsvorschläge bestanden darin, Daten zu nennen – 15. Februar, 22. Februar, 1. März -, ohne einen Bezugspunkt zum Infektionsgeschehen herzustellen. So sieht es doch aus! Ein Öffnungsplan ist keine Angabe von Terminfolgen, sondern eine Festlegung von Öffnungskriterien, die sich am Infektionsgeschehen orientieren. Also: Welche Kriterien müssen erfüllt sein, damit dies und jenes passiert oder zum Beispiel auch wieder zurückgenommen wird? – Das wäre für den Bürger wenigstens nachvollziehbar, auch wenn mal etwas schließt. Nur, jetzt ist es so: Wir müssen durchhalten, wir beraten in drei Wochen noch einmal, wir schauen dann noch einmal, und wenn sich alles gut entwickelt – was heißt gut? -, dann werden wir eventuell weitere Maßnahmen ergreifen, und bis dahin müssen wir durchhalten. – Das ist keine Perspektive, das ist kein Plan, das ist nicht nachprüfbar. Deswegen brauchen wir konkret benannte, für – wenn man so will – Außenstehende objektiv nachprüfbare Zahlen.

Ich bin auch über Folgendes sehr enttäuscht – wir haben das am 20. Januar hier vorgetragen -: Infektionsumfeldanalyse. Am 19. Januar hat das RKI erstmals nach viereinhalb Monaten eine neue Infektionsumfeldanalyse präsentiert. Sie sagen jetzt: Wir haben erkannt, bei den Kitas ist das alles nicht so schlimm. – Ich frage mich: Warum gibt es keine Untersuchungen anderer Bereiche? Das wurde hier mehrfach versprochen, es gab nur keine Zahlen. Die Zahlen sind gekommen. Wir haben gesagt, wir ziehen unseren Antrag zurück, gehen aber davon aus, dass dieser Zahlenbrei, der zu dem Zeitpunkt noch vorlag, einer vertieften wissenschaftlichen Auswertung zugeführt wird, um zielgerichtete Maßnahmen vorzuschlagen. Das haben wir heute auch nicht gehört, und das ist enttäuschend.

Sie müssen nicht immer auf Irland zeigen. Schauen wir uns an, was in anderen Staaten passiert. Italien hat wieder den Präsenzunterricht eingeführt, die Museen sind geöffnet. Der Direktor der Uffizien in Florenz, des – wenn Sie mich fragen – großartigsten Museums der Welt, ein Deutscher, fasst sich an den Kopf und fragt sich, warum dort Öffnungen möglich sind und in Deutschland nicht. Die Zahl der Neuinfektionen ist in Italien seit Jahresanfang dennoch rückläufig.

In Österreich haben die Schulen Wechselunterricht eingeführt. Auch dort fallen die Infektionsraten. Polen hat vor wenigen Tagen Kino-, Hotel- und Theateröffnungen beschlossen.

Ich sage nicht, dass wir das alles von einem Tag auf den anderen in Summe übernehmen müssen, aber es muss schon möglich sein, dass man sich an Beispielen orientiert und nicht nur an Negativbeispielen als Abwehrhaltung, sondern auch an Positiventwicklungen, um Zuversicht zu verleihen. Welchen Eindruck vermitteln Sie den Bürgern? Dass es keinen Plan gibt und nur auf großen Druck der Öffentlichkeit hin Lockerungen entstehen.

Wie war es denn bei den Friseuren? Da wurde im Vorfeld der Beratungen ja auch gesagt, es gebe keine Lockerungen. Und dann heißt es, der Bundesinnenminister hat festgestellt, die Inanspruchnahme von Friseurdienstleistungen hat sich jetzt in den privaten Raum verlagert, wo es keine Hygienekonzepte gibt. Wer hätte es gedacht! Deswegen haben Sie erkannt – ohne empirische Untersuchungen, einfach aufgrund anthropologischer Gegebenheiten; so will ich es einmal bezeichnen -, dass man hier Lockerungen vornehmen muss. Deswegen braucht auch Brandenburg endlich einen Gesamtplan zur Öffnung verschiedener Wirtschaftsbereiche.

Das Gute ist ja, Sie sind in einer komfortablen Position – mein Vorvorredner hat es gesagt -: Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Thüringen haben Vorarbeit geleistet. Auch die haben Stufenpläne entwickelt, die nicht Gegenstand so erheblicher Kritik waren wie von Ihnen, Herr Redmann. Das sage ich in der Hoffnung, dass auch unsere Anregung Grundlage einer möglichen Betrachtung und von Ihnen auch ernsthaft in Betracht gezogen und berücksichtigt wird.

Bevor Sie Ihre Kritik zu sehr vertiefen und zu einer weiteren Zwischenfrage ausholen oder eventuell schon nach der Kurzinterventionskarte kramen, möchte ich auf folgende Irritation, die im Zuge der heutigen Debatte bei mir entstanden ist, hinweisen: Es mag sein, dass unser Lockerungsplan – 35, 65, 100 – an manchen Punkten etwas lockerer ist. Gucken wir uns genau an, wie es aussieht: Thüringen hat die lockersten Pläne, deutlich lockerer als unser Vorschlag. Niedersachsen hat den strengsten Plan, und genau in der Mitte zwischen beiden liegen unser Vorschlag und der von Schleswig-Holstein. Nun könnte man sagen, dass sowohl der Plan Schleswig-Holsteins als auch der Vorschlag der Freien Wähler zu locker ist. Was aber sagt Dr. Redmann Anfang dieser Woche zum Plan Schleswig-Holsteins? Ich zitiere aus Berlin.de:

„Das würde für Brandenburg bedeuten, dass dort, wo die Inzidenz unter 100 Neuinfizierte […] sinkt, die Grundschulen wieder in Wechselunterricht gehen können.“

Das steht in unserem Plan.

„Das würde ich mir nach zwei Monaten […] sehr wünschen. Nach dem […] Plan von Schleswig-Holstein ist ein beschränkter Regelbetrieb“ und so weiter …

Und Herr Redmann äußert, dass er den Plan von Schleswig-Holstein sehr positiv findet.

Jetzt könnte man sich die Frage stellen: Hat sich das von Dienstag bis heute, Donnerstag, so gravierend verändert, dass Schleswig-Holstein seinen Plan mittlerweile zurückgezogen hat? Nein, das ist nicht der Fall, sondern hier …

(Zuruf)

Noch einmal, weil Sie weiterhin erregt sind: Der Stufenplan der Regierung von Schleswig-Holstein sei sehr gut

(Dr. Redmann [CDU]: Ja!)

und könne als Orientierung dienen. Meine Damen und Herren, Sie müssen dazu Folgendes wissen: In der Juristerei bekommen nur 0,1 % der Bereiche das Prädikat „Sehr gut“ verliehen. Wenn der Plan von Schleswig-Holstein sehr gut ist und die durchschnittlichen Werte ungefähr denen unseres Plans entsprechen,

(Zuruf)

– Moment -, muss unser nicht derjenige sein, den Sie umsetzen. Aber dann so zu tun, als wäre er unverantwortlich und mit Irland vergleichbar, geht mathematisch an der Realität vorbei. Vielleicht können Sie da noch einmal nachrechnen, wenn Sie da das Prädikat „Sehr gut“ verleihen. Ich glaube nicht – Herr Redmann, Sie sind auch ein Analytiker -, dass das damit zusammenhängen könnte, wer ihn erstellt hat und dass der Ministerpräsident zu Ihrer Partei gehört. Ich glaube nicht, dass es damit zu tun hat; das will ich Ihnen nicht unterstellen.

Im Übrigen führt ein Stufenplan auch dazu, dass Sie schneller reagieren können und nicht bis zur nächsten Ministerpräsidentenkonferenz warten müssen, wo dann Sachen in Verordnungen gegossen werden usw. usf. und Sie einen Verzug hinbekommen. Genau deswegen haben wir das so vorgeschlagen. Unser Plan sieht ja auch vor, dass die Maßnahmen ab 1. März greifen – nicht vergessen -, das heißt zu einer Zeit, in der sich die Zahlen aus heutiger Betrachtung positiv weiterentwickelt haben werden.

Ich möchte Sie auch daran erinnern: Wenn Sie hier wie selbstverständlich mitteilen, natürlich könnten wir Zoos und Tiergärten öffnen, denn wo sei der Unterschied zu Parks – exakt das haben wir im Oktober und November hier vorgetragen, mit den gleichen Argumenten. Da war nicht Irland, sondern Österreich der Bezugspunkt. Das haben Sie im Brustton der Entrüstung und Empörung abgelehnt.

(Zuruf)

– Na, wer denn? Die üblichen Verdächtigen, die drei hier!

Der Witz ist: Heute mit einer Inzidenz von 79 sind wir genau an dem Wert vom 1. November mit Inzidenz von 80 angekommen, als übrigens der ganze Einzelhandel geöffnet war. So viel zur Stringenz Ihrer Betrachtung, wenn uns hier Zahlen vom Mai 2020 vorgehalten werden.

(Zuruf)

– Doch. Ich habe den Lageplan noch einmal ganz exakt angeguckt.

Damals haben Sie es bei gleichen Inzidenzzahlen abgelehnt, und heute tun Sie so, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt, obwohl damals die Kurve nach oben ging und sie heute nach unten geht.

Auch uns ist klar, dass nicht alles gleichzeitig geöffnet werden kann. Das beantragen wir auch nicht, schlagen wir nicht vor, haben wir nie getan.

(Zuruf: Doch!)

– Nein. – Doch die Antwort kann nicht darin bestehen, trotz stark abnehmenden Infektionsgeschehens erst bei massivem Druck aus der Öffentlichkeit zu reagieren. Wir würden uns ehrlich gesagt über einen Mut freuen, den Sie noch bei der Offenhaltung der Kitas hatten. Da gab es auch Diskussionen und politische Konfrontationen. Da gab es auch Irritationen: Warum geht Brandenburg hier einen kleinen Sonderweg? Wohin hat dieser Sonderweg geführt? Dass entgegen allen Befürchtungen eben keine Katastrophe eingetreten ist und die Neuinfektionszahlen dennoch gesunken sind und Sie damit Eltern den Lockdown erleichtert und ihn auch für Kinder erträglicher gestaltet haben. Das fanden wir gut. Genau deswegen brauchen wir das auch – einen Plan – für andere Bereiche: für die Unternehmer, für die Vereine, für die Künstler, für Schulen, für Familien in Gänze.

Meine Damen und Herren, wir haben nicht das Recht, bei solch gravierenden Grundrechtseinschränkungen bequem zu werden. Es ist nicht die persönliche Opferbereitschaft der Abgeordneten, die den Maßstab bildet – nach dem Motto, wie ich es in Interviews immer höre: Mich belastet es auch, aber ich halte es aus, ich ertrage es. – Nein, meine Damen und Herren, es ist die Summe der Betroffenheit der Vielen in unserem Land. Das muss Grundlage der Betrachtung sein. Deswegen reichen nun einmal keine Parolen und Beschwichtigungen, Bestärkungen und Bekräftigungen, denn man braucht eine planbare Perspektive, die den Bürgern eine klare Aussicht bietet, und auch den Mut, Erfolge in der Infektionsentwicklung – die wir anerkennen – auch in Öffnungen, Lockerungen umzumünzen. Das erwarten die Bürger von uns. Deswegen braucht es eine Gesamtöffnungsstrategie, eine abgestufte Strategie über den homöopathischen Formelkompromiss von gestern hinausgehend. Hierzu möchten wir mit unserem Antrag einen Beitrag leisten. – Ich danke Ihnen, dass Sie dem so aufmerksam zugehört haben. – Danke schön.

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