Philip Zeschmann zum „Haushalt 2021“ 1. Lesung von SPD, CDU, Grüne vom 23.09.2020

23. Sep. 2020

Herr Abg. Dr. Zeschmann (BVB/FW):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen Abgeordnete! Ich kann mich ehrlich gesagt dem zum Teil einschläfernden Schönreden, das ich heute vielfach gehört habe, nicht anschließen.

Daher möchte ich das etwas knackiger machen. Wir haben uns hier noch mit zwei Punkten beschäftigt, die uns vorgelegt worden sind. Zum einen: Sie erklären hier nach § 18b der Landeshaushaltsordnung die Notlage für die Jahre 2021 bis 2023. Woher wissen Sie eigentlich, dass wir eine solch weitreichende Erklärung der Notlage brauchen? Das wissen Sie nicht; das wissen wir nicht. Eine noch stärkere Verschuldung über weitere 1,9 Milliarden Euro, nachdem wir bereits 1 Milliarde Euro für das ZifoG und 2 Milliarden Euro für den Corona-Rettungsschirm aufgenommen haben, erscheint unverantwortbar. Wenn hier jemand ein „Big Spender“ ist, Herr Dr. Redmann, dann sind es Sie als Koalition und nicht irgendwer anders. Und wo bleibt die oft zitierte, von der CDU und den Grünen eingeforderte Generationengerechtigkeit? Die habe ich in diesem Haushalt auch noch nicht wiedergefunden.

In unserer Landesverfassung steht übrigens, dass wir eine Schuldenbremse haben. Das scheint bei Ihnen aber noch nicht wirklich angekommen zu sein; Sie haben geflissentlich darüber hinweggeredet. Es steht übrigens auch in Ihrem Koalitionsvertrag – ich zitiere -:

„Die Koalition wird alle Vorgaben der Schuldenbremse erfüllen.“

Inwiefern hält sich die Koalition an diesen Vertrag? Wo hält sie Wort, Frau Lange?

Sie erwecken nicht den Eindruck, dass Sie sich in dieser Hinsicht an irgendetwas davon halten wollen. Sie erwecken den Eindruck, die Schuldenbremse mit allen Mitteln umgehen zu wollen. Sie hatten offenkundig nicht die Kraft, sich innerhalb der Koalitionsfraktionen auf Kürzungen oder Streichungen zu verständigen. Schulden machen ist ja auch viel einfacher!

Präsidentin Prof. Dr. Liedtke: Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Herr Abg. Dr. Zeschmann (BVB/FW):

Nein, danke. – Damit steht für Sie die Erhaltung der Koalition und ihr fragiler Zusammenhalt offenkundig über der Einhaltung der Schuldenbremse und über einem sparsamen und wirtschaftlichen Umgang mit den Steuermitteln unserer Bürger. Sie werden mit dem Beschluss dieses Haushalts bis zu 4,9 Milliarden Euro an Schulden aufgenommen haben – das ist rund ein Drittel des Jahreshaushalts. Da stellt sich schon die Frage: Wo stehen wir jetzt? Wie war das mit dem Wasser an der Unterlippe, Herr Dr. Redmann? Offensichtlich ist die Landesregierung schon längst untergegangen! Etwas Schockierenderes, als in so kurzer Zeit fast 5 Milliarden Euro Schulden aufzunehmen, habe ich lange nicht gehört und miterlebt.

Damit wischen Sie übrigens auch die Erfolge der Haushaltskonsolidierung, die wir mühevoll und unter Schmerzen für die Bürger erreicht haben, einfach so und ohne mit der Wimper zu zucken vom Tisch. Wo sind da die Vorkämpfer für Sparsamkeit von der CDU und den Grünen? Ich habe einmal nachgeschaut, was beispielsweise Herr Bretz in der Haushaltsdebatte 2018 gesagt hat  – Zitat -:

„Das heißt, von der Rücklage in Höhe von 1,6 Milliarden Euro werden Sie […] 1,2 Milliarden Euro verbraucht haben. […] Das heißt, im Laufe des Jahres 2021“

– 2021 wohlgemerkt! –

„wird die nächste Landesregierung in der Situation sein, harte Konsolidierungsmaßnahmen ergreifen zu müssen, weil Sie Brandenburgs Reserven bis dahin fast komplett verfrühstückt haben.

“ Werter Herr Bretz und Kollegen von der CDU, was machen Sie jetzt? Es geht sogar noch weiter: Sie verfrühstücken nicht nur sämtliche Rücklagen, sondern häufen auch astronomische Kreditberge auf.

Weiter Herr Bretz:

„Obwohl Sie Schulden getilgt haben, sind wir der Meinung, dass hier mehr hätte passieren müssen. Denn das ist das, was für die Zukunft wichtig ist, das, was Sie ‚enkelgerecht‘ nennen […].“

Herr Bretz, wo ist die Enkelgerechtigkeit Ihres Haushaltsvorschlags?

Letzter Punkt von Herrn Bretz:

„Uns ist das Thema Schuldentilgung sehr wichtig. Deshalb betrifft unser Antrag mit […] 100 Millionen Euro […] diesen Bereich.“

Ist Ihnen von der CDU Schuldentilgung wirklich noch wichtig? Das kann ich hier überhaupt nicht erkennen.

Der Kollege Vogel von den Grünen, der damals für die Grünen über die Sparsamkeit gewacht hat, hat im September 2018 ausgeführt:

„Stattdessen gibt Rot-Rot erst einmal Vollgas bei den Ausgaben, als gäbe es kein Morgen. Nicht genug, dass die […] Mehreinnahmen im Doppelhaushalt […] vollständig verausgabt werden, es wird auch noch die allgemeine Rücklage halbiert.“

Weiter Herr Vogel: „Er [der Haushalt] harrt noch der Konsolidierung. Oder anders ausgedrückt: Diese Finanzpolitik hat keine Substanz. Sie ist weder enkeltauglich noch nachhaltig.“ Werter Herr Vogel und werte Kollegen von den Grünen, wo ist die Enkeltauglichkeit Ihres jetzt vorgelegten Haushalts? Ich kann sie nicht erkennen, und von den angekündigten Einschnitten sehe ich auch nichts.

Wie wollen Sie als Regierungskoalition bloß den Eindruck aus der Welt schaffen, dass Sie nach dem ZifoG mit einer Milliarde Euro Schuldenaufnahme und dem Corona-Rettungsschirm mit 2 Milliarden Euro Schuldenaufnahme in ein hemmungsloses Schuldenmachen verfallen sind?

Denn offenkundig ist Ihnen ein sparsamer und wirtschaftlicher Umgang mit den Steuermitteln unserer Bürger egal. Die Schuldenbremse in der Landesverfassung und im Grundgesetz: egal. Die Belastung zukünftiger Generationen: egal. Ist das Ihr Bekenntnis zu den Brandenburgern, Herrn Stohn, das Sie vorhin vorgetragen haben? Mir fällt zu einem solchen Gebaren leider nur der Satz ein: „Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert.“ Auf jeden Fall werden Sie mit dieser Art von Haushaltspolitik bestimmt in die Geschichte eingehen.

In diesem Zusammenhang wollen Sie nun auch noch einen Schattenhaushalt – naja, Sie nennen es Sondervermögen „Brandenburgs Stärken für die Zukunft sichern“ – einführen. Was für ein euphemistischer Titel! Wenn es nur darum ginge, könnte man sagen: Okay, nicht so wichtig – schauen wir nicht genauer hin. Leider steckt hier der Teufel im Detail, denn Sie behaupten, nur dieses Sondervermögen würde eine transparente, überjährige und bedarfsgerechte Darstellung der vom Land Brandenburg zur Verfügung gestellten Mittel absichern.

Wieso ist eigentlich die Rede von einer Kreditermächtigung bis 2023? Sie verlängern doch die Notlagenverordnung nur bis zum 30.06.2021. Demnach wäre jede weitere Kreditaufnahme nach diesem Datum ein schwerer Rechtsverstoß gegen das Grundgesetz und die Brandenburger Landesverfassung, in denen nicht ohne Grund eine Schuldenbremse verankert ist.

Aber es kommt noch besser. Sie schreiben in Ihrem Einleitungstext zum Gesetzentwurf unter „Lösung“:

„Mit Abschluss des Haushaltsjahres 2021 wird der Teil der nicht in Anspruch genommenen Kreditermächtigung des Jahres 2021 zur Finanzierung Corona-bedingter Folgen in das Sondervermögen transferiert.“

Zugleich – jetzt wird es spannend – wird Ende des Jahres 2021 das Volumen der Kredite aus dem ZifoG – also Ihrem Zukunftsinvestitionsprogramm im Umfang von einer Milliarde Euro – bis auf 80 Millionen Euro zusammengeschmolzen sein. Sie haben also innerhalb von einem Jahr alles rausgeschmissen, was da war.

Zählen wir jetzt eins und eins zusammen: Werden die nicht in Anspruch genommenen Kreditermächtigungen des neuen Sondervermögens in Höhe von 1,9 Milliarden Euro Ende 2021 genau dahin transferiert, schaffen Sie sich offenkundig genau auf diesem Wege einen Topf, aus dem Sie die Wunschprojekte der Koalition weiter finanzieren können, nachdem Sie das ZifoG ausgeschöpft haben. Heimlich, still und leise setzen Sie somit Ihre Wunschprojekte um.

Ich finde, das ist sehr klug und sehr trickreich eingefädelt – bemerkenswert! Nur, es verträgt sich nicht mit der Schuldenbremse, und hier geht es offensichtlich allein um den Zusammenhalt der Koalition. Das finde ich ziemlich schockierend.

Dieser Schattenhaushalt unterliegt nur noch einmal jährlich einer nachträglichen Berichterstattung im Landtag, und es wird kein Haushaltsvorbehalt mehr bestehen. Das heißt, wir verschlechtern uns dramatisch. Der bisherige Corona-Rettungsschirm hat immerhin noch einen Haushaltsvorbehalt ab der zweiten Milliarde Euro, und die Finanzministerin muss im Ausschuss für Haushalt und Finanzen regelmäßig darüber berichten. Sie versuchen also, sich munter und ungestört ohne Transparenz oder Kontrolle aus diesem Schattenhaushalt zu bedienen, um Ihre Lieblingsprojekte umzusetzen.

Koalitionserhalt geht offensichtlich vor Land und Menschen. Wenn es wirklich um eine Abfederung der coronabedingten Folgen ginge, wäre ein Schattenhaushalt überhaupt nicht erforderlich, denn wir haben in dem Corona-Rettungsschirm, der ursprünglich bis zu 2 Milliarden Euro ermöglichte, noch 1,3 Milliarden Euro übrig.

Präsidentin Prof. Dr. Liedtke: Ich muss Sie bitten, jetzt zum Schluss zu kommen.

Herr Abg. Dr. Zeschmann (BVB/FW):

Ja. – Wenn also überhaupt ein Instrument erforderlich ist, warum machen wir es uns dann nicht ganz einfach? Wir übertragen einfach die Kreditvolumina aus dem Corona-Rettungsschirm und führen diesen fort. Im Ergebnis hätten wir weiterhin ein noch nicht ausgeschöpftes Kreditvolumen zur Verfügung. Wir hätten weiterhin Kontrolle und Transparenz, aber keinen zusätzlichen Schattenhaushalt. Deswegen legen wir auch einen entsprechenden Antrag vor, das so zu handhaben – der Ihnen bereits zugegangen ist -; denn wir als Landtag wollen uns nicht selbst entmachten, sodass wir weder Transparenz haben noch unsere Kontrolle durch den Haushaltsvorbehalt ausüben können. – Danke.

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