Die Rede von Péter Vida in Textform:
Link zum Vorgang: https://www.bvb-fw-fraktion.de/parla_tracking/konkrete-anti-mobbing-massnahmen-auf-den-weg-bringen/
Herr Abg. Vida (BVB/FW):
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Mobbing ist ein Thema, dem sich keine Schülerin und kein Schüler an den Schulen entziehen kann. Dennoch wird es in vielen Bereichen und Gegenden weiterhin verharmlost und nicht richtig angegangen. Wir als BVB / FREIE WÄHLER möchten mit diesem Antrag bewusst auf höchster Ebene, nämlich im Schulgesetz, das Bildungsziel Antimobbing kodifizieren.
Das systematische Mobbing von Schülern ist unbestreitbar. Ebenso unbestreitbar ist, dass es weiter zunimmt. Das bestätigen kleinere regionale und auch Landesstudien, aber auch die groß angelegte PISA-Studie der OECD. In der Antragsbegründung ist es erwähnt, ich möchte das hier hervorheben: Zwischen 2015 und 2018 stieg der Anteil der von Mobbing betroffenen Schüler von 16 auf 23 %. Das sind die Schüler, die angeben, regelmäßig bedrängt zu werden; die Dunkelziffer dürfte deutlich höher sein.
Die psychischen Folgen sind enorm: Selbstzweifel, Isolation, Depression – bis hin zu gravierenderen Konsequenzen wie Selbstmordgedanken oder Suiziden in erheblicher Zahl -, von Lernschwächen ganz zu schweigen.
Aufgrund der mittlerweile möglichen Verbreitungswege kann man das auch nicht mit der Aussage „Hänseln gab es immer schon, habt euch nicht so!“ abtun. Nicht nur die Qualität der Attacken hat sich verändert, sondern auch ihre Verbreitung, hin zu einer Massenverbreitung und – so nenne ich es einmal – einer Dauerdokumentation. Das zeigt uns, dass es neue Überlegungen und Antworten braucht.
Cybermobbing ist auch kein Phänomen, das man irgendwie beobachten muss, sondern ein Zustand, den man bekämpfen muss. Wie im Antrag erwähnt, leiden insbesondere – dazu gibt es eine aktuelle Studie aus dem letzten Monat – Schüler sexueller Minderheiten in hohem Maße unter Mobbing – sowohl in Hinblick auf die Qualität der Attacken als auch auf deren psychologische Auswirkungen.
Manche haben das mit einem Schmunzeln begleitet, aber uns hat der engagierte Auftritt von Carsten Stahl bei uns in der Fraktion, aber ebenso im Rahmen seines Wirkens zuvor inspiriert, zu sagen: Wir müssen das mit einem Antrag versehen, der dem Thema die Aufmerksamkeit verleiht, die es verdient.
Im Schulgesetz werden nun einmal Bildungsziele definiert, das haben wir nicht erfunden. Der entsprechende Paragraf sieht vor: Demokratie, Gleichberechtigung, Vielfalt, Kenntnis von Kultur und Land – all die großen Bildungsziele wurden dort festgehalten. Genau dorthin gehört auch dieses Ziel, denn es ist kein Nischenthema, das irgendwo, in der 37. Fußnote abzuhandeln wäre, und auch kein Problem, das es nur in Metropolen gibt, sondern eines, das an so gut wie jeder Schule besteht. Damit treffen wir auch kein Unwerturteil, sondern wir beschreiben einen Zustand. Es muss ein Bildungsauftrag definiert werden, dagegen vorzugehen. So etwas wird nun einmal, wenn man ein strukturelles Problem erkennt, im Schulgesetz definiert und kodifiziert, woraus sich dann in der Tat weitere praktische Maßnahmen ableiten, die wir zum Teil aber auch im Entschließungsantrag beschrieben haben: praxisorientierte Fortbildungen für Lehrer, insbesondere im Bereich der Gewaltprävention; Anti-Mobbing-Tage oder -Seminare für Schüler; Anpassung des Rahmenlehrplans – Regierungshandeln – und hierbei eine stärkere Beleuchtung des Cybermobbings.
Nun schallte es uns im Vorfeld dieses Antrags entgegen, dass da schon viel getan werde und man das alles deswegen nicht unbedingt brauche. Wir würdigen absolut, was getan wird; das haben wir immer getan und auch nicht kritisiert. Aber vieles davon ist leider veraltet, und in vielen Bereichen ist es nur eine Definition von Mobbing – eine Darstellung, wie man Mobbing erkennt – und sind es nicht unbedingt praktische Handlungsbeispiele, wie man es bekämpft.
Unser Ziel und unsere Aufgabe hier ist es, dass Schüler, Lehrer und Eltern durch praktische Maßnahmen befähigt werden, Mobbing nicht nur zu erkennen und seine Mechanismen zu verstehen, sondern auch dagegen vorzugehen. Es wird dann immer wieder die vielgelobte Anti-Mobbing-Fibel als Element ins Feld geführt. Aber es tut mir leid: Liest man darin, erfährt man, wie Cybermobbing vom brandenburgischen Bildungsministerium definiert wird.
„Darunter verstehen wir, dass neue Techniken wie z. B. EMails […] oder auch Handys eingesetzt werden […].“
Meine Damen und Herren, Neuland lässt grüßen – neue Techniken wie E-Mails oder Handys. Auch im Rahmenlehrplan wird das nur kurz behandelt, sodass es nicht verwundert, wenn die allermeisten Schulen auch in ihren Schulkonzepten keinerlei Antworten auf Mobbing oder gar Cybermobbing liefern. Stichprobenartig durchgeführte Untersuchungen, Analysen von Schulkonzepten in verschiedenen Landkreisen zeigen, dass in den meisten Fällen hierauf nicht eingegangen wird. Auch das ist keine Kritik, sondern eine Zustandsbeschreibung, aus der sich die Notwendigkeit dieses Antrags ableitet.
Zudem ist es so – Sie wissen das -, dass Brandenburg auch bei der Zahl der Schulpsychologen nicht allzu gut abschneidet. Rund 9 000 Schüler teilen sich einen Schulpsychologen, nur wenige Bundesländer haben hier eine noch schlechtere Quote. Das ist unstreitig auch ein Problem, das wir angehen müssen. Und wie macht man das? Natürlich, indem man ein Bildungsziel definiert und daraus im zweiten Schritt konkrete Maßnahmen ableitet.
Eines ist klar: Die digitale Welt ist vom Alltag nicht mehr zu trennen. Wo Mobbing existiert, existiert auch Cybermobbing, und ein Rückzug in so wohlig beschworene sichere Räume, das Elternhaus, ist nicht möglich und auch nicht die zeitgemäße Situationsbeschreibung. Die Methoden, mit denen hier gearbeitet wird – durch manche Schüler gegen manche Schüler -, sind anders, die Verbreitungswege sind anders und die Dramatik der Auswirkungen ist es auch. Deswegen brauchen wir unseres Erachtens Antimobbing als festgeschriebenes Bildungsziel nebst all den praktischen Maßnahmen, die schon laufen, und denen, die wir vorschlagen. Deswegen bitten wir in Anerkennung dessen, dass es auch andere Vorschläge gibt, heute nicht um eine Zustimmung mit wehenden Fahnen, sondern es ist eine höfliche Bitte um Überweisung an den Bildungsausschuss. – Danke schön.