Link zum Vorgang: https://www.bvb-fw-fraktion.de/parla_tracking
Rede von Matthias Stefke in Textform:
Herr Abg. Stefke (BVB/FW):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer draußen an den Bildschirmen! Der Inhalt des Antrags dürfte sowohl durch die prägnant gewählte Überschrift als auch durch die Begründung, die wir so ausführlich wie nötig, aber auch so kurz wie möglich gehalten haben, verständlich zu Papier gebracht worden sein. Deshalb will ich weniger auf die Historie und die viele Jahre währende Auseinandersetzung eingehen, sondern vielmehr auf drei Punkte hinweisen, die uns für die Abstimmungsentscheidung als wichtig erscheinen und in Ihr – unser aller – Abstimmungsverhalten einfließen sollten.
Erstens: Warum kommt der Antrag jetzt? Alle, die sich ausführlich mit dem Thema beschäftigt haben, wissen, dass es sich bei den in Rede stehenden Erstattungsbeträgen um einen ordentlichen Batzen Geld in zweistelliger Millionenhöhe handelt. Dass man eine solche Summe auch bei einem 13-Milliarden-Euro-Haushalt nicht aus dem Ärmel schüttelt, ist uns bewusst.
Deshalb ist es angezeigt, einen solchen Betrag frühzeitig in die Beratungen zur Aufstellung des kommenden Haushalts einzuführen. Erst in den Plenartagungen im November oder Dezember damit um die Ecke zu kommen würde uns zu Recht Kritik einbringen.
Zweitens: Ist die Rückerstattung überhaupt noch ein Thema bei den Betroffenen? Wie es der Zufall will, hatten wir erst am Mittwoch vergangener Woche in der Sitzung des Ausschusses für Wissenschaft, Forschung und Kultur die Vertreterinnen und Vertreter der BRANDSTUVE – der Brandenburgischen Studierendenvertretung – zu Gast. Diejenigen unter uns, die an der Sitzung teilgenommen haben, können bestätigen, dass ihre Aussage auf Nachfrage war: Ja, es ist in den Studentenkreisen sehr wohl noch ein Thema. – In einem Brief der BRANDSTUVE, der uns einen Tag später zu dieser Thematik erreichte, war diesbezüglich sogar von Wut und Frust die Rede. Es ist also nicht in Vergessenheit geraten, und man schaut heute in besonderer Weise auf uns.
Drittens: Belastungen in Millionenhöhe für den Landeshaushalt versus Vertrauen in den Rechtsstaat. Anders als bei anderen Entscheidungen, ob man sich bestimmte Vorhaben leisten kann oder will, geht es in diesem Fall um mehr. Zu der von uns zu treffenden Entscheidung liegt ein höchstrichterliches Urteil – des Bundesverfassungsgerichts – vor. Es geht also nicht nur um die Entscheidung, einen Millionenbetrag freizugeben oder dies nicht zu tun. Es geht im Kern um die Folgen einer Entscheidung, einer Rückerstattung – auf welchem Weg und in welchem Zeitraum auch immer – nicht zuzustimmen. Dann würden Tausende betroffene Studentinnen und Studenten nicht nur mit einem materiellen Schaden zurückgelassen, viel gravierender wäre aus unserer Sicht der immaterielle Schaden in Form eines schwerwiegenden Vertrauensverlustes in unseren Rechtsstaat.
Es ist jedoch in diesen Zeiten unsere Aufgabe – wie auch die der Exekutive und der Judikative -, das Vertrauen in den Rechtsstaat zu stärken. Erst vor wenigen Tagen wurden Ergebnisse einer Umfrage des Politikforschungsinstituts „policy matters“ von Anfang Juni dieses Jahres in Brandenburg veröffentlicht; der Brandenburg-Monitor war bereits Gegenstand von Erörterungen in dieser Plenartagung.
Ich lasse die Zufriedenheitswerte bezüglich der Arbeit der Landesregierung bewusst beiseite, nicht, weil ich sie Ihnen nicht gönne, sondern weil wir uns den Ergebnissen widmen müssen, die Anlass zur Sorge geben.
Da möchte ich drei Werte besonders erwähnen: Nur 24 % der Befragten glauben, dass es in den nächsten Jahren in Brandenburg gerechter zugehen wird, 53 % sehen das nicht so. Nur 38 % haben Vertrauen in die Institution Landesregierung. Einen gleich schlechten Wert erzielt die Institution Landtag. 97 % halten Recht und Ordnung für wichtig, aber nur 57 % – also etwas mehr als die Hälfte unserer Bürgerinnen und Bürger – sehen diese Werte im Land umgesetzt.
Werte Kolleginnen und Kollegen, diese Zahlen müssen uns alarmieren und Anlass sein, alle Anstrengungen zu unternehmen, um offenbar verlorengegangenes Vertrauen in uns als Institution wie auch in den Rechtsstaat zurückzugewinnen.
Wir dürfen – das ist mir in diesem Zusammenhang auch sehr wichtig – Rechtspopulismus nicht nur beklagen, sondern müssen ihm Stück für Stück den Boden entziehen. Der von uns eingebrachte Antrag ist dafür eine gute Gelegenheit.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, im aktuellen Koalitionsvertrag von Rot-Schwarz-Grün, der 84 Seiten umfasst, kommt das Wort „Zukunft“ 16 Mal vor. In dem vorhergehenden Koalitionsvertrag von Rot-Rot kam das Wort auf 70 Seiten 21 Mal vor – 21 Mal im Übrigen auch in der Regierungserklärung am 11. Dezember letzten Jahres!
Die Studentinnen und Studenten sind auch unsere Zukunft. Deshalb lassen Sie uns gerade ihnen keinen Grund geben, an der Zukunft zu zweifeln.
Wir hoffen auf Ihre Zustimmung, wären aber auch mit einer Überweisung an den Ausschuss für Wissenschaft, Forschung und Kultur zu einer vertiefenden Erörterung einverstanden. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.