Rede von Philip Zeschman in Textform:
Herr Abg. Dr. Zeschmann (BVB/FW):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen Abgeordnete! Ich möchte das ein bisschen grundsätzlicher angehen, denn die Vorankündigung – bevor Ihre Anträge sehr spät herauskamen – nannte das Stichwort „nachhaltiges Wirtschaften“. Als ich das las, dachte ich: Super, wir kommen jetzt endlich mal zu einem wirklich wichtigen Thema für Brandenburg und diskutieren darüber, wie man nachhaltiges Wirtschaften in Brandenburg verankern, fokussieren und voranbringen könnte. – Dem ist aber leider offensichtlich nicht so, denn allein das Thema Tesla führt in Ihrer Vorstellung schlagartig zur Attraktivität des Standorts Brandenburg für internationale Investoren. Das finde ich schon sehr interessant. Es gibt das schöne Sprichwort: Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer. – Ich glaube, das passt hier sehr
gut.
(Beifall BVB/FW sowie des Abgeordneten Walter [DIE LINKE])
Hinter dem nächsten Absatz des ersten Papiers, das Sie zu diesem Thema veröffentlicht haben, habe ich mir beim Durchlesen nur notiert: Wann ist der Werbeblock endlich zu Ende? – Tut mir leid, eine tolle Industriepolitik, die heute hier schon angesprochen wurde, erwächst nicht daraus, dass man vielleicht einen Investor angesiedelt hat – ob es klappt, wissen wir noch nicht -, und auch nicht daraus, dass man sich selbst immer wieder auf die Schulter klopft.
Dann steht da etwas über die Bündelung von Kräften und Instrumenten und davon, eine engere Zusammenarbeit von Unternehmen über Branchen und Cluster hinweg zu befördern. Da habe ich gedacht: Super, jetzt kommen wir vielleicht doch zur Einleitung einer wirtschaftspolitischen Konzeption der SPD oder vielleicht auch der Landesregierung. Leider musste ich beim weiteren Lesen feststellen: Nein, denn die Lobhudelei auf die letzten 15 Jahre – siehe Werbeblock oben – wird fortgesetzt. Dabei wird nicht darauf rekurriert, dass die gute wirtschaftliche Entwicklung, die wir haben, dadurch bedingt ist, dass die Weltwirtschaft gut gelaufen ist und Deutschland durchgängig eine gute konjunkturelle Entwicklung hatte, wie alle Wirtschaftsforschungsinstitute bescheinigen. Es ist also keineswegs irgendein Verdienst der Landesregierung oder gar einer SPDWirtschaftspolitik in Brandenburg.
Dann schreiben Sie – da wird es interessant – ernsthaft von „vorausschauender Strukturpolitik“, und da kommen wir natürlich zur Lausitz. Da habe ich mich dann gefragt: Habe ich da irgendetwas verschlafen?
(Heiterkeit des Abgeordneten Dr. Berndt [AfD])
Haben Sie in den letzten 30 Jahren oder vor 30 Jahren begonnen – was Sie hätten tun müssen -, neue Strukturen, Unternehmen, Produkte, Arbeitsplatzgeber in der Lausitz zu entwickeln? Dann müsste die Lausitz ja heute die innovative Metropolregion mit der Boomtown Cottbus sein. Haben Sie nichts vom Ruhrgebiet gelernt? Ich habe doch nichts verschlafen, Sie aber schon, denn Sie beginnen jetzt gerade einmal mit dem Umbau der Lausitz und dem Ausstieg aus der Braunkohle, und zwar nur deswegen, weil es vor etwas über einem Jahr die Ergebnisse der sogenannten Kohlekommission gab und das entsprechende Bundesgesetz – das hat der Kollege eben angesprochen – jetzt auf dem Weg ins Bundeskabinett ist. Die Landesregierungen der letzten 20 Jahre mussten hier zum Jagen getragen werden. Sie haben sich über Jahrzehnte hinweg nicht getraut, diese schwierige Transformationsaufgabe anzugehen – aus Angst um Ihre Wählerschaft, liebe Kollegen von der SPD.
(Beifall BVB/FW)
Und was haben wir jetzt? Eine weitgehend verängstigte Bevölkerung in einer in weiten Teilen weitgehend perspektivlosen Lausitz. Und wo sind Ihre Wähler jetzt? Bei der AfD? Herzlichen Glückwunsch! Das nenne ich ein wahrlich beeindruckendes Ergebnis einer bemerkenswert vorausschauenden Strukturpolitik.
Sie haben dann weiter geschrieben, dass wir uns jetzt mit der „Herausforderung der Nachhaltigkeit als Zukunftschance“ beschäftigen sollen. Nur findet die Diskussion um dieses Thema seit mindestens 30 Jahren statt! Wie war das noch mit dem Verschlafenhaben? Ohne ein Wort zur Umsetzung auszuführen, leiten Sie daraus mal so eben deutlich mehr gut bezahlte und tariflich gebundene Arbeitsplätze und neue Perspektiven für die Lausitz ab. Das kann wohl nur Ergebnis einer Fata Morgana gewesen sein. Aber schön, dass wir über die Zukunft des Industrielandes Brandenburg diskutieren wollen. Dabei wird die Frage nicht angesprochen, ob Brandenburg überhaupt ein Industrieland ist und ob wir das überhaupt sein oder werden wollen. Was ist mit dem seit Jahren sehr gut laufenden Tourismus und mit unserer naturnahen Landwirtschaft? Eine Diskussion darüber wäre allerdings an anderer Stelle zu führen, weil das aus Zeitgründen gar nicht möglich ist.
Ihre hierzu veröffentlichten Unterlagen enthalten keinerlei Substanz und Anstöße. Sie beweihräuchern sich nur selbst und sagen nichts dazu, wie eine nachhaltige Strukturpolitik entwickelt werden könnte. – Den Rest meiner Ausführungen muss ich leider nachher vortragen.
Nachhaltiges Wirtschaften sollte eine nachhaltige Ökonomie sein, die ökonomische, ökologische und soziale Komponenten beinhaltet. Ich hätte von Ihnen erwartet, dass Sie ausführen, wie ausgewogene Nachhaltigkeit bei den vielfältigen theoretischen Ansätzen, die es dazu gibt, in Brandenburg umgesetzt werden soll. Was ist Ihre Leitplanke für eine solche Wirtschaftspolitik in Brandenburg?
(Beifall BVB/FW)
Deswegen: Zielformulierung: Vier! Antworten: keine. Sechs! Setzen!