Rede von Christine Wernicke in Textform:
Frau Abg. Wernicke (BVB/FW):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Liebe Brandenburger Landwirte und Landwirtinnen! Beginnen möchte ich mit einem Märchen: Es war einmal ein kleines grünes Männchen, welches in der großen Stadt fernab von den Bauernhöfen lebte. Aus Erzählungen wusste es, dass die Bauern ihr Geld im Schlaf durch Fördermittel verdienen und die Umwelt verschmutzen. Zu gern zockte das Männchen in der digitalen Welt und spielte Landwirtschaftssimulator. Mit dieser Bauernschläue wollte es den Bauern erklären, wie Landwirtschaft funktioniert und dass man sich an die Marktbedingungen anpassen müsse. Und wenn es nicht verhungert ist, dann zockt es noch heute.
Genug mit den Träumereien! Wir sind in der Aktuellen Stunde, in der der Landtag die aktuellen Herausforderungen und die Chancen der Brandenburger Landwirtschaft in den Blick nehmen soll, die sich in Zeiten der Coronapandemie auftun. Die Coronapandemie ist keine Chance, sondern droht, ein weiterer Sargnagel für die brandenburgische Landwirtschaft zu werden.
Ackerbauern und Tierhalter leiden unter dem Corona-Lockdown der Gastronomie. Das zeitgleiche Auftreten der Afrikanischen Schweinepest, der Geflügelgrippe und des dritten Dürrejahres in Folge werden für erhebliche Eigenkapitalverluste sorgen. Viele kleine und große Landwirtschaftsbetriebe sehen sich in ihrer Existenz bedroht. Kein Betriebszweig kommt ungeschoren davon, und große Liquiditätsprobleme sind zu erwarten.
Ich möchte nur einmal auf die Schweinehalter eingehen. Der Schweinepreis befand sich zum Jahreswechsel 2020/2021 auf dem niedrigsten Stand seit fast 15 Jahren, ein Preisrückgang von über 30 % ist wahrscheinlich. Mit diesen Preisschwankungen könnten die Landwirte eventuell noch leben. Hinzu kommt jedoch, dass die Schlachtbetriebe die Schweine gar nicht erst aufkaufen. Die Schweine bleiben im Stall, brauchen weiterhin Futter und Pflege; sprich: Sie kosten weiterhin Geld und bringen keine Erlöse. Sie werden größer und schwerer und wenn sie dann endlich zum Schlachten abgeholt werden, passen weniger auf den Hänger. Der Preis reduziert sich aufgrund des Übergewichts, und am Ende erhält der Landwirt ca. 60 Cent pro Kilogramm. Ich hoffe, Sie wissen, wie teuer Schweinefleisch im Supermarkt ist. Da helfen auch kein Tierwohllabel und kein bewusster Verbraucher, wenn der Lebensmitteleinzelhandel die Preise vorgibt.
Bei den Milchviehhaltern sieht es nicht besser aus. Das Aldi-Märchen vom Butterpreis ist Ihnen sicherlich bekannt. Stellen Sie sich mal vor: Sie gehen in ein Autohaus, fahren ein Auto einen Monat lang Probe und sagen dann dem Verkäufer, welchen Preis Sie für das Auto zu bezahlen bereit sind. Dies müssen sich die Landwirte für ihre Produkte gefallen lassen. Genau das ist die aktuelle Situation in der Brandenburger Landwirtschaft.
Es ist schön, wenn Umfragen unter den Verbrauchern ergeben, dass sie bereit sind, mehr Geld für ihr Essen auszugeben; das mag in Umfragen der Fall sein. Aber 90 % der Verbraucher wählen ihren Einkauf an der Supermarktkasse nach dem Preis aus und entscheiden nicht nach Region und Tierwohl.
Bezeichnend ist auch die Aussage der agrarpolitischen Sprecherin der Grünen in Bayern, Gisela Sengl, die sagt:
„Ich möchte lieber biologischen Weizen aus Italien als konventionelles Getreide aus dem Nachbardorf.“
Da kann man den Plakaten auf den Bauerndemos zur grünen Landwirtschaftspolitik nur recht geben: Sie säen nicht, sie ernten nicht, sie düngen nicht und wissen es trotzdem besser.
Es muss sich etwas ändern. Regionalität, Tierwohl, Artenschutz sowie gezielte Düngung und Pflanzenschutzeinsatz sind im Sinne des Klimaschutzes und im Interesse aller Landwirte, egal, ob ökologisch oder konventionell. Der Landwirt und seine Familie müssen am Ende des Tages von seinen Einnahmen nicht nur überleben, sondern auch leben können.
Welche Chancen wollen wir Junglandwirten bieten, die von einer kleinen bäuerlichen Landwirtschaft in Brandenburg träumen und so wirtschaften wollen, wie es viele Verbraucher als ideal ansehen? Sie brauchen Land, sie brauchen eine Bank, die das finanziert, sie brauchen Enthusiasmus und fachliches Können. Und die Politik muss dafür sorgen, dass ein langfristiger Rahmenplan zur Ausrichtung der Brandenburger Landwirtschaft vorhanden ist. Wir in der Politik können in verschiedenen Bereichen des Lebens darauf hinwirken, dass der Berufsstand der Bauern geachtet und ihre Arbeit geschätzt wird.
Was sehen die Verbraucher? Neue Traktoren, Subventionen und Dürrehilfe. Was sehen die Verbraucher nicht? 365 Tage Arbeit im Jahr, immer neue Auflagen und Kontrollen, Stoffstrombilanz, steigende Pacht- und Futterkosten, Wetterextreme, kaum Urlaub, kein Ansehen in der Bevölkerung.
Präsidentin Prof. Dr. Liedtke: Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage so kurz vor dem Ende?
Frau Abg. Wernicke (BVB/FW): Nein, ich möchte meine Rede zu Ende halten. – Jochen Borchert sagte so schön: „Bauer sein, das ist kein Job, sondern eine Aufgabe. Bauern denken in Generationen.“ Lassen Sie uns auch für Generationen denken und lassen Sie uns hiernach handeln. – Vielen Dank.