Philip Zeschmann zur 1.Lesung Nachtragshaushalt und Gesetz zum Zukunftsinvestitionfonds – 20.11.2019

20. Nov. 2019

Rede von Philip Zeschmann in Textform:

Herr Abg. Dr. Zeschmann (BVB/FW):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete! Wir haben hier schon einige heftige Schlagabtausche gehört, obwohl wir in der ersten Runde sind. Ich möchte jetzt das Ganze ein bisschen sachlicher behandeln.

Erstens ist es eine Tatsache, dass in den Medien und anderen Diskussionskreisen deutlich kritisiert wurde, dass sich die gerade heute ins Amt gekommene Landesregierung leichtfertig mal so eben 1 Milliarde Euro leihen will, nur um das Wirksamwerden der Schuldenbremse am 01.01.2020 zu umgehen und sich schöne, breite Handlungsspielräume für den Rest der Legislaturperiode offenzuhalten. Wir haben gerade in der Diskussion gehört, dass keineswegs festgelegt ist, was damit alles gemacht werden soll, und möglicherweise die Koalition das Paket intern geschnürt hat, weil man sich diesbezüglich gar nicht einigen konnte.

(Zuruf von der AfD)

Auch der bisherige Co-Fraktionsvorsitzende der Grünen, Herr Vogel, hat in den letzten Jahren wiederholt zu Haushaltsdisziplin aufgerufen und für die Schuldenbremse geworben. So hat er zum Beispiel in der Haushaltsdebatte am 14. Dezember 2018 Folgendes gesagt:

„Herr Vida, der ansonsten bei jeder Gelegenheit Kreditaufnahmen fordert, wollte diesmal noch 300 Millionen Euro für die Altanschließer obendrauf packen, obwohl wir alle wissen, dass dieser Haushalt nicht nachhaltig ausfinanziert wird.“

Im Nachgang wurden wir dann zusammen mit der AfD und den Gelbwesten in einen Topf geworfen. Und das Interessanteste ist: Das, was die Grünen – und auch die CDU des Öfteren – damals verteufelt haben, wird elf Monate später – sofort bei Regierungsantritt – als die beste Lösung dargestellt. Das finden wir schon interessant und nehmen zur Kenntnis, dass hierbei von den neuen Regierungsparteien eine Kehrtwendung um 180 Grad vollzogen wurde. Es scheint ganz einfach zu sein, alles, was man zuvor gesagt hat, ganz schnell zu vergessen und einfach über den Haufen zu werfen, weil man ja mitregieren kann.

Noch eine kleine Anmerkung zu diesem Thema: Trittbrettfahren haben die einen oder anderen in diesem Hause schon gut geübt, als wir mit unserer Volksinitiative „Straßenausbaubeiträge abschaffen!“ durchgekommen sind. Dass Sie das Trittbrettfahren schon gut draufhaben, kommt Ihnen jetzt natürlich sehr zupass.

(Frau Abg. Dannenberg [DIE LINKE]: Quatsch!)

Wir freuen uns aber grundsätzlich sehr – ich hatte ja eine etwas sachlichere Auseinandersetzung mit diesem Thema angekündigt,

(Lachen bei SPD, CDU und AfD – Herr Abg. Galau [AfD]: Daneben!)

die kommt jetzt auch -, dass Sie als Regierungsparteien jetzt die wirtschaftlichen und investitionspolitischen Notwendigkeiten des Landes Brandenburg gesehen haben. Und wir müssen feststellen: Die Brandenburger Vereinigten Bürgerbewegungen/ Freie Wähler waren offensichtlich – wie es auch das Zitat aus der Rede von Herrn Vogel eben gezeigt hat – ihrer Zeit voraus. Schön, dass Sie sich uns jetzt anschließen und versuchen, zunehmend in die Zukunft unseres Landes zu investieren.

(Beifall BVB/FW)

Wir halten solch ein Zukunftsinvestitionsprogramm, wie von uns auch schon öffentlich dargelegt, grundsätzlich für volkswirtschaftlich richtig, weil nach der Keynesianischen Theorie in einem sich andeutenden wirtschaftlichen Abschwung im Idealfall aus Rücklagen oder notfalls aus Krediten die Nachfrage angekurbelt und die wirtschaftliche Entwicklung damit gestützt werden soll.

Geschieht das nun ausschließlich in Form zukunftsweisender Investitionen bzw. handelt es sich wirklich um Investitionen in die Zukunft unseres Landes? Genau das muss sichergestellt werden.

Sie haben in Ihrem Gesetzentwurf eine Formulierung – die ich zitiere, damit das auch jeder mitbekommt -: „… Finanzierung investiver Ausgaben des Landeshaushalts für Projekte in den Bereichen Regionalentwicklung, Klimaschutz, moderne Infrastruktur, Digitalisierung und Innovationen“. Das ist einfach vollkommen unbestimmt. Die Diskussion hat eben schon gezeigt, dass Sie sich offensichtlich noch nicht darüber einig sind, was Sie mit dem Geld überhaupt machen wollen. Das ist ungefähr alles oder nichts. Das kann alles sein, das kann nichts sein. Damit öffnen Sie sozusagen die Büchse der Pandora. Nur Straßen und Radwege, wie es Herr Bretz, glaube ich, vorhin gesagt hat – das ist ein bisschen dünn. Da müsste man schon eine klare Festlegung haben und sicher sein, dass es sich um Investitionen in die Zukunft unseres Landes handelt.

Vizepräsidentin Richstein: Herr Abgeordneter, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Herr Abg. Dr. Zeschmann (BVB/FW): Wenn das nicht von meiner Zeit abgeht, ja. Vizepräsidentin Richstein: Nein, das geht nicht von Ihrer Zeit ab.

Herr Abg. Bretz (CDU): * Herr Kollege Dr. Zeschmann, vielen Dank für die Möglichkeit zur Nachfrage. Würden Sie mir recht geben, dass in dem Entwurf des Gesetzes, welches wir hier heute diskutieren, auch steht, dass dazu ein Wirtschaftsplan für das Sondervermögen erstellt wird?

Würden Sie mir zweitens recht geben, dass dieser Wirtschaftsplan Bestandteil der Haushaltsberatungen sein wird? Würden Sie mir drittens recht geben, dass das Ministerium der Finanzen dem Ausschuss für Haushalt und Finanzen regelmäßig zur Umsetzung des Wirtschaftsplans Bericht zu erstatten hat?

Und würden Sie mir letztens recht geben, dass man klug beraten ist, wenn man allgemein formuliert und es sich bei strategisch relevanten Investitionen als Begrifflichkeit nicht gut macht, wenn man dann sehr kleinteilig die einzelnen Projekte auflistet, sondern dass es besser ist, Themenbereiche zu benennen und zu erklären, was man mit diesen Themenbereichen erreichen will?

Herr Abg. Dr. Zeschmann (BVB/FW): Danke für Ihre Hinweise und Anmerkungen. Grundsätzlich haben Sie recht. Das ist so. Das ist aber leider überhaupt nicht ausreichend, um zu gewährleisten, dass das Geld wirklich in Zukunftsinvestitionen wandert. Dazu komme ich gleich noch.

Weil das alles noch ein bisschen unbestimmt und nicht so klar ist, muss es noch etwas konkretisiert werden. Genau deswegen haben wir unseren Änderungsantrag vorgelegt, der sich übrigens durchaus durch Zurückhaltung auszeichnet. Wir fordern nämlich – wie Sie vielleicht gelesen haben -, dass der Begriff Regionalentwicklung, der in der etwas unbestimmten Formulierung, die ich vorgetragen habe, steht, wenigstens um die Worte „insbesondere Landesstraßenbau und Förderung des öffentlichen Personennahverkehrs“ ergänzt und damit präzisiert wird.

An Herrn von Gizycki: Es geht hier um eine geringfügige Präzisierung. Wir haben auch keineswegs geschrieben: Landesstraßenbau – Punkt. Wir haben geschrieben: Landesstraßenbau und Förderung des öffentlichen Personennahverkehrs. Ich verstehe das auch als absolut gleichwertig. Wenn das nicht gemacht wird – es geht ja auch um Straßeninstandsetzung -, müssen Sie nämlich aus diesem Zukunftsinvestitionsprogramm auch die kaputten Stoßdämpfer der Fahrzeuge der Bürger, die über die Landesstraßen holpern müssen, bezahlen, denn an vielen Stellen ist der Zustand der Straßen katastrophal.

(Beifall BVB/FW) Vizepräsidentin Richstein: Herr Abgeordneter, lassen Sie eine weitere Zwischenfrage zu?

Herr Abg. Dr. Zeschmann (BVB/FW): Gerne.

Herr Abg. Galau (AfD): Sehr verehrter Herr Kollege, geben Sie mir recht, wenn ich sage, dass, wenn zum Beispiel Herr Bretz zur Bank gehen würde, um dort einen Kredit zu beantragen, er den Wirtschaftsplan vorlegen müsste, bevor er den Kredit bekommt?

(Zustimmung bei der AfD)

Herr Abg. Dr. Zeschmann (BVB/FW): Das scheint vernünftig zu sein, aber das Problem ist ja: Wir befinden uns hier nicht im privaten Bereich, sondern im Bereich der Finanzierung des Landes Brandenburg.

(Herr Abg. Genilke [CDU]: Aber da haben Sie doch Ihre Erfahrungen!)

Aber genau zu diesen Punkten komme ich jetzt; ich würde jetzt gerne versuchen, die Sache im Zusammenhang darzustellen. Ich habe eben gesagt:

Wir möchten den Begriff der Regionalentwicklung präzisieren. Auch im Koalitionsvertrag steht, dass Sie die Straßen, insbesondere für die Pendler zwischen Berlin und Brandenburg, ausbauen und für den Umstieg auf den Schienenpersonennahverkehr und sonstigen ÖPNV Anreize setzen wollen. Also sollte die Zustimmung der Koalitionsfraktionen zu dieser kleinen Präzisierung kein Problem sein, es steht ja so im Koalitionsvertrag.

(Beifall BVB/FW)

Die zweite Änderung bezieht sich auf den Begriff „moderne Infrastruktur“. Sie haben im Gesetzentwurf formuliert: „… landespolitisch strategisch bedeutende Projekte, für die eine besonders günstige Relation zwischen verfolgtem Zweck und den einzusetzenden Mitteln zu erwarten ist“. Das ist genau der Punkt, den wir sehr genau unter die Lupe nehmen werden, und zwar bei jedem Punkt einzeln.

(Herr Abg. Görke [DIE LINKE]: Das ist Standard im Haushaltsrecht!)

– Ja, das ist schön, aber das muss auch Realität werden. Das mag ja sein, dass das irgendwo auf dem Papier steht.

(Beifall BVB/FW)

Mit unserer zweiten ergänzenden Formulierung im Änderungsantrag wollen wir aber zumindest sicherstellen, dass Geld, das aus diesem Zukunftsvermögen kommt, nicht für die Flughafen Berlin Brandenburg GmbH bereitgestellt wird, denn die Verwendung für eine Investitionsruine BER würde den hohen Anforderungen, die Sie selbst formuliert haben, nach den Erfahrungen der letzten 13 Jahre wohl kaum entsprechen. Wir haben schon 6 oder 7 Milliarden Euro in den Sand gesetzt. Hinzu kommt, dass wir unseren Bürgern und Steuerzahlern in keinem Fall erklären können, warum weiterhin Geld in dieses Fass ohne Boden gepumpt wird und es bei ihnen vor Ort überall fehlt: kaputte Straßen, zu wenig Kitaplätze, marode Schulen, Unterrichtsausfall landauf, landab, fehlende Polizisten – keine entsprechende Präsenz. Das können und werden wir unseren Bürgern nicht weiter zumuten, und schon gar nicht in verschärfter Weise. Im Gegenteil, die unsinnige Steuergeldverschwendung am BER muss beendet werden.

(Beifall BVB/FW sowie vereinzelt AfD)

Darüber hinaus enthält Ihr Gesetzentwurf auch schöne Worte – jetzt komme ich zum Thema Kontrolle -, aber leider keinerlei Kontrollmechanismen. Darin steht nämlich: Wirksamkeit und Nachhaltigkeit der einzelnen mit den Mitteln aus dem Sondervermögen finanzierten Projekte müssen gewährleistet sein.

Dazu sagen wir: Das hört sich toll an, aber es wird überhaupt nicht gesagt, wie das gemacht, garantiert oder wenigstens kontrolliert wird.

Die zweite Frage: Sie haben beschrieben, dass diese Mittel zweckentsprechend verwendet werden sollen; das hat Herr Bretz eben, glaube ich, auch angesprochen. Aber auch diesbezüglich steht nicht darin, wie das garantiert, wie es wenigstens zeitnah überprüft wird. Dass das irgendwo auf dem Papier steht, mag sein, wir möchten aber sehen, dass es Tatsache ist.

Hier steht auch noch: Bericht über die Wirksamkeit und Nachhaltigkeit der einzelnen mit den Mitteln aus dem Sondervermögen finanzierten Projekte. – Also Wirksamkeit und Nachhaltigkeit sollen garantiert sein. Wo und wie wird das unabhängig garantiert? Wie wird das zeitnah überprüft? Wie weisen Sie das nach?

Da es sich bei diesem Sondervermögen ja nicht nur um Steuern von unseren Bürgern handelt, sondern dafür sogar ein Kredit aufgenommen werden soll, sind hier ganz besonders hohe Ansprüche an die Kontrolle eben dieser zweckentsprechenden Verwendung der Mittel sowie hinsichtlich der Wirksamkeit und Nachhaltigkeit der aus diesem Sondervermögen finanzierten Projekte anzulegen.

(Beifall BVB/FW)

Um das in einem Höchstmaß gewährleisten zu können, wäre es aus unserer Sicht angemessen, zum Beispiel den Landesrechnungshof zeitnah zu bitten, größere Projekte auf die zweckentsprechende Verwendung der Mittel und die Wirksamkeit und Nachhaltigkeit zu prüfen oder bei großen Projekten auch externe Gutachter einzubinden.

Wir werden in den entsprechenden Ausschüssen – im Ausschuss für Haushalt und Finanzen und im Haushaltskontrollausschuss – genau auf diese Prüfungen und Begutachtungen wertlegen, damit die Ausgaben aus dem Kredit, der ja auch noch auf Steuerzahlerkosten aufgenommen wird, wirklich nachhaltig sind – wie Sie ja selbst geschrieben haben.

Zum Antrag der Linken: Wir sind angesichts dessen, dass der bisherige Finanzminister Görke von der Linken vor Kurzem noch sagte, eine Schuldenaufnahme gehe gar nicht, und es jetzt vonseiten der Fraktion DIE LINKE plötzlich heißt, es solle nicht nur dieses Sondervermögen aufgenommen, sondern die Schuldenbremse gänzlich gestrichen werden, irritiert. Auch damit werden wir uns in den entsprechenden Ausschüssen auseinandersetzen und dort sicherlich auch konkretere eigene Vorschläge einbringen. – Damit danke ich für Ihre Aufmerksamkeit.

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