Rede von Philip Zeschmann in Textform:
Herr Abg. Dr. Zeschmann (BVB/FW):
Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Liebe Kollegen Abgeordnete! Herr Bretz, ich bin gespannt, ob Sie nach Einzelplan 20, wenn die Debatte vorüber ist, auch noch große Freude äußern.
Im Einzelplan 08 gibt es viele große Herausforderungen für die Zukunft; das wurde eben schon angeschnitten. Erfreulich war übrigens, dass es hier im Vergleich zu vielen anderen Einzelplänen eine relativ geringe Zahl von Änderungsanträgen der Koalitionsfraktionen zum ursprünglichen Entwurf gab. Das möchte ich einmal lobend erwähnen. Da kamen also nicht über Nacht zehn, zwanzig Änderungsanträge – wie sonst oft üblich.
Das bedeutet aber nicht, dass totale Zufriedenheit herrscht. Es gibt natürlich auch hier den einen oder anderen Punkt, den wir ansprechen müssen. Zugegebenermaßen – das wurde auch bereits angesprochen – gibt es in diesem Ministerium viele Förderprogramme von der Bundes- oder der EU-Ebene, die kofinanziert werden müssen und nicht so viel finanziellen Spielraum lassen; denn es ist wohl für uns alle selbstverständlich, dass wir die Förderprogramme, die wir für das Land Brandenburg nutzbar machen können, auch nutzen wollen.
Ich muss aber schon noch deutlich sagen: Grundsätzlich vermissen wir weiterhin – das zeigt sich auch in diesem Haushaltsentwurf – eine eigenständige, konsistente und finanziell unterlegte wirtschaftspolitische Konzeption abseits der Umsetzung der eben genannten Förderprogramme und – gerade im CoronaKontext – der entsprechenden bundespolitischen Programme. Das Problem haben wir im Frühjahr schon diskutiert.
Und auch ein Tesla macht noch keine erfolgreiche Industriestandortpolitik, macht noch keinen Industriestandort Brandenburg. In dem Kontext muss ich kurz auf Herrn Barthel eingehen: Es geht um eine wirtschaftspolitische Konzeption. Da reicht es einfach nicht, wie Sie es in Ihrer Rede beispielhaft getan haben, die Anzahl von Unternehmen zu nennen und einzelne Unternehmen aufzuzählen. Das ist keine wirtschaftspolitische Entwicklungskonzeption; dahinter steht keine wirtschaftspolitische Zielstellung. Das fehlt einfach vollkommen, und deswegen haben wir als BVB / FREIE WÄHLER in diesem Hause zu den Vorlagen aus dem Hause des Wirtschaftsministers schon des Öfteren gesagt: Na ja, das ist eher die Agentur des Bundeswirtschaftsministeriums zur Abwicklung der Programme des Bundes; eigene Programme finden sich dort leider nicht. – Auch eine entsprechende finanzielle Unterlegung solcher Programme findet man in diesem Haushalt logischerweise nicht.
Ähnlich sieht es mit der groß angekündigten Wasserstoffstrategie des Landes aus. Das soll die neue heilbringende Zukunftsperspektive sein; es wurde ja schon auf Bundes- und Landesebene – auch von Herrn Woidke und Herrn Steinbach – entsprechend vermarktet. Leider konnten wir im ganzen Haushalt keine wirklich erkennbare, deutliche finanzielle Akzentuierung in dieser Hinsicht feststellen. Also haben wir es hier wieder mit einem Ankündigungshaushalt zu tun. Wo bildet sich das ab? Wo finden wir etwas dazu, dass die Wasserstoffstrategie wirklich wichtig ist? Das kann ich leider nicht erkennen; das bedauern wir sehr. Hinzu kommt, dass ein Antrag vorlag, hier 45 Millionen Euro zusätzlich einzustellen, der von den Koalitionsfraktionen im Haushalts- und Finanzausschuss natürlich rundweg und ohne Begründung abgelehnt wurde. An der neuen energiepolitischen Langfristkonzeption scheint also nicht so viel dran zu sein. Das ist sehr bedauerlich.
Genauso geht es weiter: Wo finden sich im Einzelplan 08 konkrete Programme oder finanziell unterlegte Ideen, um den Strukturwandel in der Lausitz anzustoßen und zu begleiten? – Nirgends! Es tut mir leid, aber es ist ein Armutszeugnis, hier wieder einmal – wie so oft – auf den Bund zu zeigen und zu sagen: Macht mal! Bringt mal eure Milliarden hierher, dann wird das schon. – Es gibt keine Konzeption; das fehlt einfach. Es gibt keine Ansätze in diesem Haushalt, das anzustoßen oder zu unterlegen. Das finden wir äußerst traurig.
Damit sind wir schon bei einem zentralen Thema, nämlich der Problematik der Bewältigung der Energiewende. Hier geht es auch um das Bereitstellen oder wenigstens die massive Förderung von Speichertechnologien. Ich glaube, alle, die sich mit dem Thema Energiewende beschäftigt haben – das haben wir auch im Rahmen der Wasserstoffstrategie des Öfteren vernommen -, wissen: Das Problem, der Flaschenhals ist die Speichertechnologie. Wir brauchen die Speichertechnologie und die Speicher, um erneuerbar erzeugte Energie, wenn ihr Anteil auch noch wächst, zwischenspeichern zu können und damit zurechtzukommen. Wo finden sich die entsprechende Förderung, die massiven Investitionen in diesem Bereich? Sagen Sie es mir, liebe Kollegen von der Koalition! Ich habe dazu leider nichts gefunden. Das stärkt auch nicht gerade die Zuversicht, dass uns in Brandenburg eine ernsthafte Energiewende gelingen kann und die damit verbundenen klimapolitischen Ziele erreicht werden können. Aber es ist dann Ihr Problem, deutschlandweit zu kommunizieren und zu erklären, warum Brandenburg diese Ziele nicht erreicht hat.
Darüber hinaus gibt es kleinteiligere Kritik, die wir anbringen müssen. So hätten wir uns grundsätzlich einen größeren Sparwillen gewünscht, als er hier zu erkennen ist. Im Vergleich zu den gestiegenen Einnahmen hätten die globalen Minderausgaben, also die allgemeinen Einsparungen, gegenüber den letzten Jahren um 100 % höher ausfallen müssen. Wir reden hier von einer Steigerung von gerade einmal 0,9 % auf 1,8 % des Volumens des Haushalts dieses Ministeriums. Wir hatten, moderat wie wir sind – Herr Bretz -, lediglich globale Minderausgaben auf dem Niveau des Vorjahres beantragt – und nicht irgendwelche brutalen Kürzungsorgien verlangt. Aber nicht einmal das soll möglich sein, obwohl die Koalitionsfraktionen selbst zur Finanzierung der Bekämpfung der Afrikanischen Schweinepest – wir haben es heute gehört – Deckungsvorschläge gefunden und in ihre Änderungsanträge geschrieben haben, die einen über die zuvor eingeplanten und dann doch plötzlich disponiblen, üppigen Polster im Haushalt staunen lassen. Ich finde es schon beeindruckend, was Sie da an riesigen Polstern in Höhe von, so glaube ich, 32 Millionen Euro zusammengetragen haben. Offensichtlich gibt es also Spielraum; Sie wollen nur keine politischen Akzente setzen und tun das bei den wichtigen Fragen, die ich angesprochen habe, auch nicht.
Die Haushaltsdiskussion zu fast allen Einzelplänen hatte auch das Thema Digitalisierung und die Schaffung der entsprechenden Voraussetzungen zum Inhalt. Als man Deckungsvorschläge für andere Ausgaben suchte – ich sprach gerade schon die Afrikanische Schweinepest an -, nahm man, statt sich selbst zu beschränken, den Kommunen einfach mal 3 Millionen Euro für den Breitbandausbau weg. Wir finden: Das ist nicht nur der falsche Weg – denn der Bedarf ist weit größer als der Ansatz, und die Kommunen sind auf jedwede Unterstützung angewiesen …
(Anhaltende Unruhe)
Vizepräsident Galau: Herr Zeschmann, ich darf Sie kurz unterbrechen. – Herr Bischoff, die Gespräche auf der rechten Seite sind extrem störend. Man kann teilweise wirklich nicht richtig zuhören. Ich bitte, das zu unterbrechen. – Vielen Dank. – Herr Zeschmann, bitte fahren Sie fort.
Herr Abg. Dr. Zeschmann (BVB/FW): Danke. – … sondern das ist gerade auch für ein Wirtschaftsministerium erschreckend. Geben doch unsere Unternehmen landauf, landab bei jeder Umfrage zu Protokoll, dass neben dem Fachkräftemangel die mangelnde Breitbandversorgung ein wesentlicher Hemmschuh für eine bessere wirtschaftliche Entwicklung in unserem Land darstellt. Im Haushalt ist diesbezüglich nichts zu finden, oder es wird noch gekürzt.
Ein Projekt, das auch unseren Kolleginnen und Kollegen von den Linken am Herzen liegt, ist das eben schon angesprochene Kleinspeicherprogramm. Denn so, wie es 2020 umgesetzt wurde, war es, wie sich gezeigt hat, mehr als nur eine Erfolgsgeschichte. Bereits sechs Wochen nach Beginn des Programms war es völlig überzeichnet, und es war klar, dass der Bedarf dramatisch höher ist als der Haushaltsansatz. Ziel dieses sogenannten 1000-Speicher-Förderprogramms des Landes war und ist die Förderung der Anschaffung von Stromspeichern zur Erhöhung des Eigenverbrauchs von Solarstrom und der gleichzeitigen Schaffung dezentraler Speicherkapazitäten, dem von mir eben schon angesprochenen Flaschenhalsthema der Energiewende – liebe Kollegen von der CDU in den hintersten Bänken, die gern ihren Plausch weiter fortführen, schon den ganzen heutigen Tag über -, sowie eine damit verbundene Entlastung des Stromnetzes.
Der Regelfall wäre, dass die Landesregierung bei einem so erfolgreichen Programm Mittel mindestens in Höhe des Vorjahresansatzes für ein Programm, das auch 2021 und 2022 fortgeführt werden sollte, bereitstellt. Aber hier nun die übliche Ausnahme von der Regel: Weil es so erfolgreich war, kürzt die Landesregierung die Mittel um 83 %. Dass Erfolgsgeschichten, die am Nadelöhr der Energiewende ansetzen, die also von enormer Wichtigkeit sind, damit es sich dort wenigstens ein bisschen bewegt – denn wir haben noch nicht so viele Speicher, um es vorsichtig auszudrücken -, so enden, ist bitter und einfach nicht hinnehmbar.
Deshalb hatten wir gesagt: Na gut, wir schauen, wie viel an Einsparungen wir in unseren 50 Änderungsanträgen zum Haushalt zusammenbekommen, um hier entsprechend aufzustocken. – Wir hatten eine Vervierfachung der Mittel angestrebt. Bei einem gleichen Ansturm wie bisher, also wie in diesem Jahr, hätte das dazu geführt, dass das Programm immerhin ein halbes Jahr lang hätte genutzt werden können. Auch das wurde im Haushalts- und Finanzausschuss von Ihnen als Koalition natürlich abgelehnt. Bei den Koalitionsfraktionen scheint es also nicht weit her zu sein mit dem Bestreben, die Energiewende in Brandenburg wirklich zu schaffen.
Auch unverständlich ist, dass es nicht einmal einer ernsthaften Diskussion wert war, sich mit dem Thema Fachdeutschkurse auseinanderzusetzen. Offensichtlich ist Ihnen nicht bewusst, dass es unter den Geflüchteten tatsächlich viele Fachkräfte gibt, die nicht entsprechend ihren Fähigkeiten und Kenntnissen eingesetzt werden können, weil sie schlichtweg das Fachdeutsch nicht beherrschen. Um beispielsweise einen syrischen Ingenieur einstellen zu können, reicht es leider nicht, dass dieser höflich Guten Tag und Auf Wiedersehen sagen kann. In vielen Kommunen, die händeringend Mitarbeiter gesucht haben, haben sich gut ausgebildete Flüchtlinge beworben, die aber nicht eingestellt werden konnten, weil das Fachdeutsch fehlte.
Sich dieses Themas nicht anzunehmen, bedeutet, auf vorhandene Fachkräfte und vorhandenes Fachwissen bewusst zu verzichten, was angesichts des vorherrschenden Fachkräftemangels, der ansonsten von Ihnen in Sonntagsreden gern angesprochen wird, in vielen Branchen mindestens kontraproduktiv, wenn nicht gar absurd ist.
Wenn hier nicht Koalitionszwang im Sinne der beteiligten Parteiinteressen herrschen, sondern gesunder Menschenverstand regieren würde, dann würde das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Energie über eine eigenständige, konsistente und finanziell unterlegte wirtschaftspolitische Konzeption verfügen und diese nachhaltig zum Wohle der Entwicklung unseres Landes um- und durchsetzen.
Dann wäre die zukunftsweisende Wasserstoffstrategie mit diesem Haushalt präzisiert worden, und es wäre ein deutlicher finanzieller Akzent für eine möglichst schnelle Umsetzung und auch zur Förderung der Lausitz vorgesehen worden. Dann würden alle denkbaren Speichertechnologien massiv unterstützt und deren schneller Ausbau schwerpunktmäßig gefördert. Auch das würde sich in diesem Haushaltsentwurf deutlich widerspiegeln. In diesem Fall würde eine Kleinspeicheroffensive ungekannten Ausmaßes gestartet werden, weil dies die dezentrale Speicherung von Strom im ganzen Land ermöglichen und auch noch der Dezentralisierung der Energieerzeugung, Energiespeicherung und -verwendung dienen würde.
Die Integration von Migranten mit Fachkenntnissen über Deutschkurse würde ebenfalls massiv unterstützt und ausgebaut, um auf diesem Wege wenigstens ein bisschen dabei zu helfen, dass der große Fachkräftemangel in vielen Branchen unserer Wirtschaft nicht mehr so schlimm drückt wie bisher.
So geht zukunftsorientierte Wirtschaftspolitik, werte Landesregierung und werter Herr Steinbach. – Danke schön.