Link zum Vorgang: https://www.bvb-fw-fraktion.de/parla_tracking
Rede von Peter Vida in Textform:
Herr Abg. Vida (BVB/FW):
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Die Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen ist ein so hohes öffentliches Gut, dass zu seiner Erreichung auch zivilrechtliche Vorgaben möglich und auch nötig sind. Die Frage nach angemessenen Bedingungen für erschwinglichen Wohnraum ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabenstellung; das hören wir immer wieder.
In der Tat ist es ein gesellschaftlicher Wert, wenn die Einwohner unseres Landes ihren Wohnort nicht nur theoretisch frei wählen können, sondern tatsächlich, und dabei nicht von unnötigen
Zwängen unter Druck gesetzt werden.
(Beifall BVB/FW)
Die Entwicklung in Berlin greift auf Brandenburg über. Die Vernachlässigung des sozialen Wohnungsbaus in der Hauptstadt über 20, 25 Jahre hinweg führt zu einer Verdrängungsbewegung, die wir in Brandenburg spüren – das sind Schritt für Schritt die gleichen Entwicklungen: Die Mietspiegel schnellen nach oben, und bei immer mehr Bürgern des Landes verschlingt die Miete einen sehr großen Anteil ihres Monatseinkommens. In vielen berlinnahen Kommunen überschreitet sie bereits ein Drittel des Nettomonatseinkommens und erreicht damit einen kritischen Wert. Und ja, das beschäftigt auch die
Politik und hat auch den Landtag zu interessieren. Leerstandsquoten von 1 bis 2 % sind keine Seltenheit, Mietpreissteigerungen liegen mitunter auf Berliner Niveau.
Wenn die Entwicklung so weitergeht, wird das Gefälle zwischen Speckgürtel und ländlichem Raum noch gravierender. Deswegen sollte es unser gemeinsames Ziel sein, alles dafür zu tun, einen ausgeglichenen Wohnungsmarkt zu erreichen. Hierzu soll auch der Antrag dienen.
(Beifall BVB/FW sowie des Abgeordneten Freiherr von Lützow [AfD])
Wie Sie dem Antrag entnehmen können – und wie Sie wissen -, meine Damen und Herren, haben wir im Wesentlichen drei Instrumente, um die Mietpreisentwicklung zivilrechtlich zu bremsen: Kappungsgrenze und Mietpreisbremse – die haben wir in Brandenburg – sowie als drittes Instrument die Kündigungssperrfristverordnung, die wir nicht haben.
Die Voraussetzungen für diese Instrumentarien sind laut Bürgerlichem Gesetzbuch dieselben: Wenn die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen in einer Gemeinde zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist, können diese Instrumente, die zivilrechtlich wirken und öffentlich-rechtlich festgelegt werden, ergriffen werden.
Wenn das Vorliegen dieser Bedingungen bei der Kappungsgrenzenverordnung und bei der Mietpreisbremse bejaht wird, kann es schon rein rechtstheoretisch bezüglich der Kündigungssperrfristverordnung nicht verneint werden. Bei allen drei Eingriffsinstrumentarien gelten dieselben rechtlichen und wohnungswirtschaftlichen Voraussetzungen. Dass wir in Brandenburg die Situation haben, dass zumindest in einigen Gemeinden die Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum zu angemessenen Bedingungen gefährdet ist, ist wissenschaftlich erwiesen. Ich verweise auf das Gutachten der Landesregierung aus dem Jahr 2014, „Mietsituation im Land Brandenburg“, das für 30 bzw. 31 Gemeinden dieses Ergebnis bejaht.
(Beifall BVB/FW)
Meine Damen und Herren, als ich den Antrag vor zwei Jahren als fraktionsloser Abgeordneter hier schon einmal in ähnlicher Form gestellt habe, kam es zu einem Entschließungsantrag von SPD, Linken und Grünen, in dem festgelegt wurde, dass man noch eine Analyse brauche und dann handeln wolle. Dann gab es im Infrastrukturausschuss im November 2018 oder vorher den Bericht und im Dezember die Diskussion hierzu sowie eine Information der Landesregierung. Allerdings wurde diese ausweislich des Protokolls im Infrastrukturausschuss nicht diskutiert, sondern die Zusammenfassung der seinerzeitigen Infrastrukturministerin wurde einfach für bare Münze genommen.
Im Bericht heißt es: Die Gemeinden, die Kreise haben im Wesentlichen keine Zahlen, der Eigentümerverband will es nicht –
wen hätte das überrascht – und der Mieterschutzbund sieht sehr wohl einen Bedarf für die Verordnung. – Zusammengefasst wurde das im Ausschuss allerdings wie folgt: Wie Sie dem Bericht entnehmen können, gibt es keinen Bedarf. – Es gab im Ausschuss keine Diskussion über den Inhalt dieses Berichts. Dieser Bericht, meine Damen und Herren, beinhaltet alles andere als eine klare Absage an die Notwendigkeit.
(Beifall des Abgeordnete Stefke [BVB/FW])
Ich glaube nicht, dass daraus die richtigen Schlussfolgerungen gezogen wurden.
(Beifall BVB/FW)
Denn in der Tat weist der Mieterschutzbund zu Recht darauf hin, dass durch Umwandlungen in Eigentumswohnungen der Mietpreis generell nach oben getrieben wird. Und es ist eine völlig falsche Schlussfolgerung, zu sagen: Die meisten Gerichtsverfahren bezögen sich auf Betriebskosten und es gebe vergleichsweise wenig Eigenbedarfskündigungen. – Das mag ja sein, aber man muss die Zahlen natürlich gewichten. Es ist ein Unterschied, ob eine Kündigung wegen Eigenbedarfs erfolgt oder ob wegen der Höhe der Betriebskostenabrechnung gestritten wird. Im Übrigen geht es auch um die Veränderung des Preissegments mit Blick auf die Zukunft und nicht nur auf den jeweiligen konkreten Einzelfall.
(Beifall BVB/FW)
Erst jüngst, meine Damen und Herren, hat die Landesregierung selbst die Kappungsgrenzenverordnung verlängert – das war im Sommer 2019 -, und zwar bis Ende 2020. Die dortigen Tatbestandsvoraussetzungen, die die Landesregierung auch in Beantwortung meiner damaligen Kleinen Anfrage bejahte, sind dieselben wie bei der Kündigungssperrfristverordnung. Und der Einwand, den hier manche im Vorfeld der heutigen Sitzung im Rahmen der Pressediskussion letzte Woche erhoben haben, das müsse der Bund regeln, ist gesetzessystematisch komplett daneben. Das Bürgerliche Gesetzbuch regelt, dass es eine dreijährige Sperre gibt und die Länder selbst festlegen können, ob sie von der Möglichkeit der Erhöhung auf zehn Jahre Gebrauch machen. Das heißt, das ist eine klare Länderklausel. Jedes Land muss das selbst entscheiden, und eine ganze Reihe von Bundesländern hat davon auch Gebrauch gemacht.
Ich möchte Sie daran erinnern: Sie haben hier einen doppelten Hebel, nämlich bis zu zehn Jahre – das heißt nicht zwingend zehn Jahre, es können auch fünf oder acht Jahre sein – und man kann auch zwischen den Gemeinden differenzieren, so wie es Nordrhein-Westfalen tut. Manche Gemeinden haben gar nicht erhöht, manche Gemeinden auf fünf, manche auf acht Jahre; die Möglichkeit besteht.
Meine Damen und Herren, die Kündigungssperrfristverordnung – oder nach manchem Sprachgebrauch Kündigungsschutzklauselverordnung – dient dazu, Umwandlungen in Eigentumswohnungen und damit einhergehend den teuren Verkauf, der wiederum zum Entzug aus dem Mietmarkt führt, unattraktiver zu machen und dadurch wiederum der Spekulation und sozialen Verdrängung vorzubeugen; denn oft werden Eigenbedarfskündigungen als Aufhänger für eine spätere Veräußerung genutzt – und dann klagt dort keiner mehr.
(Beifall des Abgeordnete Stefke [BVB/FW])
Meine Damen und Herren, die Kündigungssperrfristverordnung ist ein anerkannter Weg für den Mieterschutz. Das haben nicht wir erfunden, das ist im gesamten Bundesgebiet so, und insbesondere die Mietpreisentwicklung in vielen – nicht allen, aber vielen – Gemeinden unseres Bundeslandes gebietet es, von allen in Betracht kommenden Instrumenten Gebrauch zu machen.
(Beifall BVB/FW)
Nun hat – das will ich nicht verhehlen – die damalige Infrastrukturministerin und heutige Chefin der Staatskanzlei auch gesagt: Nichtsdestotrotz wird in zwei Jahren – das ist 2020, also dieses Jahr – noch einmal geprüft. Deswegen wünschen wir uns, dass wenigstens – wenigstens! – diese Prüfung ermöglicht wird. Dazu soll der Antrag dienen. – Vielen Dank.