Matthias Stefke zur Aktuellen Stunde „BER-Inbetriebnahme“ von BVB/Freie Wähler vom 11.11.2020

11. Nov. 2020

Link zum Vorgang: https://www.bvb-fw-fraktion.de/parla_tracking

Rede von Matthias Stefke in Textform:

Herr Abg. Stefke (BVB/FW):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer an den Bildschirmen! In § 60 – Fragestunde und Aktuelle Stunde – Abs. 2 Satz 1 unserer Geschäftsordnung steht:

„Eine Fraktion oder eine Gruppe kann zu einer bestimmt bezeichneten aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragen.

“ BVB / FREIE WÄHLER haben erstmals in ihrer Geschichte hier im Brandenburger Landtag von der Möglichkeit, eine Aktuelle Stunde zu beantragen, Gebrauch gemacht. Und aktueller kann die heutige Aktuelle Stunde vom Thema her wohl nicht sein.

Heute vor elf Tagen hat der BER mit neun Jahren Verspätung und einer Kostenexplosion von mehr als 300 %, die die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zu tragen haben, geöffnet. Vor drei Tagen wurde nun Tegel vom Netz genommen. Doch mit der Eröffnung haben sich ja die Probleme nicht erledigt, im Gegenteil: Es muss jetzt sehr schnell aus dem Jubelmodus in den Modus des Problembewusstseins und der Lösungsfindung umgeschaltet werden. Jetzt ist nicht mehr gefragt, freudig vor Kameras und Mikrofonen in Position zu gehen, sondern die Ursachen und finanziellen Ausmaße der unbestritten schwierigen Lage der FBB sachlich zu analysieren und sie gegenüber der Öffentlichkeit sowie den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern ungeschminkt und wahrheitsgemäß darzustellen.

Auch wenn mich nachfolgend einige Rednerinnen und Redner der Miesmacherei oder Schwarzmalerei bezichtigen werden – unsere kritische Haltung ist mehr als berechtigt, denn: Vier Tage vor der Eröffnung des BER geht Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer an die Öffentlichkeit und wird mit den Worten zitiert:

„Ich habe die Zahlen auf dem Tisch, ich bin höchst besorgt […].“

Die Überschrift des Artikels, den Sie im „RBB“ nachlesen können, lautet: „Verkehrsminister Scheuer rechnet mit weiteren BER-Nothilfen“. – Mit weiteren meint er zusätzliche Beträge über die anscheinend schon selbstverständlichen 300 Millionen Euro in diesem und die geplanten 550 Millionen Euro im kommenden Jahr hinaus.

Es ist für die Haushaltsgesetzgeber der drei öffentlichen Gesellschafter – Berlin, Brandenburg und Bund – eine Zumutung, immer im Nebel stochern zu müssen, um herauszufinden, wie die Lage der Flughafengesellschaft nun tatsächlich ist.

Wenn Sie mir jetzt entgegenhalten: „Herr Stefke, Ihnen und allen Parlamentariern wurde doch unter anderem im BER-Sonderausschuss stets Rede und Antwort gestanden und alles transparent dargestellt“, dann antworte ich Ihnen Folgendes: Wenn Sie mich als begriffsstutzig hinstellen, nehme ich das nicht persönlich, sondern werte es als den Versuch, eine Abseitsfalle aufzubauen, die aber spätestens beim Videobeweis keinen Bestand haben wird – um es einmal sportlich zu umschreiben.

Unglaubwürdig ist es aber schon deshalb, weil wir ja mit der Forderung nach mehr Transparenz nicht allein sind: Ihre eigenen Parteikolleginnen und -kollegen im Berliner Abgeordnetenhaus oder im Deutschen Bundestag äußern sich nämlich genau in dieser Richtung. Beispiele gefällig? – Sehr gerne: Da wäre der haushaltspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion SvenChristian Kindler, der Union und SPD vorwirft, auf Kosten der Steuerzahler Blankoschecks für den neuen Berliner Flughafen zu verteilen:

„‚Faktisch hat die Koalition heute die Augen zugemacht und der Berliner Flughafengesellschaft viele Millionen Euro bewilligt, ohne die konkreten Corona-Schäden zu kennen‘, sagte Kindler dem ‚Handelsblatt‘.“

Oder:

„Die FBB […] muss jetzt sowohl zu ihrer tatsächlichen finanziellen Aufstellung als auch zu den möglichen CoronaSchäden alle Karten auf den Tisch legen.“

Und weiter:

„‚Schon vor Corona war die FBB in einer finanziell äußerst schwierigen Lage‘, sagte Kindler. ‚Wir müssen es unbedingt vermeiden, dass die FBB Corona ausnutzt, um sich finanziell auf Kosten der Steuerzahler zu sanieren.‘ Es sei weiterhin vollkommen unklar, wie hoch die Corona-Schäden der FBB tatsächlich sind.“

Die CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus hat im September dieses Jahres sogar den Verfassungsgerichtshof von Berlin angerufen, um mittels einstweiliger Anordnung zu erreichen, dass der laufende Untersuchungsausschuss unter anderem die Finanzsituation untersuchen kann.

„Berlin könne sich ‚keinen neuen Flughafen als Fass ohne Boden leisten‘, sagte [der Parlamentarische Geschäftsführer Stefan] Evers mit Blick auf die in finanzielle Nöte geratene Flughafengesellschaft und warnte davor, dass das Finanzierungsproblem der FBB ‚zu einer haushaltspolitischen Belastungsprobe über viele Jahre‘ zu werden droht.“

Und auf Facebook forderte die CDU-Fraktion im September:

„[…] volle Transparenz zu Liquidität und Finanzplanung der Flughafengesellschaft! […] Zeit, sich ehrlich zu machen. Daher fordern wir eine unabhängige Prüfung der Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung und des Businessplans.“

Soweit nur zwei Stimmen aus Ihren beiden Parteien, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU und der Grünen.

Und die SPD? Sie schweigt wie eh und je in Sachen BER und hofft – ja, worauf eigentlich? -, dass sich die Probleme schon von alleine erledigen werden? Oder dass Tesla alles positiv überlagern wird? Sie können es uns gleich verraten, Herr Kollege Barthel.

Und was hört man von der Flughafengesellschaft?

„Wir sind gut aufgestellt“

oder sogar

„In der Gesamtbetrachtung sieht die Geschäftsführung die FBB langfristig gut aufgestellt für eine positive weitere Entwicklung“

heißt es dort mantraartig seit Wochen und Monaten, obwohl Fachleute die Gefahr einer Insolvenz am Horizont aufziehen sehen. Die FBB ist so gut aufgestellt, dass Berlins SPD-Finanzsenator, Matthias Kollatz, erst letzte Woche in einer Dringlichkeitsvorlage kurzfristig die Freigabe weiterer Berliner Corona-Nothilfen in Höhe von 74,4 Millionen Euro für die Flughafengesellschaft FBB durch den Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses beantragt hat. Warum eigentlich, wenn die FBB verkündet, sogar langfristig gut aufgestellt zu sein? Warum wird dann nächstes Jahr eine halbe Milliarde Euro benötigt? Sowohl der Bundesrechnungshof als auch der Brandenburger Landesrechnungshof beschäftigen sich mittlerweile mit der FBB.

Nein, es wird Zeit, endlich aus dem Wolkenkuckucksheim herabzusteigen. Die vier Punkte in unserem Entschließungsantrag sollen der Regierungskoalition hierfür eine Hilfestellung bieten. Legen Sie endlich eine transparente Finanzierung vor. Benennen Sie endlich nachvollziehbar, wie viele Mittel aus dem Landeshaushalt wofür verwendet werden sollen, und erklären Sie offiziell und verbindlich hier im Landtag, dass die Pläne für einen Ausbau nach dem BER-Masterplan 2040 mindestens bis 2023 auf Eis gelegt werden, weil es dafür bei einer auf Jahre hinaus darniederliegenden Luftverkehrswirtschaft keinerlei Rechtfertigung gibt.

Nur kurz zum Entschließungsantrag der AfD: Wenn wir fordern, erst einmal die Zahlen transparent auf den Tisch zu legen, dann wäre es natürlich der zweite vor dem ersten Schritt, schon jetzt zu fordern, einen Insolvenzantrag zu stellen. Nein, wir sind auch in diesem Fall für eine seriöse Vorgehensweise und wollen erst einmal wissen, worüber wir tatsächlich reden. – Danke schön für Ihre Aufmerksamkeit.

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