Link zum Vorgang: https://www.bvb-fw-fraktion.de/parla_tracking
Rede von Péter Vida in Textform:
Herr Abg. Vida (BVB/FW):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Mir wurde gerade vom Fraktionsvorsitzenden der CDU zugerufen, es sei schade, dass unser Kandidat nicht in der Stichwahl sei; damit habe sich das Thema aus unserer Sicht erledigt. – Meine Damen und Herren, das ist wahrscheinlich die Auffassung, wie sie die Regierung vertritt. Doch wenn wir etwas für richtig erachten, für medizinisch notwendig erachten, dann stellen wir diese Anträge und machen sie nicht davon abhängig, ob Wahlkampf ist. Das ist, glaube ich, der Unterschied zur CDU und zu dem, wie sich Ihre Minister gerieren.
Es lässt schon sehr tief blicken, dass wir quasi einen Antrag zurückziehen sollen, nur weil der Bürgermeisterwahlkampf vielleicht anders verläuft, als es sich der eine oder andere erhofft. Das ist schon bemerkenswert, insbesondere wenn man weiß, dass der CDU-gestützte Kandidat mittlerweile dreimal angerufen hat, um um Unterstützung für die Stichwahl zu bitten.
Insofern: Lassen Sie uns lieber bei der Sache bleiben, denn eine gute medizinische Versorgung als Säule der Sicherstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse ist, glaube ich, unstreitig. Genauso ist unstreitig, dass wirtschaftliche Kennzahlen hierbei in den Hintergrund treten müssen. Deswegen beantragen wir als BVB / FREIE WÄHLER die Errichtung eines Rettungshubschrauberstandortes in Neuruppin, denn die Ruppiner Kliniken sind – auch das ist unstreitig – ein Schwerpunktversorger mit Relevanz weit über die Region hinaus.
Die Stationierung der aktuell fünf Rettungshubschrauber im Land ist geografisch durchaus nachvollziehbar, aus unserer Sicht aber nicht ausreichend. Dabei spielt auch eine Rolle, dass der einzige Intensivtransporthubschrauber in Senftenberg und somit im äußersten Süden des Landes stationiert ist.
Zur vollumfänglichen Abdeckung, aber auch unter Würdigung der Unfallträchtigkeit der Umgebung, also der A 24, und der Versorgungskapazitäten innerhalb der Ruppiner Kliniken werben wir für einen weiteren Standort in Neuruppin, unabhängig davon, wer dort wann zu Wahlen antritt.
Meine Damen und Herren, dazu gibt auch die Landesregierung mit ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage 804 genügend Anlass. Darin wird uns ganz ausführlich erklärt, dass ein Rettungshubschrauber nicht hilfsfristrelevant sei. Das mag nach der Definition des Gesetzes und der Verordnung stimmen. Aber dass er rettungsrelevant und somit zeitrelevant ist, ist ja wohl medizinisch unstreitig, denn er bedient ungefähr zu einem Viertel Primäreinsätze, sodass seine Bedeutung unstreitig gegeben ist.
Die Position der Landesregierung, wonach eine Auslastung nicht gegeben sei und ein Rettungshubschrauber in Neuruppin anderen Standorten Konkurrenz mache, ist unter ethischen Gesichtspunkten nicht vertretbar. Die Kriterien der Wirtschaftlichkeit und Auslastung müssen bei der Rettung von Menschenleben hintanstehen.
Ärzte der Ruppiner Kliniken weisen uns darauf hin, dass es aufgrund des Personalmangels und der vorgeschriebenen Pausenzeiten in den Sommermonaten zunehmend zu Außerdienststellungen von Luftrettungsmitteln kommt, obwohl der Bedarf deutlich steigt. Von einer Unterauslastung kann also nicht die Rede sein. Der Intensivtransporthubschrauber, der auch nachts fliegen kann – nur einer! -, ist leider im äußersten Süden stationiert, sodass das natürlich für die Region ein Problem darstellt, erst recht während einer Pandemie.
Erst am 4. November 2020, vor einer Woche, hat die Gesundheitsministerin in einem Rundschreiben an alle Krankenhäuser Informationen zu den notwendigen Rahmenbedingungen der Krankenhausversorgung angesichts von Covid-19 gegeben. In diesem Rundschreiben weist die Gesundheitsministerin darauf hin, dass im Rahmen der Aufnahme bzw. der Verlegung von Corona-Patienten die Zentrale Koordinierungsstelle für Luftrettung eine unterstützende Aufgabe übernommen habe. Auch im Bereich der Sekundäreinsätze steigt also im Angesicht einer Pandemie die Relevanz eines guten Rettungshubschrauberstandortnetzwerkes – nicht unsere Worte, Worte der Ministerin -, und gerade angesichts von Corona kann und darf hier daher nicht mit knallharten Wirtschaftskennzahlen argumentiert werden, zumal die Landesregierung in der Antwort auf die Kleine Anfrage 804 auch einräumt, überhaupt keine Kostenbetrachtungen für einen Rettungshubschrauber in Neuruppin gemacht zu haben.
Wir glauben, dass man in Zeiten einer Pandemie alle Möglichkeiten zur Verbesserung der medizinischen Versorgung ergreifen sollte. Hinzu kommt, dass es keine die Notwendigkeit des Antrags widerlegende Zahlen gibt. Fragen zu präzisen Auswertungen der Einsätze konnte die Landesregierung nicht beantworten. Konkrete Angaben hierzu liegen nicht vor – so die Mitteilung.
Schauen wir uns die Planungsgrößen bei den Hilfsfristen an. Selbst wann man die förmlich korrekte Definition der Landesregierung zugrunde legt, muss diese einräumen, dass der Zielerreichungsgrad in OPR bei nur 88,8 % liegt – auch das unabhängig von irgendwelchen Wahlen. Nun mag es sein, dass die letzten 11 % teurer sind als die ersten 11 %. Aber das kann kein ethisches Kriterium sein.
Auch zu der Dauer der Prähospitalzeit liegen der Landesregierung – das ist kein Vorwurf, sondern eine Feststellung – keine Erkenntnisse vor.
Nun stellt sich die Frage, wie man das gesundheitspolitisch bewertet. Man kann es machen wie der Landrat von OstprignitzRuppin, der, noch bevor die Antwort auf die Kleine Anfrage verschickt war, die ablehnende Haltung der Landesregierung mitgeteilt bekam – auf welchem Wege auch immer.
In einem Rundschreiben an alle Kreistagsabgeordneten beschuldigte der SPD-Landrat Reinhardt uns BVB / Freie Wähler sodann, dass unsere Kleine Anfrage zu der Ablehnung seitens des Gesundheitsministeriums geführt habe. Hierzu der Landrat in seiner amtlichen Mitteilung – Zitat -: Ursache für die jetzige Entscheidung – also die negative Entscheidung – ist eine parlamentarische Anfrage von einer Landtagsfraktion, die den Entscheidungsprozess nunmehr zeitlich forciert hatte. Bedauerlicherweise waren wir dadurch nicht mehr in der Lage, die Zusammenhänge mit den Aufgaben des Schwerpunktkrankenhauses Neuruppin mit dem Ministerium vertiefend final zu erörtern.
Unsere Anfrage führte also dazu, dass er nicht mehr mit der Ministerin verhandeln konnte.
Der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Kreistag OstprignitzRuppin und auch Kandidat für den Landtag, Wolfgang Freese, äußerte sich in der „Märkischen Oderzeitung“ vom 24. Oktober ebenso und beschuldigte BVB / FREIE WÄHLER, dass wir durch unsere Anfrage die Ablehnung provoziert hätten.
Meine Damen und Herren, diese Entgleisung, die die Wahrnehmung verfassungsmäßiger Rechte durch die demokratische Opposition verunmöglichen soll, wirft ein besorgniserregendes Licht auf die Sichtweise und Befassung mit diesem Thema.
Ich möchte diese Feststellungen für jene voranstellen, die uns vielleicht im Laufe der Debatte darüber belehren wollen, dass man sich doch bitte vor Ort sachlich mit dem Thema auseinandersetzen solle. Wie sachlich das Ihre Parteikollegen vor Ort tun, haben wir hier, glaube ich, eindrücklich gezeigt. Eine Richtigstellung durch die Protagonisten ist seitens des Landrates dürftig und seitens des Grünen-Experten gar nicht erfolgt.
Doch dadurch, meine Damen und Herren, lassen wir uns nicht entmutigen! Wir stellen fest, dass das in unserem Antrag geschilderte Anliegen in Ostprignitz-Ruppin – unabhängig von der Wahl – überparteilicher Wille ist; wir stellen fest, dass die sich verschärfende Pandemielage solche Maßnahmen erfordert, und wir stellen fest, dass es keine medizinisch belastbaren Zahlen gibt, die gegen einen Rettungshubschrauber sprächen, und dass das medizinische Personal vor Ort ihn fordert. Nun stellt sich die Frage: Was tut man im Zweifel? Im Zweifel weniger oder mehr Ressourcen aufwenden? Wir plädieren für mehr.
Frau Kniestedt hat dann die Möglichkeit, sich ganz tapfer nicht zu enthalten, sondern dem Antrag zuzustimmen. Wenn ihr unsere Enthaltungen so wehtun, sollte ihr das leichtfallen. – Vielen Dank.