Link zum Vorgang: https://www.bvb-fw-fraktion.de/parla_tracking
Rede von Péter Vida in Textform:
Herr Abg. Vida (BVB/FW):
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete!
BVB / FREIE WÄHLER ist und bleibt der Anwalt der Beitragsbelasteten von Kommunalabgaben. Straßen sind Güter der Allgemeinheit. Sie werden von jedermann benutzt, sind für jedermann
da, und sie sind auch Teil der Daseinsvorsorge. Kaum eine Maßnahme staatlichen oder unterstaatlichen Handelns ist so elementar, so grundsätzlich und so für die Allgemeinheit wie der Bau, die
Errichtung von Straßen, und die Abrechnung nach Kriterien der Allgemeinheit trägt auch zum sozialen Frieden bei.
Wir haben hier in dieser Wahlperiode bereits Anträge auf eine rechtssichere Anwendung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und auf mehr Mitbestimmung der Anlieger gestellt. Dies haben Sie seinerzeit mit der Begründung abgelehnt, dass es die kommunale Selbstverwaltung, also die Optionen der Gemeindevertretungen, beschränken würde.
Nun, genau um die Stärkung dieser Rechte geht es in dem Antrag heute. Ich bin gespannt, mit welcher Argumentation Sie es diesmal ablehnen. Denn es ist genau eine Reaktion auf Ihre Argumente, mit denen Sie unsere letzten Anträge abgelehnt haben.
Des Weiteren haben wir einen Antrag gestellt – ich glaube, in der vorletzten Sitzung -, Musterverfahren zu ermöglichen, um die Lasten der Anlieger zu minimieren. Dieser Antrag wurde mit der Begründung abgelehnt, dass das zwar gut sei, aber das komme später. Nun, heute ist später als damals, und Sie haben die Chance, einen überfälligen und für das Land kostenlosen Schritt zur Entlastung zu tun.
Es gibt viele Gemeinden, die ihre Beiträge für die Anwohner senken wollen – das soll es geben -, und es ist unstreitig ein Gegenstand der kommunalen Selbstverwaltung. Insofern würde ich mich freuen, wenn zumindest dieses Scheinargument nicht ins Feld geführt würde.
Nur zur Erinnerung, was die Definition von kommunaler Selbstverwaltung anbelangt: Kommunale Selbstverwaltung ist nicht der Wille des Bürgermeisters, sondern der aus den verschiedenen Strömungen im Ort gebildete gesamte Wille der Gemeinde.
So gibt es Orte, die sagen: Wir wollen eine Senkung anstreben. Warum wollen sie das? Weil sie erkennen, dass Straßen Allgemeingut sind, und den Bürgern nicht sagen wollen, wenn die Straße gebaut werden soll: „Ihr könnt nicht dagegen protestieren, weil sie ja für jedermann da ist“, und wenn es darum geht, wer dafür bezahlt: „Bitte 90 %, denn sie nützt ja nur euch!“
Und es gibt Orte, die sagen: Ja, wir wollen nach der Abschaffung der Ausbaubeiträge auch eine Anpassung, eine Annäherung bei den Erschließungsbeiträgen vornehmen. Es gibt auch Gemeindevertreter, die sagen: Jawohl, wir finden es gut, wenn die Bürger entlastet werden.
Oft wird diese Option verhindert, indem man sich in den Diskussionen der Gemeindevertretungen und Stadtverordnetenversammlungen nebulös auf die Kommunalaufsicht beruft. Wir haben als BVB / FREIE WÄHLER im Frühjahr, bevor die CoronaSituation das unterbrach, in 20 Orten hierzu gut besuchte Infotouren durchgeführt. Zehn Orte stehen noch auf der Liste; das geht auch weiter. In nahezu jedem Ort wurde uns von anwesenden Gemeindevertretern und Stadtverordneten, die nicht nur zu uns gehörten, erklärt, dass genau mit dieser nicht nachprüfbaren Argumentation eine vernünftige Diskussion in der Gemeindevertretung verhindert wird: Ihr könnt nicht senken. Ich habe mit der Kommunalaufsicht gesprochen; die sehen das kritisch.
Es gibt keine belastbaren und prüfbaren Bescheide von der Kommunalaufsicht. Es ist nur ein Stochern im Nebel und Drohen mit nicht nachvollziehbaren Hinweisen. Das ermöglicht keine faire Meinungsbildung für die ehrenamtlichen Gemeindevertreter.
Das beste Beispiel ist Bernau. Wir hatten 90 % und wollten auf 60 % senken. Da hieß es dann: Die Kommunalaufsicht hat Bauchschmerzen damit. – Bauchschmerz ist kein messbarer juristischer Begriff.
In Falkensee, einem der wohlhabendsten Orte Brandenburgs, heißt es, es gibt Bedenken; sie haben ein komisches Gefühl dabei. Wenn dann die Beschlüsse gefasst werden, sieht man: Mehr als Schall und Rauch war nicht gewesen.
Deswegen geht es hier in diesem Antrag auch nicht um eine Senkung der Beiträge, sondern darum, dass die Gemeinden die Möglichkeit bekommen, sich mit vernünftigen Informationen in klarem Rahmen eine Meinung zu bilden und nicht auf einen vermeintlichen kurzen Draht zwischen Bürgermeister und Landrat verwiesen zu sein. Nicht Behauptungen, sondern haushaltsrechtliche Fakten sollen einen Korridor der Senkungsmöglichkeiten vorgeben. Deswegen soll der Antrag einen Beitrag zu einer faktenbasierten, demokratischen Diskussion leisten und somit die kommunale Selbstverwaltung echt stärken.
Zweitens geht es um die Etablierung des „Bernauer Modells“, der erweiterten Straßenunterhaltung. Wenn die Leute schon zahlen müssen, wenn sie schon – nach Ihrer Meinung – nicht mitbestimmen dürfen, wenn sie schon – nach Ihrer Meinung – nicht gemeinsam klagen sollen, wenn sie schon nicht niedrigere Anteile in die Satzung schreiben dürfen sollen, so sollen doch wenigstens günstigere Ausbauparameter gewählt werden dürfen.
Es muss etwas gegen den unlauteren Druck, es müsse immer grundhaft und panzerfest ausgebaut werden, gemacht werden, meine Damen und Herren.
Die Vorteile liegen ja auch auf der Hand: Die Kosten für Anlieger und Gemeinde sind geringer. Dennoch halten solche Maßnahmen, die wir in Bernau seit fünf, sechs Jahren praktizieren, lange. Im Übrigen ist es auch nicht nur eine Bernauer Erfindung. Mittlerweile haben sich 20, 30 Bauämter im ganzen Land dort informiert und übernehmen diese Methode.
Es geht darum, hierzu einheitliche Hinweise zu geben. Baudezernenten kommen in die Stadt, informieren sich und übernehmen es, nachdem es zunächst Unkenrufe gab, es würde nicht gehen; die Maßnahmen halten 30, 40, 50 Jahre. Sie haben eine hohe Akzeptanz. Es gibt keine Widersprüche, keine Klagen, mit der Folge, dass auch Verwaltungskosten gespart werden.
Es trägt übrigens auch zur Ortsbildwahrung bei, weil nicht überall Rennpisten errichtet werden müssen und der Siedlungscharakter einer Straße erhalten bleibt. Es wird ressourcenschonender, somit umweltfreundlicher und mit einem geringeren Versiegelungsgrad gearbeitet. Hierüber die Gemeinden zu informieren, Erfahrungswerte zu nutzen, stellt eine gute interkommunale Zusammenarbeit mit Unterstützung des Landes dar.
Es ist eine Entwicklung, die nicht aufzuhalten ist; das hat auch schon der Staatssekretär im zuständigen Infrastrukturministerium erkannt, der noch in seiner früheren Tätigkeit als Stadtverordneter in Finsterwalde dazu beigetragen hat, dass Finsterwalde zu den Orten gehört, die als Erste den Landtag aufgefordert haben – ich glaube, im August war das -, die Erschließungsbeiträge abzuschaffen. Das war seinerzeit ein einstimmiger Beschluss auf Initiative der CDU-Fraktion, deren Vorsitzender Sie, glaube ich, gewesen sind. Insofern warte ich schon auf die argumentativen Erläuterungen, warum das jetzt nicht geht, zumal dieser Antrag ja weit, weit hinter dem zurückbleibt, auch wenn das natürlich unser Hauptziel ist.
Daher können Sie sich heute völlig gesichtswahrend einen Ruck geben, indem Sie diesem Antrag beitreten. Denn nach einer überparteilichen Abschaffung der Ausbaubeiträge kann nun bei den Erschließungsbeiträgen Schritt für Schritt nicht weggeschaut werden. Ich werbe für Zustimmung.