Link zum Vorgang: https://www.bvb-fw-fraktion.de/parla_tracking
Rede von Péter Vida in Textform:
Herr Abg. Vida (BVB/FW):
Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Ich muss wirklich sagen: Das ist ein bisschen zu doll. Es ist zu doll, dass nach den Erfahrungen, die Brandenburg bezüglich des Kommunalabgabengesetzes gemacht hat, jetzt jeder Vorschlag in Bausch und Bogen und teilweise auch noch mit hanebüchenen Begründungen abgelehnt wird. Meine Damen und Herren, so wird es nicht funktionieren.
(Beifall BVB/FW)
Wir haben einerseits gehört: Na ja, es gibt ja gar nicht so viele vergleichbare Fälle. – Ich bitte Sie! Selbstverständlich! Wenn in einer Straße, in der 50 Leute wohnen, darüber diskutiert wird, ob es Ausbau oder Erschließung ist, gibt es eine Rechtsfrage, die für jeden Haushalt gleich zu beantworten ist. Selbstverständlich eignet sich dieses Gesetz ausdrücklich für Musterverfahren. Wenn beim Bereich Abwasserbeiträge darüber gestritten wird, ob eine Abwasserbeitragssatzung bzw. die Gründung eines Verbandes rechtmäßig erfolgt ist, ist das eine Rechtsfrage, die für Tausende von Verfahren einheitlich zu klären ist.
(Beifall BVB/FW)
Wo, wenn nicht im Bereich der Kommunalabgaben, haben wir eine große Gruppe von gleichgelagerten Fällen?! Dann hören wir andererseits: Na ja, Musterklagen sind ja nicht so gut, das macht es für die Bürger komplizierter. – Ich glaube, dieses Argument braucht keine Erwiderung; das entwaffnet sich selbst. Das können Sie auch nicht ernst meinen, Herr Minister.
(Beifall BVB/FW)
Die Bürger bitten darum. Gerade bei den Altanschließern haben wir es ja immer wieder gehabt. Das kann man also nicht wirklich ernst nehmen.
Man hört andererseits auch, die Verbindlichkeit dieser Entscheidung sei nicht ganz klar. Und: Hilft es wirklich den Leuten? – Wenn es den Leuten nicht hilft, erklären Sie bitte, warum schon jetzt die Möglichkeit besteht! Denn all die Kritik an Musterverfahren, die Sie hier vorgetragen haben, also die Systemkritik, würde für die optionalen Musterverfahren genauso gelten.
(Beifall BVB/FW)
Nein, meine Damen und Herren, da, wo es sich eignet, macht man davon Gebrauch, nur mit dem Unterschied, dass bisher die Gemeinde ihre Zustimmung geben musste. Wir hingegen möchten, dass das nicht von der Zustimmung der Gemeinde abhängt. Es wird auch kein Bürger in eine Klagegemeinschaft gezwungen. Es wird ein prozessualer Vertrag geschlossen, und wer dort nicht mitmachen möchte, der tut es auch nicht. Kein Bürger muss in das Musterverfahren eintreten, aber er soll das Recht dazu bekommen.
(Beifall BVB/FW)
Der Abgeordnete Klemp sagte, es sei doch viel besser, es anders zu machen, nämlich so wie im Steuerrecht. Der Unterschied ist: Die Steuerbescheide ergehen vorläufig. Deswegen haben Sie auch dort die Möglichkeit – selbstverständlich seitens des Finanzamtes -, eine Korrektur vornehmen zu lassen. Wenn Sie aber Ihre Argumentation ernst meinen, nach dem Motto: „Lasst doch die Bürger nicht widersprechen, lasst sie nicht klagen, sondern wenn es ein Urteil gibt, welches ihnen Recht gibt, dann sollen alle ihr Geld zurückbekommen“, frage ich mich: Wo waren Sie beim Thema Altanschließerbeiträge? – Das ist genau der gleiche Sachverhalt, bei dem es sogar eine Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gibt. Und dann sagt Ihre Fraktion: Nein, nur die, die widersprochen haben, sollen ihr Geld zurückbekommen. – Sie haben die Möglichkeit, diesen Fehler, der in der letzten Wahlperiode begangen wurde, im Rahmen der Abstimmung – ich glaube, im nächsten Monat – zu korrigieren. Ich freue mich schon darauf.
(Beifall BVB/FW)
Wenn wir heute hören, das sei – wie haben Sie es genannt? – Geschäftsbesorgung für Rechtsanwälte, dann muss ich dazu sagen: Das KAG in seiner jetzigen Form ist bereits die Geschäftsbesorgung für die Rechtsanwälte. Das wird doch niemand ernsthaft in Abrede stellen. Ich kann auch der CDU eine Bemerkung nicht ersparen. Am 9. April 2013 hat die CDU hier beantragt: „Zur Stärkung der Rechte der Bürger ist es erforderlich, in Brandenburg eine Regelung ein[zuführen], die die kommunalen Aufgabenträger verpflichtet, in geeigneten Fällen Musterverfahren durchzuführen, wenn die betroffenen Bürger dies fordern.“ Mehrere Abgeordnete haben gefragt: Was hat sich seitdem geändert? – Der Innenminister hat gesagt: Wir haben dazugelernt. – Das war 2013. Im Jahr 2015 erging die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Wenn Sie also zu dieser Erkenntnis gekommen sind, bevor die AltanschließerEntscheidung ergangen ist, und nach dieser Entscheidung Ihr Dazulernen darin besteht, das jetzt nicht mehr gut zu finden, dann haben Sie wahrlich bei der Urteilslektüre nicht aufgepasst, meine Damen und Herren von der CDU.
(Beifall BVB/FW)
Es ist auch nicht richtig, dass dieser Antrag einfach nur von Mecklenburg-Vorpommern abgeschrieben sei. Nein, er geht deutlich weiter. Wir sagen nämlich, dass die Anwohner den Musterkläger auswählen können sollen und nicht einseitig die Gemeinde, und zwar aus guter brandenburgischer Erfahrung.
(Beifall BVB/FW)
Meine Damen und Herren, in Ihrem Koalitionsvertrag steht, dass Sie eine Politik mit dem Gesicht zu den Menschen gewandt machen wollen. Daher bitte ich Sie: Zeigen Sie in dieser Frage Ihr schönes Gesicht – nicht erst dann, wenn Sie geneigt sind, darüber zu beraten, sondern schon jetzt. Der Druck ist derzeit sehr groß. Wir brauchen keine Ruhe, sondern wir brauchen eine Veränderung. Stimmen Sie daher diesem Antrag oder wenigstens einer Überweisung zu, damit wir uns einbringen können. Ich spreche von einer Überweisung nicht an den Koalitionsausschuss, sondern an die gesetzlich dafür vorgesehenen Gremien – und das sind der Landtag und die Ausschüsse dieses Hauses.